Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014

Langzeitbeobachtung Knieendoprothetik Genesis II im honorarbelegärztlichen Modell

Aus dieser speziellen Konstellation heraus wurde es als naheliegend erachtet, jenseits der Erfassung von Schmerz und Funktion im Rahmen des KSS einen Fragebogen einzusetzen, der nicht nur Schmerz und Lebensqualität, sondern die schmerzspezifische Erfassung des Wohlbefindens überprüft. Der Marburger Fragebogen zur Erfassung des habituellen Wohlbefindens bei Patienten mit chronischen Schmerzen wurde aus mehreren Gründen ausgewählt. Eine Fassung des Fragebogens wurde im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung von 1420 Mitarbeitern des Klinikums der Philipps-Universität Marburg bearbeitet. Die Testgütekriterien wurden in einer prospektiven, anonymisierten und kontrollierten Studie und in einer Querschnitterhebung mit Hilfe des Schmerzfragebogens evaluiert. Die Ergebnisse haben auf eine gute interne Konsistenz und damit Homogenität der Skala hingedeutet und die Validität der Skala bekräftigt. Weitere psychometrische Einzelheiten sind der Originalpublikation zu entnehmen [3].

Das herausragende Merkmal des hier untersuchten sektorenübergreifenden Versorgungskonzepts besteht in der Kontinuität präoperativer, operativer und postoperativer Versorgungsleistungen aus einer Hand und einem nicht vorhandenen oder geringen Informationsverlust. Im Rahmen der Studienplanung wurden daher 3 weitere testpsychologische Fragen (Items) entwickelt, um speziell die Akzeptanz der Patienten gegenüber diesem Versorgungskonzept zu messen. In Analogie zum Marburger Fragebogen wurden die entwickelten Ergänzungsitems mit der 6-stufigen Likert-Skala mit den Polen „trifft gar nicht zu“ bis „trifft völlig zu“ untersucht.

Die erste Ergänzungsfrage „Waren Sie, alles in allem, mit Ihren Aufenthalt im Krankenhaus zufrieden?“ ist allgemein gehalten und umfasst summarisch die Zufriedenheit des Patienten im Krankenhaus. Merkmal dieser Frage ist damit keine alleinige Überprüfung eines integrierten Versorgungmodells; in diese Frage fließen vielmehr sämtliche Einflussfaktoren ein, von der die Zufriedenheit über einen stationären Krankenhausaufenthalt abhängen kann. Zu diesen anderen Faktoren gehören auch die räumliche Ausstattung, das Essen, die Leistungen der pflege- und physiotherapeutischen Berufe, die anästhesiologischen und schmerztherapeutischen Maßnahmen, die Zufriedenheit des Patienten mit den festangestellten Ärzten der chirurgischen Abteilung bis hin zum Sozialdienst und Einleitung der Reha-Maßnahme, der zentralen Aufnahme bis hin zum Entlassungsmanagement. Die Frage wäre auch im Rahmen anderweitiger retrospektiver oder prospektiver Studien und bei Testung anderer Versorgungskonzepte nutzbar. Sie kann auch unabhängig von der/den durchgeführten konservativen und/oder operativen Leistungen und auch unabhängig von der Aufnahmediagnose eingesetzt werden.

Mit der zweiten ergänzend entwickelten Frage soll der Krankenhausaufenthalt zur Versorgung mit einer Knieendoprothese vergleichend mit früheren Krankenhausaufenthalten geprüft werden. Die Frage teilt sich in 2 Teile auf. Im ersten Teil wird in Abweichung von der 6-stufigen Skala im Rahmen einer Ja/Nein Unterscheidung geprüft, ob zuvor schon einmal ein Krankenhausaufenthalt stattgefunden hat. Der frühere Krankenhausaufenthalt ist damit allgemein gehalten und muss sich nicht auf einen früheren Krankenhausaufenthalt speziell in einer chirurgisch/orthopädischen Abteilung beziehen. Im 2. Teil der Frage wird die Versorgung im Vergleich zu früheren Krankenhausaufenthalten gemessen und zwar dann, wenn der erste Teil der Frage mit „Ja“ beantwortet wurde. Eine Auseinandersetzung der Testperson mit einem speziellen Versorgungsmodell ist in dieser Frage nicht enthalten, weil aufgrund der Neuimplementierung des Versorgungsmodells durch den Erstautor frühere Krankenhausaufenthalte lediglich im klassischen Versorgungsystem der A-Krankenhäuser oder im herkömmlichen belegärztlichen System stattgefunden haben konnten.

Die 3. und letzte Ergänzungsfrage „Ihre Operation im Krankenhaus erfolgte persönlich durch Ihren niedergelassenen Orthopäden und nicht durch einen fremden Arzt. War dies für Ihre Beurteilung Ihres Krankenhausaufenthaltes wichtig?“ versucht im Besonderen das spezifische Merkmal des entwickelten Versorgungsmodells zu messen. Einschränkend ist hier anzumerken, dass diese Frage auch das herkömmliche belegärztliche Versorgungsmodell testpsychologisch erfassen kann. Somit ist bei der Bewertung der Ergebnisse dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Patient die Unterscheidungsmerkmale zwischen herkömmlichem belegärztlichen Modell und dem hier getesteten „honorarbelegärztlichem“ Modell nicht ohne weiteres differenzieren kann.

Bei einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 8 Jahren und nachuntersuchten 99 Fällen nach knieendoprothetischer Versorgung wurde keine einzige septische oder aseptische Lockerung beobachtet. Der einzige Revisionsfall im untersuchten Kollektiv beruhte auf einer ligamentären Instabilität und machte einen Umstieg auf ein achsgeführtes Implantat erforderlich. Eine vergleichbare Studie wurde von Laskin und Davis [4] vorgelegt mit ebenfalls 100 nachuntersuchten Fällen, jedoch einer geringeren Nachuntersuchungszeit von 5 Jahren. Auch in diesem Kollektiv fand sich keine Früh- oder Spätinfektion. In 2 Fällen mussten allerdings aufgrund von Sekundärinfekten die Implantate ausgebaut werden. Auch aufgrund der beiden septischen Fälle war die Kaplan-Meier-Überlebensrate nach 5 Jahren mit 92,8 % schlechter als in dem hier vorgelegten Datensatz. Das von Bourne und Mitarbeitern [5] nachuntersuchte Kollektiv bestand ebenfalls aus 100 konsekutiven Fällen, wobei sämtliche Fälle von lediglich 2 Operateuren implantiert wurden. Die Nachuntersuchungszeit betrug im Minimum 10 Jahre und war damit länger als in der vorliegenden Arbeit. Die Kaplan-Meier-Überlebensrate betrug nach 12 Jahren 96 %. Chrockarell und Mitarbeiter [6] präsentierten im Durchschnitt 6,3 Jahresergebnisse auf der Grundlage von 224 implantierten Knieprothesen des Genesis II-Systems. Es fanden sich 2 tiefe Infektionen in dieser Serie. Von den 224 Knieprothesen mussten 6 aus unterschiedlichen Gründen nachoperiert werden. Die Kaplan-Meier-Überlebensrate betrug 98,2 % nach 2 Jahren und 97,2 % nach 5 Jahren. Erak und Mitarbeiter [7] publizierten in 521 Fällen und einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 11,4 Jahren eine 10-Jahres-Kaplan-Meier-Überlebensrate bezogen auf die gesamte Kohorte und bezogen auf ein aseptisches Versagen von 97 %. Die höchste Fallzahl legten Bhandari und Mitarbeiter [8] mit 1201 in die Studie eingeschlossenen Genesis II-Knieprothesen vor, die auf einer systematischen Literaturrecherche basiert. Die Überlebensrate variierte zwischen 100 % nach 1 und 2 Jahren bis 96 % nach 11,9 Jahren.

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