Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Moderne CT-Bildgebung im Rahmen der Schockraumversorgung Schwerverletzter
LiteraturübersichtReview of the literature

Ergebnisse aus Metaanalysen

Als neu kann man bezeichnen, dass sich die Mortalitätsvorteile der Ganzkörper-CT jetzt auch in Metaanalysen nachweisen ließen. Die 3 Arbeiten von Jiang et al., Caputo et al und Hajibandeh stellen dies überzeugend dar [22, 33, 34].

Anwendung bei hämodynamisch instabilen Patienten

Als neu kann man ferner bezeichnen, dass sich entgegen der weitverbreiteten Auffassung die Ganzkörper-CT auch bei hämodynamisch instabilen Patienten sicher anwenden lässt. Bisher wurde dieses Vorgehen abgelehnt, ohne dass dafür oder dagegen Daten vorlagen. Eine Analyse von 16.719 Patienten des TraumaRegisters der DGU ergab signifikante Überlebensvorteile für Patienten im Schock [20]. In der Gruppe der 4280 Patienten im moderaten Kreislaufschock (systolischer Blutdruck 90–110 mmHg) war die Mortalitätsrate bei den Patienten ohne GK-CT 22,6 % verglichen mit 18,1 % bei den Patienten mit GKCT (p < 0,001). Noch stärker war der Effekt bei den Patienten im schweren Schock (systolischer Blutdruck < 90 mmHg). Hier war die Mortalitätsrate bei den Patienten ohne GK-CT 54,9 % verglichen mit 42,1 % bei den Patienten mit GKCT (p < 0,001). Dieser Effekt blieb auch nach Adjustierung für den Verletzungschweregrad hochsignifikant. Somit kann festgehalten werden, dass die Durchführung einer GKCT insbesondere bei instabilen Patienten einen positiven Effekt zeigt. Es scheint so zu sein, dass sich hierdurch die Ursache des Schockzustands am besten detektieren lässt. Die umfassende und rasche Kenntnis des kompletten Verletzungsmusters lässt offensichtlich am besten die Entscheidung zu, ob und welche Notfalloperationen durchzuführen sind. Betont werden muss, dass die Voraussetzung hierfür ein hoher Organisationsgrad des Traumateams sein muss. Im Falle von schlecht organisierten Traumateams oder großen Entfernungen zum CT sollte diese Art der Diagnostik bei instabilen Patienten nicht durchgeführt werden [20].

Lokalisation des CTs

Zur Klärung der Frage, wo das CT idealerweise lokalisiert sein sollte, liegen nun auch Daten für Schwerverletzte vor. Bisher lagen hier die Daten von Saltzherr et al. vor [36]. Saltzherr verglich in einer randomisierten Studie 1124 Traumapatienten in Holland, die entweder in ein Traumazentrum, wo eine konventionelle radiologische Diagnostik mittels Röntgen Thorax, Becken, Wirbelsäule und FAST durchgeführt wurde, verbracht wurden, mit Patienten, die in ein Traumazentrum verbracht wurden, wo initial im Schockraum eine GKCT-Diagnostik durchgeführt wurde. Die Unterschiede waren im Hinblick auf den Zeitbedarf signifikant günstiger für die CT-im-Schockraum-Gruppe (Abb. 2). Im Hinblick auf die Mortalität ergaben sich keine Unterschiede. Erwähnt werden muss hier jedoch, dass es sich in diesem Kollektiv überwiegend um Leichtverletzte mit einem mittleren ISS von 6,5 Punkten handelte. In der Subgruppe der Schwerverletzten ergab sich lediglich der Trend für einen Mortalitätsvorteil der GKCT-Gruppe [36].

Eine aktuelle Auswertung des TraumaRegisters der DGU konnte nun erstmals den Nachweis erbringen, dass eine Lokalisation des CTs im Schockraum bzw. eine nahe Lokalisation < 50 m zum Schockraum einen positiven Effekt auf die Überlebenswahrscheinlichkeit hat im Vergleich zu einer weiten Entfernung von > 50 Metern [37]. In einem logistischen Regressionsmodell war die nahe Entfernung zum CT-Schockraum ein unabhängiger positiver Prädiktor für das Überleben. Die Autoren schließen aus ihrer Arbeit, dass im Falle von Um- oder Neubauten von Notaufnahmen das CT idealerweise im bzw. nahe am Schockraum baulich integriert werden sollte.

Strahlenbelastung

Das Thema Strahlenbelastung durch eine Ganzkörper-Computertomografie wird sehr kontrovers diskutiert [38, 39]. Zur Abschätzung kann eine Gesamtdosis von 10–20 mSv für eine Ganzkörper-Computertomografie, 5–16 mSv für eine selektive Organ-CT und 2 mSv für eine konventionelle Röntgen-Traumaserie (Thorax, gesamte Wirbelsäule und Becken) angenommen werden [38, 40, 41]. Wedegärtner konnte zeigen, dass sich in der häufigen diagnostischen Konstellation beim Polytrauma, mit zunächst konventioneller Röntgendiagnostik im Rahmen des Primary survey und befundabhängig ergänzender organselektiver Computertomografien, die effektiven Dosen im Vergleich zur primären GKCT kumulativ nahezu entsprechen können [42]. Zudem werden polytraumatisierte Patienten, abgesehen von der Notfalldiagnostik, im Rahmen der stationären Behandlung ganz überwiegend wiederholt radiologischen Untersuchungen ausgesetzt. Weiter gilt es unter diesem Aspekt zu berücksichtigen, dass Untersuchungen zur Strahlenexposition nach Trauma die effektive Gesamtstrahlendosis gegenüber dosimetrischen Messungen um bis zu 25 % unterschätzen können [43].

Aktuelle gemittelte Daten des Bundesamts für Strahlenschutz für Deutschland zeigen, dass die Spanne der Strahlenbelastung für ein CT-Abdomen mit Kontrastmittel zwischen 8,8 und 16,4 mSv und die für CT-Thorax zwischen 4,2 und 6,7 mSv je nach Protokoll liegen können [44].

Bei unterschiedlicher Patientengröße mit entsprechendem Scan-Volumen ist die effektive Gesamtstrahlendosis stark abhängig von den CT-Einstellungsparametern und verwendeten Scan-Protokollen [45, 46]. Wenn man die unterschiedlichen Ganzkörper-Computertomografie-Protokolle vergleicht, zeigt sich beim Single-pass-Protokoll eine geringere Strahlenbelastung und reduzierte Scan-Zeit ohne relevanten bildgebenden Qualitätsverlust gegenüber den segmentierten, partiell überlappenden Untersuchungen [45, 46].

Dennoch geht die GKCT mit einer erhöhten Strahlenbelastung gegenüber selektiven Körperregionen- oder Organ-Computertomografien einher. Die Erzeugung potenzieller Strahlenspätschäden muss gegen eine bessere und umfassendere diagnostische Aussagekraft bei lebensbedrohlichem Verletzungsmuster abgewogen werden. Die Strahlendosis durch eine Ganzkörper-Computertomografie resultiert für einen 45-jährigen in einem geschätzten Lebenszeit-Krebs-Risiko von 1:1250 entsprechend 0,08 % [40]. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Vergleichsgruppe (kein GKCT) durchaus auch einer gewissen Basisstrahlendosis durch konventionelles Röntgen und selektive Organ-CTs ausgesetzt ist. Somit ist das von Brenner genannte Risiko als eher zu hoch anzusehen.

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