Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Moderne CT-Bildgebung im Rahmen der Schockraumversorgung Schwerverletzter
LiteraturübersichtReview of the literature

Tabelle 2 zeigt die relevanten Studien zu dem Themenkomplex „Diagnostische Sicherheit“ im Rahmen der initialen CT-Diagnostik Schwerverletzter. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hier ebenfalls zahlreiche und gute Evidenz vorliegt, die eindeutig eine hohe diagnostische Sicherheit bei Durchführung einer Ganzkörper-CT belegt. Diese ist der diagnostischen Sicherheit bei der Durchführung von selektiven Organ-CTs überlegen (Tab. 2).

Tabelle 3 zeigt die relevanten Studien zu dem Themenkomplex „Mortalität“ im Rahmen der initialen CT-Diagnostik Schwerverletzter. Zusammenfassend lässt sich auch hier festhalten, dass mittlerweile hochwertige Evidenz vorliegt, die eindeutig einen signifikanten Überlebensvorteil zugunsten der Durchführung einer Ganzkörper-CT im Rahmen der Schockraumdiagnostik belegt. Dies wird insbesondere durch jüngst publizierte Metaanalysen untermauert (Tab 3).

Diskussion

Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über relevante Studien seit 1997 zur Durchführung einer Ganzkörper-Computertomografie im Rahmen der Schockraumphase der Versorgung Schwerverletzter.

Zeitaspekte

Als entscheidend für das Outcome hinsichtlich Morbidität und Mortalität in der Behandlung Schwerverletzter hat sich, in Abhängigkeit von den Vitalparametern, dem Verletzungsmuster und dem Unfallmechanismus, die möglichst unverzüglich einsetzende und zielgerichtete Therapie erwiesen (“golden hour of shock“, Cowley 1976). Polytraumamanagement ist somit im Wesentlichen auch Zeitmanagement.

Dies erfordert in der frühen Schockraumphase eine umfassende und suffiziente Diagnostik, welche möglichst ohne Zeitverzug, ohne Einschränkung der Patientenüberwachung oder der Durchführung vital stabilisierender Maßnahmen, eine prioritätenorientierte Therapie ermöglicht. Die Multi-Slice-Spiral-Computertomografie wird als derzeit einziges diagnostisches bildgebendes Verfahren diesen Ansprüchen gerecht.

Für den deutschsprachigen Raum kann man festhalten, dass die Dauer bis zur Durchführung einer Ganzkörper-Computertomografie derzeit etwa 30 Minuten nach Klinikaufnahme beträgt [20]. Die eigentliche Dauer einer GKCT, also die Scan-Zeit wurde von Ptak et al. mit etwa 3 Minuten angegeben. Er prägte den Begriff des „three minute multiple trauma scan“ [7]. Kanz et al. analysierten im Jahre 2004 125 Polytraumapatienten im Hinblick auf den Zeitbedarf. Sie maßen einen mittleren Zeitbedarf von 6 Minuten für die Durchführung einer kontrastmittelunterstützten GKCT in Multi-slice-Technik inclusive Pilot-scan. Die eigentliche Scan-Zeit betrug nur 59 Sekunden [14]. Man kann davon ausgehen, dass der Zeitbedarf bei einem eingespielten, interdisziplinären Team heute mit moderneren Computertomografen noch geringer ist.

Ebenso konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass die Zeitdauer, die Schwerverletzte mit GKCT im Schockraum bzw. in der Notaufnahme bis zur Weiterverlegung in den OP bzw. die Intensivstation benötigen, signifikant um etwa 30 Minuten reduziert werden konnte [21, 22].

In Analogie zur schnellen initialen Ultraschalluntersuchung, dem FAST (focussed assessment with sonography in trauma), prägte Kanz 2010 den treffenden Begriff des FACTT (focussed assessment with computed tomography in trauma) [23]. Dies verdeutlicht die Nutzbarkeit dieser Art der umfassenden Diagnostik, um schnell das gesamte Verletzungsmuster des Patienten detektieren zu können, um daraus dann umgehend ein prioritäten-orientiertes Behandlungskonzept zu entwerfen.

Diagnostische Sicherheit

Löw, Watura, Brown, Sampson und Lee konnten ganz allgemein eine hohe diagnostische Sicherheit bei der Durchführung einer Ganzkörper-CT feststellen [9, 18, 24–26]. Salim und Deunk konnten in 19–40 % der untersuchten Fälle eine relevante Änderung des Behandlungsregimes durch die in der GKCT gewonnenen Erkenntnisse feststellen [27–29]. Kanz et al. konnten 2004 feststellen, dass sich das Advanced Trauma Life Support-Konzept (ATLS) und die Durchführung einer GKCT gut miteinander vereinbaren lassen [14]. Stengel et al. konnten in ihrer Analyse von knapp 1000 Patienten erstmals exakte Daten zur Sensitivität und Spezifität der GKCT beim Schwerverletzten vorlegen. Eine Gesamt-Sensitivität von mehr als 80 % und eine Gesamt-Spezifität von über 97 % belegen eine hohe diagnostische Sicherheit, wenngleich, insbesondere bei abdominellen Verletzten Unsicherheiten bestehen können [30].

Nicht zuletzt konnte Fakler eine Rate von 43,3 % traumaunabhängiger Zufallsbefunde im initialen GKCT feststellen. Davon hatten immerhin 6,7 % eine hohe klinischer Relevanz [31].

Lee et al. konnten in einer jüngst publizierten Kosten-Nutzennalayse feststellen, dass die GKCT deutlich kosteneffektiver im Vergleich zu selektiven Organ-CTs ist. Er berechnet in seinem Modell Gesamtkosten von etwa 15.000 US-Dollar für das GKCT im Vergleich zu 17.000 US-Dollar für selektive Organ-CTs.

Mortalität

Nach ersten Hinweisen und Trends, dass sich die Durchführung einer Ganzkörper-CT positiv auf das Überleben auswirken könnte [10, 11], konnte im Jahr 2009 erstmals der sichere Nachweis erbracht werden, dass dem tatsächlich so ist [32]. Seitdem konnte dieser für das Überleben günstige Effekt von zahlreichen Arbeitsgruppen bestätigt werden. Vor kurzem sind 3 Metaanalysen publiziert worden, die dies ebenfalls deutlich untermauern [22, 33, 34]. Jiang et al. beispielsweise konnten aufgrund der Analyse von 9 Studien zu diesem Thema nachweisen, dass die Durchführung einer Ganzkörper-CT im Rahmen der Primärdiagnostik Schwerverletzter mit einer Odds Ratio (OR) von 0,66 zugunsten der Zielvariable „Überleben“ besteht (gepoolte Daten, p = 0,001). Das bedeutet, dass sich bei Durchführung einer GKCT die Chance zu überleben um 34 % erhöht. Ähnliche günstige Odds Ratios zugunsten der GKCT konnten auch Hajibandeh et al. und Caputo et al. herausfinden (OR 0,69 bzw. 0,75) [33, 34].

Kam et al. beschreiben kritisch die Durchführung einer GKCT als potenziellen „tunnel to death“ bei instabilen Patienten [35]. Aufgrund der aktuellen Evidenz lässt sich die Ganzkörper-CT jedoch treffender mit Jiang et al. als „circle of life“ beschreiben [22].

Was ist neu?

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