Übersichtsarbeiten - OUP 11/2018

MPFL-Insuffizienz und Trochleadysplasie sollten zusammen korrigiert werden

Betrachtet man die Literatur, so erkennt man unterschiedliche Zugangstechniken. Alle Autoren, die die Trochleaplastik nach Bereiter verwenden, wählen einen lateralen parapatellaren Zugang [3, 16, 26, 29, 36, 47, 52]. Im Gegensatz dazu wird bei der Methode nach Dejour ein modifizierter medialer Vastuszugang genutzt. Hierbei werden Fasern des M. vastus medialis auf ca. 4 cm in den Muskelbauch durchtrennt [9]. Wie bereits erwähnt, nutzen wir einen kurzen medialen parapatellaren Zugang, der neben einer einfachen Trochleadarstellung auch eine gute Freilegung der medialen Patellakante zulässt. Dies ist für unsere Technik entscheidend, um einen V-förmigen Bohrkanal zur MPFL-Grafttunnelung anlegen zu können. Zudem bietet diese Methode einen optimalen Zugang zur medialen Kapsel, in welcher der Tunnel zur femoralen MPFL-Graft Insertion zwischen beiden Kapselblättern präpariert wird. Eine ausgedehnte Hautmobilisation oder ein zusätzlicher Hautschnitt zur Darstellung der medialen Patellakante ist somit nicht nötig, um das MPFL zu rekonstruieren. Nachdem die beiden Kapselblätter vernäht worden sind, kann – sofern nötig – die Sehne des Musculus vastus medialis obliquus medial zur Patella gerafft werden. Aus diesen Gründen beschreibt unsere Methode für den kombinierten Eingriff einen praktikablen Zugangsweg.

Mit weit über 90 % kehrte in unseren Follow-up-Untersuchungen der Großteil der Patienten nach der Operation wieder in den Sport zurück. Die Leistungssportler scheinen hierbei die besten Ergebnisse zu haben, hier erreichen viele ihr zuvor erreichtes Wettkampfniveau. Diese Patienten berichten von einem sicheren Stabilitätsgefühl mit der Möglichkeit, den jeweiligen Sport ohne Zurückhaltung ausüben zu können. Auch unter den Patienten, die präoperativ keinerlei Sport betrieben haben, wird ein nicht unwesentlicher Anteil sogar im Verlauf sportlich aktiv. Bezüglich der Patientenzufriedenheit haben wir versucht, auch das kosmetische Ergebnis evaluieren. Dies wird trotz der sichtbaren Narbe von den jungen Patienten als zufriedenstellend bewertet, sodass entsprechend unserer Befragungen weder das Selbstbewusstsein noch die Kleiderwahl eingeschränkt zu sein scheinen. Ästhetische Narbenoperationen scheinen für die von uns befragten Patienten nicht von Interesse zu sein [49].

Nach isolierter MPFL-Plastik trotz zugrundeliegender Trochleadysplasie zeigten Wagner et al. [53] ein vergleichsweise schlechtes klinisches Ergebnis. Somit sollte eine höhergradige Trochleadysplasie bei entsprechenden klinischen Befunden neben der MPFL-Plastik auch adressiert werden. Viele Kollegen stehen der Trochleaplastik dennoch eher kritisch gegenüber, da sie durch die Abhebung eines osteochondralen Lappens und die Vicrylbandfixierung Schäden wie Nekrosen an den Gelenkflächen erwarten. Mehrfache eigene arthroskopische Nachuntersuchungen (Abb. 23) und Publikation von Blønd et al. [4] und Schöttle et al. [37] zeigen jedoch, dass sich das Vicrylband vollständig resorbiert und v.a. keine Knorpelschäden im Bereich der versetzten und plastisch verformten Gelenkflächen auftreten. Zur histologischen Beurteilung konnten Schöttle et al. [37] 2 osteochondrale Biopsien 6 und 9 Monate nach Trochleaplastik entnehmen. Neben einer histologischen Untersuchung zur Beurteilung der Knorpel-Knochen-Qualität erfolgte eine Konfokalmikroskopie zur Beurteilung der Lebens- und Funktionsfähigkeit der Knorpelzellen. Trotz der Osteotomie, die ca. 2 mm unterhalb des Knorpels durchgeführt wird, zeigte sich ein normaler histologischer Knorpel-Knochen-Befund mit einer entsprechenden Knochenneubildung in der Osteotomiezone. Insbesondere Knorpel- oder Knochennekrosen zeigten sich nicht.

In einer Vielzahl von Nachuntersuchungen nach Trochleaplastik [4, 15, 16, 29, 47, 52] zeigten sich hinsichtlich der Kniefunktion, der Stabilisierung, der Komplikationen und auch hinsichtlich der Patientenzufriedenheit überzeugende Ergebnisse. Der Kujala-Score zeigt bei der Bereiter-Methode sowohl im Vergleich zur Lyons Procedure nach Dejour [9, 12, 32] als auch im Vergleich zur Recession Wedge Technik die besten Ergebnisse (Tab. 3).

Wir sehen die Trochleaplastik zunehmend zusammen mit einer MPFL-Plastik zur Alignementanpassung des Weichteilapparats. Das MPFL rupturiert bereits nach der Erstluxation in > 90 % der Fälle [30], sodass das MPFL in der Operation adressiert werden sollte. Gerade in den Fällen, in denen in der transversalen MRT ein deutlicher Patella-Tilt sichtbar ist, ist von einer ausgeprägten Insuffizienz des medialen Bandapparats auszugehen. Sowohl der intraoperative Eindruck als auch CT-Daten [15] zeigen, dass die Patella während einer Trochleaplastik in einer veränderten mechanischen Position nach dorsal und medial verlagert ist. Die Konsequenz ist, dass bei einer Trochleaplastik eine MPFL-Plastik nicht nur wegen der Ruptur, sondern auch im Sinne einer medialen Weichteilbalancierung bzw. Alignementanpassung notwendig wird.

Aus unserer Sicht ist die Einstellung der MPFL-Spannung während der Operation ein wesentlicher Faktor, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Entsprechend der Literatur scheint eine sichere intraoperative Einstellung der Graftspannung des MPFL hingegen nicht selbstverständlich [7, 13, 46]. Neben der Beugungslimitierung führt eine überhöhte Graftspannung zu einem erhöhten Anpressdruck auf das femorale Gleitlager. Dies wiederum führt bei den Patienten vermehrt zu vorderen Knieschmerzen. Aus genau diesen Gründen diskutieren Chouteau et al. in ihrem aktuellen MPFL-Review den Bedarf nach einer Operationstechnik, die ein solches Überspannen des Transplantats vermeidet [7]. Studiert man die Literatur, so ist es schwierig, die beste Flexionsstellung zu finden, in der das Graft während der Operation fixiert wird, um schließlich eine optimale Spannung zu erhalten. Thaunat et al. empfehlen eine volle Extension, sowie eine eher weiter distal angelegte femorale Insertion, um eine Überspannung des Transplantats während der Knieflexion zu verhindern [46]. Autoren weiterer Studien ziehen Techniken vor, die eine Graftverknüpfung bei einer Beugung zwischen 30–45° vorsehen [2, 24, 29]. Wasiak et al. fixieren das Graft in 20° Flexion und verschieben die Patella um einen Quadranten nach lateral, bevor sie diesen endgültig miteinander verknüpfen [55]. Weitere Autoren ziehen eine Position zwischen 60° und 90° Kniebeugung vor, weil diese eine präzisere Einstellung der Patella in tieferen, inferioren Teilen des trochlearen Gleitlagers zulässt [6, 42]. Bei der Zusammenschau dieser Studien leuchtet es ein, dass die eine optimale Methode zur Spannungseinstellung der Graftfixierung noch nicht beschrieben wurde. Aus diesem Grund kann unsere Technik, die eine einfache Testung der Graftspannung unter Flexion erlaubt, eine gute Lösung darstellen. Erst wenn der Operateur mit der Spannungseinstellung und der Beweglichkeitseinstellung des Kniegelenks und der Kniescheibe zufrieden ist, folgt die endgültige Fixierung des Grafts.

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