Übersichtsarbeiten - OUP 05/2018

Mediale OSG-Bandinstabilität
Ätiologie, Diagnostik, OP-Technik und LiteraturübersichtEtiology, diagnostics, operative technique and literature overview

Bei insuffizienten Weichteilen für eine lokale Rekonstruktion ist eine direkte Rekonstruktion mit Fadenankern nicht mehr möglich. Nun muss zunächst differenziert werden, welche Grundpathologie vorliegt, da isolierte mediale Bandverletzungen mit schlechten Weichteilen eher selten sind.

Häufiger sind diese komplexen Instabilitäten im Stadium 4 bei Tibialis-posterior-Sehneninsuffizienz mit Valgus-Tilt im Gelenk und schwerster Plano-valgus-Konfiguration im Rückfuß zu finden. Diverse Techniken mit autologen und allogenen Transplantaten wurden beschrieben [2, 4]. Die Techniken werden in der aktuellen Literatur kontrovers diskutiert, worauf jedoch in dieser Übersichtarbeit auf das von uns bevorzugte Verfahren eingegangen wird.

Wir stellen hier eine Technik mit autologer Plantaris-Sehne vor, welche allerdings nur die anterioren Anteile des Deltoids rekonstruiert: Nach Gewinnen des Autografts werden 2 Bohrkanäle (Durchmesser 3,2 mm) in den Innenknöchel auf Höhe des Colliculus anterior (einer ventral und der zweite knapp dorsal davon) gelegt. Ein zusätzlicher Bohrkanal läuft durch das Os naviculare. Das Graft wird durch die Kanäle gezogen und mit resorbierbaren Fäden in plantigrader OSG-Position fixiert. Damit ist eine stabile tibianaviculare Rekonstruktion gegeben, welche dann nach plantar und dorsal jeweils Seit-zu-Seit zum bestehenden Spring-Ligament und die tibiocalcanearen Bandanteile mit integriert werden. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, das Transplantat nicht zu stark vorzuspannen, da dies zu einer „Extrusionsbewegung“ des Talus führen kann (Abb. 7).

Zusätzliche operative Schritte

Als mechanische Unterstützung dieser ligamentären Rekonstruktionen oder Fixationen können je nach Deformität zusätzliche operative Schritte notwendig sein, um den Fuß auszubalancieren.

Zeigt sich in den belasteten Röntgenaufnahmen ein ausgeprägter talarer Tilt nach plantar und medial mit einer klinisch entsprechenden Pronations- und Valgus-Fehlstellung, muss diese korrigiert werden.

Arthroeresis

Bei jungen Patienten (< 18 Jahre) kann mittels Arthroeresis der frisch rekonstruierte Bandapparat geschützt werden, da der Planovalgus korrigiert wird. Es handelt sich dabei um ein reversibles Prinzip und erlaubt eine sofortige postoperative Vollbelastung.

Laterale Kalkaneus-Verlängerungs-Osteotomie

Das Prinzip der Kalkaneus-Verlängerungs-Osteotomie ist es, den Talus auf den Calcaneus zu reponieren, in dem man letzteren osteotomiert. So kann man sowohl im Vorfuß die Abduktus- sowie im Rückfuß die Valgus-Fehlstellung korrigieren und so die Spannung der Bänder an der medialen Säule verringern.

Talonavikuläre und Subtalare
Arthrodese: Diple-Arthrodese

Bei körperlich wenig aktiven oder auch adipösen Patienten kann eine talonavikulare und subtalare Arthrodese bei ausgeprägten Verletzungen insbesondere des Springligament-Komplexes erwogen werden, um einen stabilen Fuß zu schaffen. Da eine solche Arthrodese allerdings die Beweglichkeit des unteren Sprunggelenks einschränkt, sollten bei sportlich ambitionierten oder jüngeren Patienten gelenkerhaltende Optionen bevorzugt werden.

Nachbehandlung

Bei allen medialen Bandrekonstruktionen oder Re-Insertionen empfehlen wir eine Gipsruhigstellung postoperativ für 6 Wochen mit Vollbelastung ab der gesicherten Wundheilung. Anschließend – nach der Gipsabnahme – erfolgt dann der Übergang in eine Orthese für 2–6 Wochen mit Beginn der funktionellen Rehabilitation unter physiotherapeutischer Aufsicht: Mobilisation, Propriozeption und Kraftaufbau.

Im weiteren Verlauf kann in situativen Extrembelastungen, wie z.B. beim „Schwingen“, eine stabile Orthese notwendig sein. Zudem muss insbesondere bei Laufsportarten eine Schuh- und Einlagenberatung erfolgen.

Diskussion

Die akute oder chronische mediale Bandinstabilität bleibt eine unterschätzte und häufig unerkannte Entität. Eine klinische Untersuchung mit belasteter Bildgebung hilft, diese Verletzung herauszufiltern und adäquat zu behandeln. In Hinblick auf die chronische Instabilität am oberen Sprunggelenk sind die medialen Bänder in 50 % der Fälle mitbetroffen. Die Frage, inwiefern eine isolierte mediale Bandinstabilität im Verlauf zu einer Rotationsinstabilität mit begleitender Ruptur der lateralen Bänder führen kann, bleibt bis heute nicht eindeutig geklärt. Hintermann et al. konnten in einer Serie von 52 Patienten mit medialer Instabilität bei 77 % eine laterale Bandruptur feststellen [9].

In der gleichen Serie wurde die Zufriedenheit mit den klinischen Resultaten der hier vorgestellten Rekonstruktionen von „gut bis sehr gut“ in 90 % der Fälle, „angemessen“ in 8 % und „schlecht“ in 2 % der Fälle beschrieben.

Die guten Resultate nach Bandrekonstruktionen gemäß oben genanntem Schema bekräftigen die Autoren, diese Herangehensweise fortzuführen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Joe Wagener

Klinik für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates

Rheinstraße 26

CH-4410 Liestal

joe.wagener@ksbl.ch

Literatur

1. Boss AP, Hintermann B: Anatomical study of the medial ankle ligament complex. Foot Ankle Int. 2002; 23: 547–53

2. Deland JT, de Asla RJ, Segal A: Reconstruction of the chronically failed deltoid ligament: A new technique. Foot Ankle Int. 2004; 25: 795–99

3. Doherty C, Delahunt E, Caulfield B et al.: The incidence and prevalence of ankle sprain injury: A systematic review and meta-analysis of prospective epidemiological studies. Sports Med. 2014; 44: 123–40

4. Haddad SL, Dedhia S, Ren Y, Rotstein J, Zhang LQ: Deltoid ligament reconstruction: A novel technique with biomechanical analysis. Foot Ankle Int. 2010; 31: 639–51

5. Hintermann B: Diagnositc aspects of chronic ankle instability. In: Nyska M, Mann G, eds. The unstable ankle: Human Kinetics; 2002: 69–72

6. Hintermann B, Boss A, Schafer D: Arthroscopic findings in patients with chronic ankle instability. Am J Sports Med. 2002; 30: 402–9

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