Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Moderne CT-Bildgebung im Rahmen der Schockraumversorgung Schwerverletzter
LiteraturübersichtReview of the literature

Um die erhöhte Strahlenexposition zu rechtfertigen, sollten idealerweise die Sicherheit und der diagnostische Gewinn in einer Verbesserung der Überlebensrate resultieren. Salim et al. konnten zeigen, dass die Befunde aus der GKCT bei 1000 untersuchten Patienten ohne erkennbare äußere Verletzungen in 19 % der Fälle in einer Änderung des geplanten weiteren therapeutischen Vorgehens resultierte [29]. In einer Untersuchung von Deunk fanden sich in 74 % des untersuchten Kollektivs nach stumpfem Trauma (konventionelles Röntgen, Sonografie) durch eine ergänzende CT-Thorax und CT-Abdomen zusätzliche, unerwartete pathologische Befunde, welche befundabhängig in bis zu 34 % zu einer Änderung des Therapieregimes führten [28].

Strahlenreduktion durch
moderne CT-Scanner
und iterative Protokolle

Durch neue CT-Gerätegenerationen und die Anwendung iterativer Protokolle lässt sich die Strahlenbelastung eines Ganzkörper-CTs im Vergleich zu den oben erwähnten Angeben deutlich reduzieren.

Eine Reduktion der Strahlenbelastung um 30–80 % (!) ist hierdurch möglich [47–49]. Aus diesem Grund sollte die effektive Dosis für eine Ganzkörper-CT unter modernen Aspekten weniger mit 10–20 mSv [40] als vielmehr mit Werten um 5–10 mSv angegeben werden [47–50].

Angesichts dieser Angaben erscheint das Risiko einer strahlenbedingten Langzeitkomplikation reduziert zu sein und gleichzeitig durch den gewonnenen positiven Effekt auf das Überleben überschätzt zu werden [20].

Armpositionierung

Die Strahlenbelastung ist bei der Positionierung der Arme entlang des Körperstamms höher als wenn die Arme über den Kopf ausgelagert werden. Der Effekt macht etwa 3 mSv aus [50]. Praktisch gesehen kann man so vorgehen, dass man bei hämodynamisch stabilen Patienten die Arme, wenn verletzungsmusterbedingt möglich, über den Kopf auslagert. Bei instabilen Patienten steht die rasche Diagnostik im Vordergrund, sodass die Arme bei diesen Patienten entlang des Körperstamms zugunsten der Zeitersparnis belassen werden. Selbst das Hochlagern eines Arms über den Kopf bringt schon eine relevante Reduktion der Strahlenbelastung mit sich [20, 50].

Komplikationsvermeidung

Die Anwendung der Ganzkörper-Computertomografie muss in ein Konzept eingebettet sein, das von allen am Polytraumamanagement beteiligten Disziplinen durchdacht wurde. Andernfalls könnten ungewollte, schädliche Effekte wie Verzögerungen in der Diagnostik oder der Applikation erforderlicher Therapien resultieren. Siebers konnte belegen, dass auch unter erfolgreicher Anwendung der GKCT Fehler bzw. unbeabsichtigte Abweichungen vom Protokoll während der Schockraumphase auftreten können. Es gilt, derartige Fehlermöglichkeiten zu kennen und durch transparent kommunizierte, interdiziplinäre Absprachen zu minimieren bzw. eliminieren [51]. Klare und von allen beteiligten Disziplinen konsentierte Algorithmen (z.B. Abb. 1) sind hier hilfreich und stellen den formalen Ausweg aus oben genannten potenziellen unerwünschten Konstellationen dar [51, 52].

Ausblick

Weitere Untersuchungen werden in Zukunft folgende Fragen zu klären haben:

  • 1. Was sind die exakten Kriterien/Indikationen zur Durchführung einer Ganzkörper-Computertomografie beim Polytrauma. Wie soll man bei wachen und ansprechbaren oder nicht offensichtlich schwerverletzten Patienten vorgehen?
  • 2. Wie hoch ist die exakte, tatsächliche Strahlenbelastung durch ein GKCT? Wie ist die kumulative Strahlenbelastung eines Traumapatienten bis zur Krankenhausentlassung einzuschätzen?
  • 3. Welchen Einfluss spielt der Einfluss Zeitpunkt der GKCT (sofort nach Schockraumaufnahme vs. postprimär nach Stabilisierung des Patienten)?

Fazit

Für die Ganzkörpercomputertomografie (GKCT) ist in zahlreichen Untersuchungen eine hohe Prozessqualität im Sinne eines deutlichen Zeitvorteils und einer hohen diagnostischen Sicherheit nachgewiesen worden.

Nach dem Jahresbericht des TraumaRegisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) verwenden derzeit etwa 70 % aller am TraumaRegister teilnehmenden Kliniken die GKCT als Diagnostikum im Rahmen der Schockraumversorgung.

Die Durchführung einer GKCT ist mit den ATLS-Prinzipien gut kompatibel.

Für die GKCT ist in zahlreichen Studien ein signifikanter Vorteil für das Überleben nachgewiesen worden.

Die Integration der GKCT in das Schockraummanagement erfordert einen hohen Grad an Organisation und Strukturierung der Arbeitsabläufe des behandelnden Notfallteams.

Die GKCT ist auch bei hämodynamisch instabilen Patienten anwendbar und zeigt insbesondere hier einen positiven Effekt auf das Überleben.

Um die Mortalität weiter zu senken und um unnötige interhospitale Transferzeiten zu reduzieren, empfiehlt sich die bauliche Integration von CT-Scannern nahe am oder im Schockraum.

Trotz berechtigter Einwände zur Strahlenbelastung spricht die reale Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit durch die GKCT bzw. die daraus gewonnenen Informationen und deren Effekt auf die Behandlung im Sinne einer Risiko-Nutzenabwägung klar für die Anwendung der GKCT bei Polytraumatisierten.

Moderne CT-Geräte und die Anwendung iterativer Protokolle ermöglichen eine Reduktion der Strahlenbelastung der GKCT um 30–80 % auf Werte um 5–10 mSv.

Interessenskonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Stefan Huber-Wagner

Klinikum rechts der Isar

Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie

Technische Universität München

Ismaningerstr. 22

81675 München

Literatur

1. Kalender WA, Seissler W, Klotz E, Vock P. Spiral volumetric CT with single-breath-hold technique, continuous transport, and continuous scanner rotation. Radiology, 1990. 176: 181–3

2. Taguchi K, Aradate H, Algorithm for image reconstruction in multi-slice helical CT. Med Phys, 1998. 25: 550–61.

3. Fox SH, Tanenbaum LN, Ackelsberg S, He HD, Hsieh J, Hu H. Future directions in CT technology. Neuroimaging Clin N Am, 1998. 8: 497–513

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7