Übersichtsarbeiten - OUP 02/2013

Knöcherne Schulterinstabilität
Arthroskopische Konzepte bei GlenoidranddefektArthroscopic concepts regarding glenoid defects

Auch nach freien Spanplastiken sind partielle Spanresorptionen beobachtet worden [15, 16].

Dabei zeigte sich vor allem eine Remodellierung des Spans hin zu einer anatomischen Glenoidkonfiguration in dem Sinne, dass die Anteile des Spans, die außerhalb der Kapsel liegen und nicht belastet sind, resorbiert werden. So scheint eine aufwendige präoperative Defektvermessung zur genauen Spanmodellierung aufgrund dieser beobachteten Resorption nicht notwendig zu sein.

Verletzungsspektrum der knöchernen Schulterinstabilität

Nicht nur der glenoidale Knochenverlust allein spielt eine Rolle bei der Entwicklung einer rezidivierenden Schulterinstabilität. Auch knöcherne Läsionen des Humeruskopfes und Weichteilpathologien müssen hier Berücksichtigung finden. Bislang ist nicht bekannt, inwiefern sich Glenoiddefekt und humeraler Defekt gegenseitig beeinflussen und ob eine Summe beider Defekte gebildet werden kann, welche eine Indikation zur Beckenkammspanplastik darstellt.

Chronisch rezidivierende anteroinferiore Schulterinstabilitäten weisen bekanntermaßen eine hohe Prävalenz an begleitenden Weichteilpathologien auf. Im Wesentlichen finden sich Bankart- bzw. ALPSA (Anterior Labroligamentous Periosteal Sleeve Avulsion)-Läsionen, SLAP (Superior Labrum Anterior Posterior)-Läsionen, kapsuläre Insuffizienzen, HAGL (Humeral Avulsion of Glenohumeral Ligament)-Läsionen und Rotatorenmanschettenpartialläsionen [17, 18, 19]. Obwohl bei knöchern bedingten Instabilitäten die Knochenblockapposition den wesentlichen Faktor in der Wiederherstellung der Stabilität der Schulter darstellt, sollten relevante Begleitpathologien adressiert werden. Obgleich bisher zu dieser Thematik keine biomechanischen Daten vorliegen, ist davon auszugehen, dass eine Kapsel-Labrumrekonstruktion im Anschluss an die Spananlagerung einen zusätzlichen Stabilisierungseffekt liefert. Auch die klinischen Ergebnisse aus den offenen Knochenblockverfahren mit Versorgung der Weichteilpathologien unterstützen diese Vermutung [20, 21].

Arthroskopische Therapieverfahren mittels knöcherner Augmentation

Die heutige Vorstellung, einen knöchernen Substanzverlust, der eine rezidivierende Schulterinstabilität bedingt, durch einen knöchernen Aufbau zu versorgen, wird durch unterschiedliche Techniken auf verschiedene Weise gelöst. So lassen sich anatomische und extraanatomische, sowie intra- und extraartikuläre Positionierungen des jeweilig verwendeten Knochenblockes unterscheiden. Anatomische Verfahren bedienen sich dabei eines Knochenblockes aus einer anderen Körperregion als der Schulter (z.B. Beckenkammspan, distale Tibia), welcher auf Glenoidniveau zum Ausgleich des Defektes positioniert wird. Extraanatomische Verfahren wie der Korakoidtransfer verändern die Anatomie des Schultergürtels. Eine intra- oder extraartikuläre Spanpositionierung bezieht sich dabei auf die relative Position des Spans zur Gelenkkapsel. Autoren, welche eine extraartikuläre Spanlage propagieren, reinserieren die Kapsel am ursprünglichen Glenoid. Somit ist der intraartikuläre knöcherne Teil des Glenoids prä- und postoperativ identisch.

Ob hierdurch eine Normalisierung der biomechanischen Kraftverhältnisse mit einer Reduktion des Kraft-/Flächen-Verhältnisses erreicht wird, ist fraglich.

Arthroskopischer
Korakoidtransfer

Eine zumindest in der offenen Chirurgie etablierte extraanatomische Technik ist der Korakoidtransfer nach Latarjet, welcher in den letzten Jahren auch in einer arthroskopischen Modifikation publiziert wurde [22] (Abb. 1).

Operative Technik

Hier erfolgt zunächst die Eröffnung des Rotatorenintervalls zwischen Vorderrand des coracohumeralen Ligamentes und des superioren Teils der Subscapularissehne von intraartikulär, um Zugang zum Processus coracoideus zu erhalten. Dieser wird zusammen mit den umliegenden neurovaskulären Strukturen präpariert und anschließend ein korakoidales Portal mittig zwischen Basis und Spitze des Korakoids angelegt. Schließlich wird nach Anlage zweier Bohrlöcher und Armierung mittels eines Führungsfadens im Korkoid selbiges osteotomiert.

Nach horizontalem Subscapularis-split wird das Graft anschließend am vorderen Glenoidrand positioniert und schraubenosteosynthetisch fixiert.

Ergebnisse

Erste klinische und radiologische Ergebnisse wurden im deutschsprachigen Raum anhand von 12 prospektiv eingeschlossener Patienten nach mindestens einem Jahr vorgestellt [23]. Die Patienten erzielten 92 Punkte im Rowe Score. Zudem konnte ein Außenrotationsdefizit von 6° im Vergleich zur Gegenseite beobachtet werden. Ein Patient erlitt
in diesem kurzen Zeitraum eine Reluxation.

Langfristige Ergebnisse sind derzeit nicht beschrieben.

Arthroskopische Knochenblockstabilisation

Extrakapsuläre Spanpositionierung

Taverna et al. beschrieben 2008 ein anatomisches Knochenblockverfahren, bei welchem der Knochenspan in einer Kadaverstudie extrakapsulär am vorderen Glenoidhals positioniert wurde [24] (Abb. 2).

Operative Technik

Nach Entnahme des jeweiligen Knochenspans werden zunächst mit einem Kirschnerdraht 2 Löcher angelegt. Anschließend werden 2 Fadenanker am vorderen Glenoidrand platziert und jeweils ein Fadenschenkel nach anteroinferior und nach posterior ausgeleitet.

Im Anschluss werden beide Fadenschenkel durch den Span geführt und dieser von anteroinferior durch die Arbeitskanüle an den vorderen Glenoidrand geführt. Im Folgenden wird der Span über einen percutanen Kirschnerdraht im Verlauf eines tiefen anteroinferioren Portals temporär fixiert. Mittels zweier Titanschrauben wird der Span anschließend endgültig fixiert. Die Kapsel-Labrum-Refixation erfolgt anschließend am originären Glenoidrand, sodass der Span extraartikulär zu liegen kommt.

Ergebnisse

Derzeit sind keine In-vivo-Ergebnisse dieser Technik in der Literatur zu finden. Ein potenzieller Vorteil mag in der Vermeidung der Anlage eines tiefen anteroinferioren Arbeitsportals liegen. Jedoch bleibt fraglich, ob bei Verwendung von Drehkanülen in der In-vivo-Situation jeder Glenoiddefekt mit einem durch eine Drehkanüle passenden Knochenspan ausgleichbar ist. Darüber hinaus bereitet die Verwendung zweier Fadenanker, deren Fäden nur für die Spanplatzierung verwendet werden, zusätzliche Kosten. Zudem bleibt die Frage, ob ein extrakapsulär positionierter Span, welcher im Vergleich zu einem intraartikulären Span möglicherweise nicht den gleichen biomechanischen Belastungen ausgesetzt ist, durch Resorptionsprozesse nicht über die Maße hinaus abgebaut würde.

Intraartikuläre
Spanpositionierung

Intraartikuläre, anatomische Techniken gehen auf Knochenblockoperationen aus der offenen Chirurgie unter Verwendung eines J-förmigen oder trikortikalen Beckenkammspanes zurück [25, 26].

Arthroskopische J-Spanplastik

Auch die initial auf Alvik zurückgehende Knochenblockstabilisation, heute besser bekannt als die J-Spanplastik nach Resch, ist in einer arthroskopischen Modifikation beschrieben worden [27, 25] (Abb. 3).

Operative Technik

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