Übersichtsarbeiten - OUP 05/2018

Mediale OSG-Bandinstabilität
Ätiologie, Diagnostik, OP-Technik und LiteraturübersichtEtiology, diagnostics, operative technique and literature overview

Eine chronische mediale Bandinstabilität kann auch zu einer Funktionssteigerung des FHL-Muskels (Flexor halucis longus) führen, dessen Sehne unter dem Sustentaculum tali läuft und damit zur aktiven Stütze gegen die Pronation eingesetzt wird. Typischerweise findet sich eine Krallen-Deformität der Großzehe mit pathologischer Verschwielung unter dem medialen Endglied.

Begleitverletzungen bei medialen Bandverletzungen sind (Abb. 2):

Tibialis-posterior-Sehneninsuffizienz

Fibulafrakturen

Syndesmosenverletzungen

Rotationsinstabilität mit Insuffizienz der lateralen Bänder

Pfannenbandverletzungen (spring-ligament injuries)

Bildgebung und weiterführende Diagnostik

Bei der Abklärung der medialen Instabilität werden standardmäßig konventionelle Röntgenbilder im Stehen empfohlen. Bei der antero-posterioren und lateralen OSG-Röntgenaufnahme achtet man auf mögliche ossäre Läsionen wie Frakturen, ossäre Avulsionen und osteochondrale Läsionen, welche vor allem an der medialen Talusrolle vermutet werden sollten.

Die belasteten Fuß-Aufnahmen dorsoposterior und seitlich sind zur Bestimmung des Talo-Metatatarsale-I-Winkels maßgeblich und helfen, assoziierte Veränderungen im Rahmen einer Planovalgus-Deformität zu quantifizieren. Zudem kann man das Rückfuß-Alignment mit Spezialaufnahmen differenzieren (Hindfoot Alignment View, Saltzman oder Meary oder andere) (Abb. 3–4).

Gehaltene Röntgenbilder werden in unserer Klinik für diese Fragestellung nicht mehr praktiziert.

Die weiterführende Diagnostik bietet seit wenigen Jahren durch neuere Geräte die Möglichkeit von belasteten CT-Aufnahmen, was Verkippungen im oberen und unteren Sprunggelenk besser erkennen lässt. Zudem können Differenzialdiagnosen wie eine Coalitio oder Begleitverletzungen wie z.B. eine große osteochondrale Läsion evaluiert werden.

Für die Bildgebung der medialen Weichteile stehen der Ultraschall und die Magnetresonanztomografie (MRT) zur Verfügung. Obwohl letztere in vielen Fällen nur wenig therapeutischen Nutzen haben, können sie ergänzend zur Diagnosesicherung und/oder Dokumentation beigezogen werden.

In einer Arbeit von 2005 proklamieren Valderrabano et al. die OSG-Arthroskopie als eine „essenzielle Basisdiagnostik zur Diagnosesicherung und vollständigen präoperativen Evaluation“ der medialen Sprunggelenkinstabilität [15].

In unserer Klinik wird die diagnostische Arthroskopie durch ein antero-zentrales Portal (lateral der Tibialis-anterior-Sehne) mit einer 4,0-mm-Optik (30°) durchgeführt, bevorzugt im CO2-Medium. Alternativ kann ein Wassermilieu gewählt werden. Die 4,0-mm-Optik unterstützt dabei das funktionelle Testen insofern, dass sich der tibiotalare Abstand bestimmen lässt: Lässt sich das Gelenk mit der 4,0-mm-Optik bis weit posterior intubieren, gehen wir von einer höhergradigen Instabilität aus.

Der diagnostische Rundgang startet lateral mit der Evaluation des Bandapparats, welcher oft bei Rotationsinstabilitäten elongiert oder rupturiert ist. Es folgt das Testen der lateralen Stabilität:

Lateraler Talusvorschub

Varus-Stress

Abschließend werden die medialen Bandverhältnisse dargestellt und getestet:

Medialer Talus-Vorschub

Valgus-Stress

Bei ausgeprägten Instabilitäten kann man arthroskopisch das obere Sprunggelenk bis in die posterioren Anteile gut eingesehen, einschließlich freier posteriorer Gelenkkörper oder osteochondraler Läsionen. Diese Pathologien können dann jeweils mitbehoben werden.

Verletzungen des Deltabands am Insertionsbereich am Innenknöchel imponieren als „nackter“ medialer Malleolus (Abb. 5a). Bei akuten Verletzungen kann man durch die Ruptur am Deltaband und bei frischen Verletzungen die freiliegende Tibialis-posterior-Sehne erkennen (Abb. 5b).

Aus diesen arthroskopischen und klinischen Informationen kann entsprechend die Klassifikation von Valderrabano et al. angewendet werden (Tab. 1).

Therapie

Konservativ

In der Akutphase gilt grundsätzlich das RICE-Schema (Rest-Ice-Compression-Elevation) mit Ruhigstellung je nach Verletzungsmuster und Ausmaß der Begleitverletzungen. Die Ruhigstellung erfolgt in einer Orthese oder einem Gips mit Belastung nach Maßgabe der Beschwerden. Zudem wird eine adjuvante Physiotherapie mit klinischer Re-Evaluation und gegebenenfalls Ausweitung der Bildgebung verordnet.

Bei persistierender Instabilität kann die Physiotherapie mit Fokus auf Kraftaufbau, Propriozeption und Koordination weiter ausgebaut werden. Unterstützend können Einlagen, OSG-Orthesen und Taping-Verbände eingesetzt werden. Kommt es allerdings nicht zum erwünschten Erfolg, empfiehlt sich eine chirurgische Behandlung.

Operative Therapie

Patient in Rückenlage

Nach der Arthroskopie wird die Oberschenkelrolle entfernt und das Bein in Außenrotation gelagert, um vollen Zugang zum Deltaband zu haben.

Die Schnittführung erfolgt ab 2 cm proximal der Innenknöchelspitze nach distal zur Tuberositas ossis navicularis, knapp dorsal vom Ansatz der Tibialis-posterior-Sehne auslaufend. Nach Dissektion der Ausläufer des Retinakulum extensorum und der oberflächlichen Faszie kann man die oberflächlichen Anteile des Ligamentum deltoideum einsehen, sowie das Sehnenfach der Tibialis-posterior-Sehne eröffnen.

Darstellen der 3 oberflächlichen Anteile des Deltoid-Komplexes, von ventral nach dorsal:

tibionaviculärer Anteil,

tibiospring Anteil und

tibiocalcanearer Anteil.

Bandnaht und Raffung

Bei noch genügend lokalem Weichteilmaterial gilt es nun, die Ruptur respektive bei chronischen Rupturen die vernarbten insuffizienten Anteile in Bezug auf die Höhe von proximal nach distal zu differenzieren.

Wir unterscheiden 3 Typen:

  • Typ I: Ruptur in den proximalen Deltoid-Anteilen, also nah am Ansatz am medialen Malleolus. Ausgangspunkt der Ruptur ist häufig das fibröse Intervall zwischen dem Tibiospring und tibiocalcanealen Anteilen. Bei dieser Ruptur wird nun ein Anker am Collicuclus anterior des Innenknöchels platziert und die „Avulsion“ gefasst, zudem gibt es einen Verschluss und eine raffende Naht des Intervalls zwischen Tibiospring und tibiocalcanearen Band.
  • Typ II: Intermediärer Riss des Deltabands, welches hypertroph und inkompetent ist. Setzen eines Ankers am Colliculus anterior des Innenknöchels und raffende Naht des Tibiospring und tibiocalcaneare auf diesen Anker, wobei die Fäden das Lig. deltoideum nahe am Os Naviculare in Masson-Allen-Technik fassen, um diese intakten Anteile auf den gesetzten Anker zu refixieren. Dann erfolgt eine Seit-zu-Seit-Naht des verbleibenden tibionavicularen Anteils auf die erfolgte Rekonstruktion. Sollte das Konstrukt distal an der Tuberositas os naviculare nicht stabil genug sein, muss hier ein zweiter Anker gesetzt werden, um diese Typ-II-Läsion von beiden Seiten her zu fixieren (Abb. 6).
  • Typ III: Die Ruptur liegt nun ansatznah am Os naviculare. Hier kann man kombiniert noch eine Ruptur des Pfannenbands (Spring-Ligament) finden oder sogar in einigen Fällen eine partielle Avulsion der Tibialis-posterior-Sehne. Der Anker zur Refixation oder Raffung wird am Os naviculare gesetzt und insbesondere bei begleitenden Verletzungen des Pfannenbands sollte eine Augmentation der Rekonstruktion mit der Tibialis-posterior-Sehne erwogen werden.

Rekonstruktion des Ligamentum deltoideum

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