Übersichtsarbeiten - OUP 09/2015
Lumbalorthese reduziert Schmerzen signifikant – Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten Studie
In der vorliegenden Studie werden die Effekte, die durch das Tragen einer Lumbalorthese mit und ohne Abschulung erzielt werden, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe untersucht.
Material und Methode
Die vorliegende Studie basiert auf einem prospektiv randomisierten Versuchsplan mit 2 Wiederholungsmessungen. Die Versuchsbedingung bestand in der Verordnung einer Lumbalorthese. Sie besteht in diesem Fall aus einem Doppelmieder aus elastischem Kautschukmaterial mit einer dorsalen, starren 6-gliedrigen Pelotte aus Kunststoff. Die Versuchsgruppe l trug die Orthese konsequent täglich, um sie dann nach 6 Wochen zu t1 abzunehmen. Bei den Patienten der Versuchsgruppe II wurde die Orthese nach der Abschulungs-Leitlinie bis t1 therapeutisch korrekt über 2 Stufen abgeschult [18, 19, 23, 24]. Dafür wurde nach 3 Wochen die dorsale starre 6-gliederige Pelotte in eine flexible 4-gliedrige Pelotte umgewandelt. Dadurch wird der delordosierende Effekt der Orthese aufgehoben und die Lendenwirbelsäule zurück in die physiologische Lordose geführt, bei weiterhin bestehender Stabilisierung durch das übriggebliebene Kreuzstützmieder (Abb. 1). Die Kontrollgruppe erhielt keine Orthese.
Sowohl zu Studienbeginn (t0), als auch zur Nachuntersuchung nach 6 Wochen (t1) und nach 12 Wochen (t2) wurde eine fachärztliche, körperliche Untersuchung durchgeführt, bei entsprechender Indikation einschließlich einer Röntgenkontrolle. Ebenso wurden die standardisierten Fragebögen zu allen 3 Messzeitpunkten eingesetzt. Die NRS wurde in Form eines Schmerztagebuchs wöchentlich über den gesamten Zeitraum erhoben. Der Grad der Behinderung wurde mit dem Ostwestry Disability Questionnaire (ODQ) [25] ermittelt. Des weiteren wurde die subjektive Befindlichkeit und die Tragehäufigkeit für die Orthesen ermittelt.
Stichprobe
Die Stichprobe umfasste 77 Patienten mit den bereits genannten Diagnosen [23]. Sie mussten eine Schmerzstärke von ? 5 auf der nummerischen Rating Skala (NRS) aufweisen und durften in den letzten 12 Monaten nicht mit einer Orthese versorgt gewesen sein. Als Ausschlusskriterien galten alle chronischen Schmerzzustände aufgrund anderer Erkrankungen sowie Abdominalerkrankungen oder andere Kontraindikationen für die Verordnung einer Orthese. Ebenso Drogen-, Alkohol- und Medikamentenabusus.
Die Probanden, wurden nach der Aufklärung über den Aufbau und Zweck dieser Studie mit ihrem Einverständnis in die Studie eingeschlossen.
Nach der Randomisierung befanden sich 18 Patienten in der Versuchsgruppe I (Orthese ohne Abschulung), 34 Patienten in der Versuchsgruppe II (Orthese mit Abschulung) und 25 Patienten in der Kontrollgruppe.
Das mittlere Alter in der Versuchsgruppe I betrug 50,67 Jahre (SD = 12,14), in der Versuchsgruppe II 51,18 Jahre (SD = 15,64) und in der Kontrollgruppe 58,04 Jahre (SD = 18,29). Die durchschnittliche Schmerzstärke lag bei 8,06 auf der NRS (SD = 1,35) vs. 7,97 (SD =1,06) vs. 7,35 (SD = 1,32). Diese Mittelwerte wurden mittels ANOVA auf Signifikanz geprüft. Wie aufgrund der Randomisierung erwartet, lag keine Signifikanz der Mittelwertsunterschiede vor.
Ebenso ergab die Überprüfung der Erkrankungsdauer mittels Kruskal-Wallis-Test, wie erwartet, keine signifikanten Unterschiede.
Statistische Auswertung
Neben den oben genannten Merkmalen wurden ebenfalls die Geschlechterverteilung und der Grad der Behinderung zum Messzeitpunkt t0 zwischen den 3 Gruppen untersucht. Dabei wurden die intervall- bzw. verhältnisskalierten Variablen mittels ANOVA und die nominal skalierten Daten mittels Chi2-Test überprüft. Es ist davon auszugehen, dass keine signifikanten Unterschiede aufgrund der Randomisierung beobachtet werden konnten.
Nach diesem Prinzip wurden die Gruppen auch zu den anderen Messzeitpunkten auf signifikante Unterschiede überprüft.
Zur Überprüfung einer signifikanten Veränderung der einzelnen Merkmale durch die Therapie innerhalb der Gruppen wurden für alle Variablen die intervall- bzw. verhältnisskalierten T-Tests für abhängige Stichproben eingesetzt. Der Wilcoxon-Test wurde für ordinal skalierte Variablen verwandt. Da es sich bei den nominalskalierten Variablen um Angaben zum Geschlecht handelte, wurde kein Chi2-Test mehr angewandt. Erwartet wurde eine signifikante Beschwerdebesserung in den beiden Versuchsgruppen. Ergebnisse mit einem p ? 0,05 wurden als signifikant angenommen.
Ergebnisse
Wie erwartet ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zum Ausgangsmesszeitpunkt t0. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass alle möglichen signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen auf die unterschiedliche Therapie zurückzuführen sind.
Zunächst wurde für die quantitative Schmerzintensität, welche mithilfe der NRS ermittelt wurde, überprüft, ob zu einem der Messzeitpunkte ein signifikanter Mittelwertsunterschied bestand. Es zeigte sich zu keinem Messzeitpunkt ein Unterschied zwischen den beiden Versuchsgruppen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe war die Schmerzreduktion signifikant größer.
Ebenfalls wurde der Grad der Behinderung (ODQ) auf signifikante Mittelwertunterschiede zwischen den Gruppen untersucht. Zum Messzeitpunkt t1 konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Versuchsgruppen beobachtet werden. Die Versuchsgruppe I zeigte gegenüber der Kontrollgruppe eine signifikante Verbesserung auf einem Niveau von p < 0,001, die Versuchsgruppe II mit Abschulung von p < 0,05. Für den Messzeitpunkt t2 zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Versuchsgruppen. In beiden war der Grad der Behinderung im Vergleich zur Kontrollgruppe auf einem Niveau von p < 0,001 signifikant geringer.
Für das Item subjektive Befindlichkeit zeigte der Mann-Whitney-Test einen signifikanten Unterschied zum Messzeitpunkt t1 auf einem Niveau von p < 0,001 zugunsten der Versuchsgruppe mit Abschulung. Dies gilt ebenso für die Tragehäufigkeit der Orthese (Abb. 2, 3). In einem nächsten Schritt wurde die Effektivität der beiden Versuchsanordnungen innerhalb der Gruppen einzeln untersucht.