Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014

Langzeitbeobachtung Knieendoprothetik Genesis II im honorarbelegärztlichen Modell

Im dänischen Nationalregister wurden im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 111 Primärimplantationen des Genesis II-Systems (CR-Variante) erfasst. Die Überlebensrate betrug nach 5 Jahren 98,9 und nach 10 Jahren 93,1. Diese implantatspezifischen Daten bei vergleichbar großer Fallzahl wie in der hier vorgelegten Nachuntersuchungskohorte demonstrieren leicht überlegene Werte im eigenen Kollektiv (Jahresbericht des dänischen Knieendoprothesenregisters 2009: www.knee.dk). Bei alleiniger Betrachtung der Arthrosepatienten im dänischen Nationalregister (90 Fälle) ergab sich jedoch sowohl nach 5 Jahren wie auch nach 10 Jahren eine 100 %ige Überlebensrate. Sämtliche Genesis II-Registerfälle wurden zementiert implantiert.

Für die Erfassung der testpsychologischen Parameter der Patienten mit Knieendoprothese wurde ein Fragebogen ausgewählt, der nach dem Kenntnisstand der Autoren im Rahmen der vorliegenden Arbeit erstmals zur Evaluation einer knieendoprothetischen Versorgung eingesetzt wurde. Es fand sich eine deutliche Korrelation mit dem KSS, was darauf hindeutet, dass die Zufriedenheit allgemein auch mit dem Behandlungsergebnis zusammenhängt. Vor dem Hintergrund der spezifischen Fragestellung der Testung eines sektorenübergreifenden Versorgungsmodells wurde dem Marburger Fragebogen gegenüber anderen Fragebögen (SF-36, WOMAC) der Vorzug gegeben, weil er eine schmerzbedingte Erfassung des Wohlbefindens (habituelles Wohlbefinden) ermöglicht. Insofern ist ein direkter Vergleich der hier vorgelegten testpsychologischen Ergebnisse mit den Ergebnissen anderer Studien nicht statthaft. In einer systematischen Literaturrecherche unter Einschluss von 74 prospektiven Studien wurde in den meisten Fällen der Short-form-36- und der Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis-Index ausgewählt [21]. Die Autoren fassten ihre Literaturrecherche dahingehend zusammen, dass Fragebögen zur Erfassung der Lebensqualität relevante Daten zur Evaluation dieses Parameters bereitstellen können. Escobar und Mitarbeiter [22] setzten den SF-36- und WOMAC-Fragebogen zur Erfassung kurzfristiger postoperativer Ergebnisse (6 Monate) ein. Bei Verwendung des krankheitsspezifischen WOMAC-Scores fanden Nunes und Mitarbeiter [23] negative Prädiktoren hinsichtlich des Erfolgs einer knieendoprothetischen Maßnahme. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die gleiche Arbeitsgruppe bei der Erfassung von 7-Jahres-Ergebnissen nach knieendoprothetischer Versorgung [24]. Eine vergleichbare Zielsetzung verfolgten auch Lopez-Olivo und Mitarbeiter [25] u.a. auch mit Verwendung der WOMAC-Skala. Wiederum wurde versucht, präoperative psychosoziale und ausbildungsspezifische Parameter zur Prädiktion eines postoperativen Ergebnisses zu evaluieren.

Die hohe durchschnittliche Punktzahl von 34, die mit dem Marburger Fragebogen zum habituellen Wohlbefinden gemessen wurde und die sehr hohe durchschnittliche Punktzahl von 5,7 bei der Beantwortung der Frage 10 lassen auf eine hohe Akzeptanz der Patienten gegenüber dem hier zugrunde liegenden sektorenübergreifenden Versorgungsmodell schließen.

Mehrfach hervorgehoben wurde die hohe Homogenität der Stichprobe hinsichtlich des Settings, des operationstechnischen Vorgehens und des gleichen Operateurs. Dieser Sachverhalt ist einerseits hinsichtlich der Datengüte interessant und reduziert Störfaktoren. Andererseits ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ein Setting mit hoher Variabilität (Designvarianten, Zementierungstechnik, Vor- und Nachbehandlung, Operationstechnik, Operateure mit unterschiedlichem Ausbildungsstand) eingeschränkt.

Das Vertragsverhältnis des Honorarbelegarztes besteht ausschließlich zwischen dem Patient und dem Krankenhaus. Er unterwirft sich daher – ähnlich einem Angestellten als Erfüllungsgehilfe – dem Krankenhaus, für das er die Leistung erbringt. Dieses Versorgungskonzept hat nach der frühen Einführung, u.a. durch den Erstautor, massiv an Bedeutung zugenommen und hat zu kontroversen, teilweise emotionalen Diskussionen Anlass geboten [26]. Kritiker bemängeln, dass dadurch Patientenströme beeinflusst werden könnten, was sich nicht mit den Planungen des Landes zum Bedarf von Krankenhausleistungen deckt. Kleinere Krankenhäuser sind nicht in der Lage, für die wichtigen Subspezialitäten eigenständige Abteilungen mit Stellenkegel und Bereitschaftsdiensten bereitzustellen. Sie können von der Anbindung niedergelassener Fachärzte profitieren.

Die Politik hat der zunehmenden Entwicklung sektorenübergreifender Versorgungen im Nachhinein Rechnung getragen durch das zum 01.07.2007 in Kraft getretene Vertragsarztrechtsänderungsgesetz sowie das am 01.04.2007 in Kraft getretene GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Diese Gesetzesänderungen sehen nicht nur die Möglichkeit vor, dass Ärzte im jeweils gegenläufigen Sektor tätig werden, sondern die Möglichkeit für Vertragsärzte, überörtlich und auch über KV-Bezirke hinaus Kooperationen aufzubauen und Leistungen zu erbringen (überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft). Im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ist vom Gesetzgeber explizit jedoch nur eine Teilanstellung im Krankenhaus vorgesehen. Neuregelungen des Versorgungsstrukturgesetz 2012 sehen vor, dass ab diesem Jahr auch ambulante Operationen des Krankenhauses durch niedergelassene Vertragsärzte erfolgen können. Diese Veränderung deutet auf eine Ausweitung der Kooperation hin, auch wenn auch dieses Gesetz weiterhin offen lässt, ob auch stationäre Leistungen durch Honorarbelegärzte erbracht werden dürfen [27]. Erst im Sommer 2012 hat der Gesetzgeber mit einer Neuregelung des Krankenhausentgeltgesetzes diese Gesetzeslücke geschlossen und Klarheit geschaffen: ab dem 1. Januar 2013 können voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden [2].

Die zunehmende Verbreitung dieses Konzepts stellt ein Indiz dafür dar, dass die Versorgung aus einer Hand (Ausschöpfung konservativer Behandlungsoptionen präoperativ, Durchführung der Operation, postoperative Nachbehandlung wiederum in der Praxis) sehr wohl von den Patienten geschätzt und angenommen wird. Nicht zuletzt ähnelt das hier getestete Modell, trotz aller bestehenden Unterschiede, dem amerikanischen Consultant Model, welches langfristig etabliert ist und einen hohen Qualitätsstandard beinhaltet. Kritiker werfen dem amerikanischen Consultant Model eine zu hohe Kommerzialisierung vor und raten von einer Übertragung auf das deutsche System ab [25]. Die annähernd 14-jährige Erfahrung des Erstautors auf dem Gebiet der sektorenübergreifenden Versorgung und die Unterfütterung durch mittel- bis langfristige Nachuntersuchungsdaten aus dem Gebiet der Knieendoprothetik bekräftigen nicht nur eine Fortsetzung, sondern auch eine intelligente Weiterentwicklung des Konzepts. So sollten Anstrengungen unternommen werden zur Erreichung einer gemeinsamen, sektorenübergreifenden Weiterbildungsermächtigung von angestellten und niedergelassenen Ärzten für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie.

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