Übersichtsarbeiten - OUP 06/2014

Kitesurfen – sportmedizinische Aspekte, Risikofaktoren und Verletzungen

K. Kristen1, S. Syré2, M. Humenberger2

Zusammenfassung: Kitesurfen ist eine ca. 1995 entstandene Segelsportart. Das Segel des Kitesurfers ist der Kite – ein spezieller Lenkdrachen, der über 4 jeweils 20–25 m lange Leinen gesteuert wird. Obwohl die Risiken dieser Sportart in den Medien häufig hervorgehoben werden, sind nur wenige Studien über Verletzungen und assoziierte Überlastungssyndrome publiziert. Die Autoren haben in den Jahren 2002–2013 die medizinische Betreuung der
Athleten im Rahmen der World Pro Tour am Austragungsort Podersdorf/Österreich durchgeführt. Verletzungen der Athleten und ihre Therapie wurden dokumentiert und ausgewertet. Des Weiteren wurde 2013 eine Befragung anhand eines Fragebogens durchgeführt.

Die Rate der schweren Verletzungen im Wettkampf ist seit 2002 deutlich rückläufig, die Rate der leichten Verletzungen blieb nahezu unverändert. Die Entwicklung der Verletzungsmuster zeigt eine Zunahme der Verletzungen im Bereich der Schulter, was in Relation zu den hoch bewerteten Rotationssprüngen im Wettkampf gebracht werden kann. Risikofaktoren für schwere Verletzungen und Todesfälle sind, wie ein Review zeigte, der Kontrollverlust über den Kite und das verspätete Abkoppeln der Surferin/des Surfers vom Kite.

Schlüsselwörter: Kite, Kitesurf, Verletzung, sportmedizinische
Betreuung, Review

Zitierweise
Kristen K, Syré S, Humenberger M: Kitesurfen – sportmedizinische Aspekte, Risikofaktoren und Verletzungen.
OUP 2014; 6: 306–311 DOI 10.3238/oup.2014.0306–0311

Abstract: Kitesurfing is a sailing sport invented around 1995. The sail of the kitesurfer is steered by 4 lines of 20–25 m of length. Although the risks of kitesurfing are often reported in media, only a few scientific publications, analyzing kitesurf injuries and risk factors, have been published. The published data is more than 10 years old. But the sport has grown and changed since. The authors performed as sport medicine specialists on site treatment of all the kitesurf athletes during the annual world cup stop in Podersdorf/Austria from 2002–2013. The athletes’ injuries and all therapeutic interventions were documented and analyzed. A questionnaire was completed in 2013.

The rate of severe injuries during competition has decreased from the beginnings in 2002. The rate of mild injuries, allowing the athletes to continue to compete, has remained stable. A chronologic follow-up showed an increasing rate of shoulder injuries. This finding is related to high scoring of handle pass maneuvers with rotation during competition. A review showed the loss of kite control and the inability of the kitesurfer to release/detach from the kite being the main risk factors over years for severe injuries and fatalities.

Keywords: kite, kitesurf, injury, sports medicine, review

Citation
Kristen K, Syré S, Humenberger M: Kitesurfing – injuries and sports medical aspects.
OUP 2014; 6: 306–311 DOI 10.3238/oup.2014.0306–0311

Vorstellung der Sportart

Kitesurfen ist eine Wassersportart, die Surfen mithilfe des Windantriebs eines Lenkdrachens erlaubt. Bereits nach einer kurzen Lernphase von einigen Tagen ist das Gleiten auf dem Wasser auch in hohen Geschwindigkeiten möglich, Sprünge von mehreren Metern Höhe können erreicht werden. Zusammengesetzt aus dem englischen „Kite“ als Bezeichnung für Drache oder Lenkdrache und „Surfen“ in Anlehnung an Wellenreiten und Windsurfen hat sich die Bezeichnung Kitesurfen oder Kiteboarding durchgesetzt.

Neben dem Schweben auf dem Wasser ermöglicht die Integration des Lenkdrachens einen Vertikalantrieb, der in spektakulären Sprungmanövern auch im flachen Wasser genutzt wird (Abb. 1), was das rege Interesse an der Sportart erklärt. Die Dauer der Flugphasen beträgt oft mehrere Sekunden, in die verschiedenste Tricks und Bewegungselemente eingebaut werden können. Bedenken um die Sicherheit anderer Wassersportler und Strandgäste haben in den letzten Jahren zunehmend zu Verboten und Einschränkungen geführt.

Aktuell wird Kitesurfen weltweit an vielen Binnenseen sowie in den Küstenregionen betrieben. Angaben über die Zahl der aktiven Sportler liegen nicht vor, da dieser Sport kaum Vereinsstrukturen aufweist und somit nur indirekte Rückschlüsse über Verkaufszahlen und Anzahl der Teilnehmer an Kitesurf-Kursen möglich sind. Das Alter der Sportler liegt zwischen 10 und 75 Jahren mit einem Höhepunkt zwischen 20 und 50 Jahren. Kitesurfen wird überwiegend, ähnlich wie Segeln und Windsurfen, von Männern ausgeübt. Die Wachstumsrate dieser Sportart lag 2000–2010 bei 20–50 % pro Jahr. Da das Material gut transportiert werden kann, hat sich ein Kitesurf-Tourismus auch in exotischen Regionen stark entwickelt. Als Landsportart – mit Ski oder Snowboard ausgeübt, ist die Entwicklung in weitaus geringerem Ausmaß geschehen [1].

Fahrstile

Beim Kitesurfen lassen sich grob 3 verschiedene Fahrstile unterscheiden:

Race: Zeitrennen entlang eines vorgegebenen Kurses,

Freestyle:

– Old-School: hohe Sprünge mit langen Flugphasen,

– Wake-Style: viele Rotationselemente,

Wave: Kitesurfen in der Welle.

Die Wettkampfdisziplin Freestyle entwickelte sich durch ein hohes Scoring von Rotationssprüngen in Richtung Wakeboarden mit komplexen Elementen, vergleichbar mit Bewegungsabläufen aus dem Geräteturnen. Die Disziplin Race/Kursrennen gelangte erst 2012 nach der vorübergehenden Nominierung als olympische Disziplin in den Fokus des Renngeschehens.

Das Verletzungsrisiko wird beim Wake-Style am größten eingeschätzt, da hier die meisten Rotationselemente mit möglichem Kontrollverlust der Kite- und Boardsteuerung eingebaut werden (Abb. 2).

Sportgerätetechnologie

Wie jede Segelsportart ist auch beim
Kitesurfen ein hoher technischer Aufwand erforderlich. Das Kitesurf-Material umfasst folgende Bestandteile:

Power-Kite

Die Power-Kites sind Lenkdrachen mit einem Flügelprofil. Die Kites sind aus speziellem, ultraleichten, Wasser abweisendem und luftdichtem Segeltuch gefertigt. Bei schwächerem Wind werden Kites von 12–18 m2 Größe verwendet, bei starkem Wind kleinere Kites mit 5–12 m2 Größe. Die derzeit am häufigsten verwendeten Tubekites werden über 4 Leinen gefahren, wobei 2 Leinen zum Steuern der Flugrichtung (Frontlines) des Kites dienen und 2 Leinen zur Änderung des Anstellwinkels (Depower-, bzw. Backlines). Die technische Weiterentwicklung der Kites und ihrer Steuerelemente hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der sogenannten Depower-Eigenschaften geführt, wodurch dem Kite schnell und effektiv die Kraft genommen werden kann [2]. Durch diese Verbesserungen, sowie durch Innovationen im Bereich der Safety-Release-Mechanismen konnten die Kitekontrolle verbessert und die Sicherheit deutlich gesteigert werden (Abb. 3).

Das Board

Das klassische Surfboard mit Schlaufen und Finnen und einer Länge von 1,5–2,3 m wird als sogenanntes Directional mit oder ohne Fußschlaufen gefahren. Neben ihrer Verwendung als Leichtwindbretter werden sie gehäuft beim Kitesurfen in der Welle eingesetzt. Die beliebtesten Kiteboards, die Bidirectionals, sind 1,2–1,5 m lang. Die Form entspricht in etwa dem eines Wakeboards, sie können in beide Richtungen gefahren werden und eignen sich besonders für Sprünge und Tricks. Das Volumen – und somit ihre Auftriebseigenschaften – der meisten Boards ist gering, sodass sie im Notfall nicht als Schwimmhilfe verwendet werden können. Zwei Fußschlaufen ermöglichen einen festen Stand am Board in jeder Fahrsituation. Im Fall eines Sturzes ist jedoch meist das schnelle Lösen vom Board möglich, wodurch Rotationstraumata der Kniegelenke vermieden werden können. Wenn sich der Kitesurfer nur aus einer Schlaufe lösen kann, können typische Verletzungsmuster wie bei Rotationstraumata auftreten, z.B. Kreuzbandrupturen, Meniskus- und Seitenbandläsionen. In den letzten Jahren kommen vor allem beim Wake-Style vermehrt feste Bindungen aus dem Wakeboarden zum Einsatz, die zwar mehr Stabilität am Brett mit sich bringen, jedoch auch ein höheres Verletzungspotenzial aufgrund der fixierten Verbindung zwischen Kitesurfer und Board. Für Kursrennen werden breite Raceboards verwendet. Eine neue Entwicklung stellen die Foil Boards dar, die aufgrund der verminderten Kontaktfläche mit dem Wasser noch höhere Geschwindigkeiten erlauben. Der aktuelle Geschwindigkeitsrekord liegt bei 104,86 km/h.

Sonstige Ausrüstung

Der Kite wird über äußerst reißfeste Leinen mit glatter Oberflächenstruktur (2 mm Spektra-Leinen – Bruchlast ca. 2000 N) gefahren. Die Länge der Leinen und somit der Aktionsradius des Kites beträgt 18–28 m. Das ist auch der Mindestsicherheitsabstand, den der Kitesurfer nach Lee (der windabgewandten Seite) und nach oben benötigt. Als Steuerungsmittel wird eine 40–70 cm breite, griffige Stange (Bar) verwendet, an der die Leinen befestigt sind. Der Surfer trägt einen Trapezgurt, wie er auch beim Windsurfen verwendet wird. Etwa 50 % des Körpergewichts werden übertragen [2]. Die „Depower“-Funktion, durch welche der Anstellwinkel des Kites zum Wind verringert werden kann, wird über die Anknüpfpunkte der Lines am Kite vorgetrimmt und über den „Adjuster“ und über die Distanz der Bar zum Trapez gesteuert (Abb. 3). Die Kombination aus Kite- und Boardsteuerung macht das Beherrschen des Kitesurfens zu einer komplexen Aufgabe.

Sportmedizinischer Aspekt: Verletzungen und
Risikofaktoren

Die Autoren waren im Zeitraum 2002–2013 mit der sportmedizinische Betreuung der jährlich ausgetragenen Kitesurf Worldcup-Veranstaltung in Podersdorf/Österreich betraut. Im Rahmen dieser sportmedizinischen Betreuung wurde das internationale Kollektiv der Kitesurfer anhand eines standardisierten Fragebogens abgefragt. Aktuelle oder rezente Verletzungen wurden medizinisch untersucht und behandelt. Bedingt durch die leistungsorientierte Selektion des Starterfelds waren über den Zeitraum von 11 Jahren Analysen über die Entwicklung von Überlastungssyndromen und Verletzungen möglich [3, 4, 5, 6, 7].

Eine prospektive Studie hat die Aussage über ein allgemeines Verletzungsrisiko von 7 pro 1000 Stunden Sportausübung in einem gemischten Kollektiv treffen können. Es handelt sich um eine internetbasierte Studie, die mit Fragebögen durchgeführt wurde. Die Untersuchung berücksichtigt die Daten aus dem deutschsprachigen Raum von 2000–2001 [8, 9, 10]. Die Verletzungslokalisation entsprach mit 28 % Fuß und Sprunggelenk, 14 % Kopf, 13 % Rumpf und Rippen sowie 13 % Knieverletzungen in etwa der Verletzungsverteilung eines österrei chischen Kollektivs [4, 7]. Bei 56 % aller Verletzungen wurde als Ursache angeführt, dass der Kite in einer kritischen Situation nicht vom Trapezgurt getrennt werden konnte. Als dominanter Risikofaktor wurde in den Studien bis 2004 das schlecht entwickelte Safety-Release-System nachgewiesen.

Verletzungsmechanismen: Abschürfungen, Prellungen und Distorsionen entstehen bei Stürzen an Land sowie im flachen Wasser bzw. über Riffen, Sandbänken und weiteren Hindernissen. Abschnürungsverletzungen können beim Hantieren und Verheddern mit den Leinen entstehen, wobei hier insbesondere die Finger gefährdet sind. Sprunggelenk- und Knieverletzungen entstehen meist durch harte Landungen sowohl am Wasser als auch bei Start und Landung des Kites.

Rippenverletzungen: Als sportartspezifisches Überlastungssymptom beschrieb Kristen KH bereits 2002 [5] die Stressfraktur der Rippen, bevorzugt der 7. bis 9. Rippe. Als Ursache wird hier der Druck des Trapezgurts in der Taille in Kombination mit hohen Zug- und Rotationskräften angegeben. Die Häufigkeit dieser Verletzung ist durch technische Weiterentwicklungen der Trapezgurte deutlich rückläufig.

Sportartspezifisches
Belastungsprofil

Nicht die Kraft, sondern die Technik ist das entscheidende Kriterium dieser Sportart. Für die Boardkontrolle ist ein hohes Maß an Balancegefühl erforderlich, die höchste Anforderung stellt allerdings die Kontrolle des Kites im Wind dar. Ausreichend Kenntnis über Wetter und Witterungsbedingungen sowie Einschätzungsvermögen hinsichtlich der Windkraft gilt als Voraussetzung. Ebenso sollte der Sportler gute Schwimmkenntnisse haben, sich mit dem Surfrevier vertraut machen und Sportregeln beachten, um Kollisionen zu vermeiden. Als körperliche Grundvoraussetzungen sollten mindestens 2 Klimmzüge durchführbar sein. Zwingend vorauszusetzen sind auch regelmäßige Materialchecks sowie Vertrautheit mit den Safety-Release-Mechanismen für Notsituationen [11].

Wirbelsäule

Die Lendenwirbelsäule ist hohen Rotations- und Biegebelastungen ausgesetzt, da der Zug des Drachen über Arme und Trapez auf die Beine übertragen wird. Die axiale Belastung der Lendenwirbelsäule wird durch den Zug des Kite nach schräg oben reduziert. Die Halswirbelsäule wird besonders beim Anfänger stark beansprucht, da diese die Position des Drachen am Himmel über eine „Kopf im Nacken“-Position kontrollieren. Bei Schleuderstürzen mit hoher Geschwindigkeit sind Peitschenschlagverletzungen der HWS nicht zu vermeiden. Verstärkend wirkt dabei, dass der Schultergürtel durch das Halten des Drachens über die Stange fixiert ist. Instabilität oder degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sind als relative Kontraindikation für die Sportausübung anzusehen.

Schultergelenke

Durch die hohe und oft ruckartige Zugbelastung an den Armen kann es sogar bei muskulär gut stabilisierten Schultergelenken zu Subluxationen und Luxationen kommen. Dies kann im Wasser ohne Fremdhilfe zu äußerst kritischen Situationen führen. Die aktuelle Entwicklung im Kitesurf-Wettkampfsport mit „Handle-pass“-Manövern (die Stange wird während eines Sprungs hinter dem Rücken von einer Hand in die andere übergeben – ein Trick aus dem Wasserski-Trickfahren) hat zu einer deutlich erhöhten Inzidenz von Schulterverletzungen bei den Spitzensportlern geführt. Ein kräftiger Schultergürtel und eine gute schulterstabilisierende Muskulatur sind Voraussetzung für die Durchführung dieser Elemente.

Todesfälle

Schwere Verletzungen und tödliche Unfälle brachten den Sport in die Medien. Viele professionelle Kitesurfer berichten bei der Frage nach Verletzungen in ihrer Laufbahn über lebensgefährliche Situationen. Selbst durchtrainierten Sportlern gelingt es manchmal nicht, sich rechtzeitig von einem außer Kontrolle geratenen Kite zu trennen. Die Safety-Leash stellt das letzte Sicherheitselement beim Kitesurfen dar und erlaub es dem Kiter, sich vollkommen vom Schirm zu trennen. Um dies auch in Gefahrensituationen schnell und sicher durchführen zu können, sollte die Safety-Leash vorne am Trapez befestigt werden.

Abgesehen von einem Fallbericht [12] sind die Analysen von Iossi mit einem Datensatz aus den USA und Exadaktylos mit einer Analyse aus Südafrika die einzigen greifbaren Studien mit statistischem Charakter [13, 14]. Aus 3 tödlichen Unfällen in den USA im Jahr 2005 konnte bei einer geschätzten Zahl von 50.000 Aktiven ein Risiko von 6–12 Todesfällen pro 100.000 Aktive kalkuliert werden [15].

Für jeden Todesfall stehen ca. 100 bis 1000 nicht-tödliche Unfälle. Viele Kitesurfer haben kritische Situationen erlebt oder kennen Sportler, die sich – teilweise auch schwer – verletzt haben. Genaue Entwicklungen bei tödlichen Unfällen konnte eine Analyse [16] aus den weltweit berichteten Todesfällen 2006 zeigen. Die Daten wurden als Case Report erfasst. Die Auswertung der Todesursachen zeigte folgende Risikofaktoren:

  • 1) Erfahrene Kitesurfer scheinen ein höheres Risiko zu haben (> 4 Jahre Erfahrung 42 %).
  • 2) Altersdurchschnitt 39 Jahre (18–61), ältere Kitesurfer sind gefährdet.
  • 3) Die meisten Unfälle geschehen in Ufernähe beim Start (23 %) und der Landung (31 %).
  • 4) Kitesurfer wurden hochgeschleudert (67%).
  • 5) Starke Windböen (67 %), durchschnittliche Windsituation 28 Knoten (12–50).
  • 6) Auflandiger Wind (58 %).

Zusammenfassend zeigt diese exemplarische Analyse, dass Kitesurf-Erfahrung nicht vor schweren Unfällen schützt, sondern – im Gegenteil – zu Überschätzung und Unachtsamkeit führen kann. Faktoren wie Wind und Wetter sowie spezielle lokale Gegebenheiten müssen erkannt und beachtet werden. Besonders das Starten und Landen stellen potenziell gefährliche Situationen dar. Auf ausreichenden Sicherheitsabstand (mind. 1,5 Leinenlängen) zu jeglichen Hindernissen muss geachtet werden. Darüber hinaus müssen alle Vorkehrungen getroffen werden, um im Notfall den Kite sofort vom Körper trennen zu können.

Fremdgefährdung

Der Kite sowie die gespannten Leinen können in der Hand eines ungeübten oder verantwortungslosen Sportlers zur Gefährdung für andere Wassersportler und Strandgäste werden [1]. Vorfahrtsregeln wurden für diesen neuen Sport beispielsweise von VDWS (Verband Deutscher Windsurfing und Wassersportschulen) aufgestellt und vom bestehenden Wasserrecht abgeleitet [11]. Häufig werden den Kitesurfern spezielle Areale zugeteilt. Einige Gewässer sind bereits mit einem Kitesurf-Verbot belegt worden.

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie untersucht sportmedizinische Aspekte, Risikofaktoren und Verletzungen der Trendsportart
Kitesurfen anhand der Datenauswertung von insgesamt 12 Jahren Surfworldcup-Betreuung am österreichischen Standort Podersdorf. Insgesamt erfolgten 418 Arzt-Konsultationen durch die Athleten während des Wettkampfs. Schwere Verletzungen traten selten auf, insgesamt fanden sich 27 % der Sportverletzungen und Überlastungserscheinungen an der oberen Extremität. Vor allem am Schultergelenk zeigt sich eine steigende Verletzungstendenz, was mit den ständig in Weiterentwicklung befindlichen Handle-pass-Tricks einherzugehen scheint. Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule und Rippen zeigen insgesamt rückläufige Tendenz.

Kitesurfen erschließt im Wassersport eine 3. Dimension: Durch den Zug des Lenkdrachens nach oben wird durch Windkraft ein Dahingleiten auf dem Wasser ermöglicht. Die Reichweite der Kites bringt einen hohen Platzbedarf mit sich, was die Kitesurf-Reviere in Mitteleuropa auf wenige Plätze reduziert. Ein verantwortungsloser Umgang mit dem Material kann eine Gefahr für den Sportler und Unbeteiligte darstellen [1].

80–90 % aller Rettungseinsätze bei allen Wassersportarten sind erforderlich, weil das eigene Können und die eigene Kondition überschätzt wurden [14]. Folgende Vorsichtsmaßnahmen sind für Kitesurfer zu empfehlen:

  • 1) Besuch eines Kitesurf-Kurses mit entsprechendem Sicherheitstraining.
  • 2) Beherrschen des Kites. Abschätzen der Gefahrenzone sowie Einhalten des Sicherheitsabstandes zur Seite, nach oben und nach Lee.
  • 3) Revierkenntnis umfasst beim Kitesurfen nicht nur Kenntnis des Windes und der Strömungen. Auch Abschätzen des Platzbedarfs für sicheres Starten und Landen unter Einhalten der Sicherheitsabstände zu umliegenden Bereichen ist eine entscheidende Voraussetzung.

Bezüglich der Sicherheitsaspekte des Sportgeräts Kite wurde durch die Entwicklung der Safety-Release-Systeme ein wichtiger Schritt getan. Hier muss aber weiter Entwicklungsarbeit und konsumentenorientierte Testung geleistet werden. Insbesondere ist aber jeder einzelne Sportler zum Selbstschutz verpflichtet: Sämtliche Safety-Release-Systeme müssen 1–2-mal jährlich selbst getestet werden, um die Funktion im Notfall in Sekundenschnelle zu beherrschen. Mangelhafte Wartung kann zur Verklebung der Notfallsysteme mit Sand und Salzwasser führen. Ein Line-Cutter zum notfallmäßigen Durchtrennen der Leinen sollte immer in Griffweite am Körper mitgeführt werden.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Dr. Karl-Heinz Kristen

Sportklinik Wien

Werdertorgasse 14/8

A 1010 Wien

kristen@sportklinik.at

Literatur

1. Knolle Sandro. Persönlichkeitsbezogene Risikoforschung in der Trendsportart Kitesurfen. München: GRIN Verlag, 2007

2. Osvalder AL, Lundgren L. Injuries and body stress in kite surfing. http://www.chalmers.se/ppd/EN/ reserach/design-human-factors/ongoing- projects/injuries-body-stress-in

3. Kristen KH. Kitesurfen. In: Sportverletzungen – Sportschäden; Praxiswissen Halte- und Bewegungsapparat, Hrsg. Grifka J, Stuttgart: Thieme Verlag, 2005: 180–185

4. Kristen KH, Kröner A. Kitesurfing, Sportorthopädie – Sporttraumatologie, 2001; 17: 253–259

5. Kristen KH, Kröner A. Orthopädische Checkliste: Kitesurfing/Kiteboarding – Surfen mit Lenkdrachen. Sportorthopädie – Sporttraumatologie 2002; 18: 204–205

6. Kristen KH, Kröner A. Riskieren Kitesurfer Kopf und Kragen?, Medical Tribune 2002; 31: 10

7. Kristen KH. Kitesurfen. In: Sportverletzungen: Diagnose, Management und Begleitmaßnahmen, Hrsg. Engelhardt M. München: Elsevier, Urban & FischerVerlag, 2006: 637

8. Nickel C, Zernial O, Musahl V, Hansen U, Zantop T, Petersen W. A prospective study of kitesurfing injuries; Am J Sports Med. 2004; 32: 912–7

9. Petersen W, Nickel C, Zantop T, Zernial O. Kitesurfing injuries. A young sport. Orthopäde 2005; 34: 419–25

10. Petersen W, Hansen U, Zernial O, Nickel C, Prymka M. Mechanism and prevention of kitesurfing injuries. Sportverletz. Sportschaden. 2002; 16: 115–21

11. Zitzmann C. Kitesurfen unterrichten. Ausbildungsmöglichkeiten an der Universität Flensburg.. In: Schlapkohl N, Schwier J, Zitzmann C. (2012). Trendsport Wassersport. Schriftenreihe Human Performance and Sport. Band 5. Flensburg

12. Spanjersberg WR, Schipper IB. Kitesurfing: When Fun Turns to Trauma—The Dangers of a New Extreme Sport. J Trauma 2007; 63: E76–E80

13. Iossi R. KSI database from 2000 to September 2003

14. http://kiteboardinjury.com/index.php/injury-types/statistics/91-statistics-to-
2003

15. Exadaktylos AK, Sclabas GM, Swemmer K et al. The kick with the kite: an analysis of kite surfing related off shore rescue missions in Cape Town, South Africa. Br. J. Sports Med 2005; 39: e26

16. Iossi R. Fatality Analysis, 2000 to July 2006, Florida kitesurfing Association

17. http://fksa.org/showthread.php?t=4125

Fussnoten

1 Sportklinik Wien

2 Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Medizinische Universität Wien

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