Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016

Leitsymptome in der Rheumatologie

Verena Schmitt1, Ines Dornacher1

Zusammenfassung: Die Symptome entzündlich-
rheumatischer Erkrankungen sind vielfältig. Gelenkbeschwerden stellen die Schnittmenge in der Zusammenarbeit von Orthopäden, Unfallchirurgen und internistischen Rheumatologen dar und werden in diesem Artikel schwerpunktmäßig behandelt.

Prinzipiell können bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen alle Gelenke betroffen sein – als einzelnes Gelenk (Monarthritis), Oligoarthritis (< 5 Gelenke) oder Polyarthritis. Der Schmerzcharakter und das Befallsmuster können erste Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung geben (Abb. 1). Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind Systemerkrankungen. Liegen extraartikuläre Symptome vor, muss unbedingt an eine Organbeteiligung gedacht werden (Abb. 4) und bei der Diagnostik und Therapieentscheidung in einer interdisziplinären Zusammenarbeit Beachtung finden, da langfristige und z.T. irreversible Organschäden drohen. Eine unerkannte, nicht suffizient behandelte entzündlich-rheumatische Erkrankung ist ein erheblicher kardiovaskulärer Risikofaktor.

Schlüsselwörter: Arthritis, entzündlich-rheumatische Erkrankungen, Leitsymptome, Myalgien, Rückenschmerzen, extraartikuläre Symptome, interdisziplinäre Zusammenarbeit


Zitierweise
Schmitt V, Dornacher I: Leitsymptome in der Rheumatologie.
OUP 2016; 5: 269–272 DOI 10.3238/oup.2016.0269–0272

Summary: Rheumatoid diseases may manifest with numerous different symptoms, of which the common denominator for orthopedists, surgeons and rheumatologists are the affected joints. This article gives an overview on inflammatory joint diseases from the rheumatologist’s perspective.

Virtually all joints can be affected, and the disease may first manifest as monarthritis, oligoarthritis (< 5 affected joints) or polyarthritis. Pain character, joint affection pattern and associated clinical symptoms give important information on the underlying specific disease.

Rheumatoid diseases are systemic diseases, with an array of possible extraarticular manifestations potentially resulting in major damage of organs such as the lung, heart, eyes or kidneys. Prolonged failure of correct diagnosis and/or inadequate anti-inflammatory treatment is an established, major cardiovascular risk factor eventually comprising life expectancy.

Keywords: arthritis, inflammatory back pain, myalgia, leading symptoms, extraarticular manifestations, interdisciplinary
collaboration

Citation
Schmitt V, Dornacher I: Leading symptoms in rheumatology.
OUP 2016; 5: 269–272 DOI 10.3238/oup.2016.0269–0272

Leitsymptom entzündlicher Schmerz

Typisch für entzündlich-rheumatische Erkrankungen ist ein Ruheschmerz mit morgendlichem Schmerzmaximum und deutlicher Morgensteifigkeit von mindestens 30 Minuten. Allein durch anamnestische Erhebung dieser Parameter ist häufig schon eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu degenerativen Beschwerden möglich. Die Kriterien für einen entzündlichen Rückenschmerz sind im gesonderten Abschnitt auf Seite 271 zu finden.

Leitsymptom Gelenkschwellung (Mon-, Oligo-,
Polyarthritis)

Im klinischen Alltag stehen Orthopäden, Unfallchirurgen und Rheumatologen häufig vor der Frage, was die Ursache der Gelenkschwellung eines oder mehrerer Gelenke ist. Leider ist die ätiologische Zuordnung in vielen Fällen im initialen Krankheitsprozess, aber auch z.T. im langjährigen Verlauf nicht möglich.

Generell werden bei der Diagnosestellung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen die Klassifikationskriterien für die verschiedenen Erkrankungsgruppen herangezogen [1]. Bezüglich der Gelenkschwellungen sei insbesondere auf die Klassifikationskriterien für die rheumatoide Arthritis [2] und die periphere Spondyloarthritis [3] hingewiesen.

Da die Klassifikationskriterien jedoch häufig nicht erfüllt werden und die Arthritis nicht zugeordnet werden kann, gibt es von rheumatologischer Seite zusätzliche Handlungsempfehlungen für die undifferenzierte Arthritis, die auf hohem Evidenzniveau das diagnostische Vorgehen beschreiben [4, 5]. Die 3e-Initiatiative („evidence, expertise, exchange“) in der Rheumatologie ist ein multinationales Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, evidenzbasierte Medizin zu fördern, indem sie Empfehlungen zu klinischen Fragestellungen mit hoher praktischer Relevanz erstellt [6, 7].

Das Problem der undifferenzierten peripheren inflammatorischen Arthritis (UPIA) wurde 2008/2009 von knapp 700 rheumatologischen Experten aus 17 Ländern aufgegriffen. Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche wurden knapp 40.000 Publikationen zur UPIA identifiziert, von denen 250 wissenschaftlichen Standards genügten und in die Bewertung eingeschlossen wurden. Das Resultat der Arbeit sind 10 Empfehlungen, für die jeweils der Grad der Empfehlung gemäß Oxford Centre for Evidence-Based Medicine ermittelt wurde [5]. Die deutsche Perspektive wurde 2014 veröffentlicht [8].

Bei der Beurteilung und Differenzierung einer UPIA sind nach der 3e-Initiative [5] folgende Parameter hochrelevant: Geschlecht, Dauer der Morgensteifigkeit, Art und Periodizität der Gelenkbeschwerden, symmetrischer Gelenkbefall, Beteiligung der MTP-Gelenke, extraartikuläre Manifestationen, positive Familienanamnese bezüglich entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, ethnische und geografische Aspekte (1A, d.h. starke Empfehlung, höchster Evidenzgrad). Indikatoren für eine schlechte Prognose sind ausgeprägte Morgensteifigkeit, hohe Anzahl geschwollener Gelenke, Handbeteiligung, funktionelle Einschränkungen und extraartikuläre Manifestationen (1A).

Rheumafaktoren und anti-CCP (cyklisches citrulliniertes Peptid) müssen bei der Erstvorstellung bestimmt werden (1A). Ergänzende Laboruntersuchungen wie HLA B27, ANA, ENA, dsDNA, ANCA, serologische Untersuchungen sind bei passender Anamnese und Klinik zu erheben. Die BSG und das CRP sollten aus diagnostischen und prognostischen Gründen zu Beginn und im Verlauf der Erkrankung bestimmt werden. Anhaltend erhöhte Werte weisen auf eine persistierende und aggressivere Erkrankung hin und beeinflussen die Therapieentscheidung.

Röntgen, Sonografie und MRT werden von den Experten bei der Diagnostik nicht routinemäßig empfohlen. Die Synovialflüssigkeitsanalyse wird dagegen als wichtig erachtet. Sie ermöglicht die Abgrenzung entzündlicher und nicht-entzündlicher Arthritiden, zudem können durch weitere Untersuchungen bakteriell-bedingte Arthritiden, Kristallarthropathien oder auch seltenere Ursachen für eine Gelenkschwellung diagnostiziert werden. Die ausführliche Erläuterung erfolgt in einem gesonderten Beitrag in diesem Heft (S. 274); ebenso die Bedeutung der histopathologischen Untersuchung von Synovialgewebe (S. 306).

In Abbildung 3 ist das diagnostische Vorgehen bei einer UPIA schematisch dargestellt. Wichtig ist, die Diagnose bei jeder Wiedervorstellung zu überdenken, da der Patient zu jedem Zeitpunkt eine spezifische Erkrankung entwickeln kann. Dies wurde auch in der Stellungnahme der deutschen Experten der 3e-Initiative betont [8].

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