Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Konservativ, Hüftarthroskopie, Hüftkappe, Kurzschaft, Standardschaft
Welche Optionen sind bei der Coxarthrose sinnvoll?

Bei einigen konventionellen Schaftprothesen, aber auch einigen Kurzschäften, ist eine genaue Rekonstruktion der individuellen Gelenkgeometrie nicht immer gewährleistet [44, 81]. Derartige Veränderungen führen zu einer veränderten Weichteilspannung, Muskelinsuffizienzen und Schmerzen. Auch zeigen diverse Studien, dass eine ungenügend rekonstruierte Gelenkgeometrie mit einem schlechteren Outcome einhergeht [81]. Die übliche, tiefe Femurosteotomie führt zu einer sog. “Bottom-up-Strategie“, bei der die Hüftgeometrie bspw. durch einen modularen Konus oder etwa eine große Zahl von unterschiedlich geformten Prothesendesigns von unten nach oben wieder aufgebaut wird. Bei einigen Schenkelhals-teilerhaltenden Prothesen ist die Rekonstruktion der individuellen Geometrie über einen anderen Weg möglich (Abb. 2). Bei der Planung wird zunächst das Rotationszentrum festgelegt und hierauf basierend, der Schaft mit einem guten fit-and-fill eingeplant. Hierdurch ergibt sich die individuelle Osteotomiehöhe. Bei einer Valgushüfte kommt es meist zu einer tieferen Resektion, was zu einer Erhöhung des CCD-Winkels und einem geringeren Offset führt (Abb. 2 a?b). Bei einer Varushüfte liegt die Resektion etwas höher, womit sich auch das Offset erhöht (Abb. 2c?d) [45]. Die Einbringung der Impaktoren mit ansteigenden Größen erfolgt entlang des Kalkar. Bei einem guten Sitz des entsprechend der Planung eingebrachten Implantates findet sich eine hohe Primärstabilität [25]. Das Konzept eines Schenkelhals-teilerhaltenden Vorgehens mit individuellen Resektionsniveaus entsprechend der präoperativen Planung wird auch als „Top-down-Konzept“ bezeichnet. Die Prothese folgt dem Schenkelhals, so dass die individuelle Gelenkgeometrie inkl. der Antetorsion wiederhergestellt ist [44, 68]. Windhagen et al. zeigten, dass Schenkelhals-teilerhaltende Kurzschäfte im Vergleich zu Standardschaftprothesen einen Erhalt der Weichteilbalancierung ermöglichen [94]. Dies passt zu dem vglw. guten Outcome Schenkelhals-teilerhaltender Prothesen [21, 82, 90]. Eine Finite-Elemente-Analyse zeigt eine vglw. physiologische proximale Krafteinleitung und eine Verminderung der unerwünschten distalen Krafteinleitung [95]. Dies reduziert das üblicherweise zu beobachtende Stress Shielding und den bei Schaft-endoprothesen oft recht ausgeprägten proximalen Knochenverlust um ein Vielfaches. Eigene Knochendichtemessungen nach 5 Jahren und röntgenologische Untersuchungen nach 10 Jahren sowie weitere DEXA-Studien bestätigen dies [43, 86, 90, 97]. Darüber hinaus zeigte eine Metaanalyse im Vergleich zu den Standardschäften eine verminderte Schaftmigration und eine verminderte Revisionsrate [55].

Bisher gibt es wenige Langzeituntersuchungen zu den Kurzschäften. Eine eigene Nachuntersuchung zur MiniHip Kurzschaftprothese (Fa. Corin), eine weitere zum CFP Kurzschaft (Fa. Link), sowie 2 Meta-Analysen zu unterschiedlichen Kurzschäften zeigen nach ca. 9?12 Jahren Überlebensraten zwischen 96 % und 98,6 % [56, 90, 92]. Ein Reviewartikel zeigt eine Gesamt-Revisionsrate, bezogen auf 100 Komponentenjahre, von 0,38. In Anbetracht dieser Daten und der guten osteologischen Eigenschaften sind neben den bis dato guten Überlebensraten auch im Langzeit-Follow-up gute Standzeiten zu erwarten [78]. Ein interessanter Aspekt unserer Arbeiten zu den Kurzschäften ist der weite Altersrange von 32–82 Jahren. Eine Subgruppenanalyse zum Alter zeigte weder kurz- noch langfristig Unterschiede bei den erhobenen Outcomescores oder den anderen Parametern [42, 90]. Eine Multicenterstudie verglich Patienten, die unter 60 Jahre alt waren mit über 75-Jährigen über 5 Jahre. Die Überlebensrate zeigte mit 98,81 % und 97,02 % keine signifikanten Unterschiede [30]. Somit scheint die Kurzschaftendoprothese auch bei älteren Menschen eine zuverlässige Alternative zu sein. Aufgrund der kurzen Verankerungsstrecke ist aber Vorsicht geboten. Eine Osteoporose oder eine weit in die Metaphyse reichende Kopfnekrose ist für die Versorgung mit einem Kurzschaft voraussichtlich nicht geeignet. Betrachtet man den Versagensmechanismus bei älteren Patienten, so sind auch bei den Kurzschäften periprothetische Frakturen zu beachten. Es wurde gezeigt, dass bei einem röntgenologisch weiten Markkanal und einer deutlichen Kortikalisausdünnung die Anzahl periprothetischer Frakturen und nachfolgender Revisionen bei den Kurzschäften signifikant ansteigt [47]. Um hier Sicherheit zu gewinnen, ist die Klassifikation nach Dorr hilfreich (Abb. 4). Der Femurtyp A hat einen engen Markkanal und eine dicke Kortikalis; beim Typ B ist nur der Kanal weit; beim Typ C findet sich ein weiter Markkanal und eine dünne Kortikalis. Zu beachten ist, dass beim Typ C auch bei den zementfreien Standardimplantaten wie bspw. den Schäften mit sich verjüngenden Taper-Designs, vermehrt periprothetische Frakturen auftreten [32]. Daher empfehlen wir, um diesem Pitfall aus dem Weg zu gehen, bei einem Typ C eher eine zementierte Schaftverankerung. Zusammenfassend bietet der Kurzschaft sehr gute Möglichkeiten zur Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie und ein stabiles Einwachsen. Aufgrund der physiologischen, proximalen Krafteinleitung zeigt sich ein deutlich verminderter Knochenabbau. Somit zeigt der Kurzschaft gute klinische Ergebnisse und vglw. gute Standzeiten. Bei einer guten Knochenqualität kann der Kurzschaft auch bei älteren Patienten implantiert werden.

Fazit für die Praxis

Die einseitige Verwendung eines bestimmten Prothesendesigns wird den unterschiedlichen Voraussetzungen und Ansprüchen der Patienten nicht immer gerecht. Die Erfahrungen in der Endoprothetik zeigen, dass es für das Outcome und die Standzeit vielmehr wichtig ist, wie differenziert verschiedene Prothesenkonzepte angewendet werden. Je nach der individuellen Situation kommt der Oberflächenersatz, der Kurzschaft, ein zementierter oder zementfreier Standardschaft in Frage. Es gilt, je differenzierter desto besser. Dies betrifft natürlich nicht nur die Endoprothetik. Auch der Arthrosepatient bedarf einer individuellen Abwägung eines rein konservativen Vorgehens, einer gelenkerhaltenden Operation oder einer Endoprothese. Auch hierfür ist ein differenziertes, individuell ausgerichtetes Vorgehen entscheidend. Für die gelenkerhaltenden Verfahren gilt, je früher desto besser.

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