Übersichtsarbeiten - OUP 09/2017

Multiplex-Protein-Microarrays in der Differenzialdiagnose zwischen periprothetischer Infektion und aseptischer Revisionsursache nach künstlichem Kniegelenkersatz

Frank S. Fröschen1, Sascha Gravius1, Sophia Schell1, Nadine Gravius1, Frank A. Schildberg1, Thomas M. Randau1

Zusammenfassung: Bei der Diagnose „schmerzhafte Endoprothese“ kommt der Unterscheidung zwischen einer periprothetischen Infektion (PPI) und einer aseptischen Revisionsursache (AR) eine entscheidende Bedeutung zu. Bei aktuell noch fehlendem Goldstandard in der Diagnostik der periprothetischen Infektion, stellt die Analyse synovialer Biomarker eine vielversprechende Alternative dar. Multiplex-
Protein-Microarrays können hierbei als diagnostisches Instrument eingesetzt werden, mit dem auch geringe Mengen
Gelenkpunktat auf multiple Proteine untersucht werden können. Der Mehrwert einer Kombination verschiedener Biomarker zur Prädiktion einer periprothetischen Infektion muss hierbei im Rahmen weiterer Studien untersucht werden.

Schlüsselwörter: Low-grade-Infektion, Zytokin, periprothetische Infektion, Gelenkpunktat, Knieendoprothetik

Zitierweise
Fröschen FS, Gravius S, Schell S, Gravius N, Schildberg FA, Randau TM: Multiplex-Protein-Microarrays in der Differenzialdiagnose zwischen periprothetischer Infektion und aseptischer Revisionsursache nach künstlichem Kniegelenkersatz.
OUP 2017; 9: 425–431 DOI 10.3238/oup.2017.0425–0431

Summary: When diagnosing a painful total knee arthroplasty, the differentiation between a periprosthetic joint
infection and an aseptic cause for surgical revision is crucial. Based on the absence of a gold standard in diagnostics, the analysis of synovial fluid cytokines could be a promising alternative approach. Multiplex protein microarrays can be used for diagnostic measurements, allowing analysis of multiple cytokines within very small volumes of synovial fluid samples. To evaluate the additional benefit of a combination of different synovial fluid cytokines to determine the probability of a periprosthetic joint infection, further studies are necessary.

Keywords: low-grade, infection, cytokine, periprosthetic joint
infection, synovial fluid, knee infection, total knee arthroplasty

Citation
Fröschen FS, Gravius S, Schell S, Gravius N, Schildberg FA, Randau TM: Multiplex protein microarrays in the differential diagnosis between a periprosthetic joint infection and an aseptic cause for revision after total knee arthroplasty.
OUP 2017; 9: 425–431 DOI 10.3238/oup.2017.0425–0431

Einleitung

Bei Patienten mit der Diagnose „schmerzhafte Endoprothese“ kommt der Unterscheidung zwischen einer periprothetischen Infektion (PPI) und einer aseptischen Revisionsursache (AR) eine entscheidende Bedeutung zu. Oftmals stellt diese Differenzialdiagnostik eine große Herausforderung dar und hat weitreichende Folgen für die weitere Behandlung des Patienten [18].

Dies gilt besonders vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl von Patienten, welche sich Jahr für Jahr einer endoprothetischen Versorgung unterziehen [6, 11]. Im Rahmen der Primärimplantation wird die Häufigkeit einer periprothetischen Infektion mit 0,4–2,0 % angegeben, mit einem Anstieg auf bis zu 15 % bei Revisionseingriffen bzw. bei Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren [12, 16].

Obwohl mittlerweile mehrere Definitionen für periprothetische Infektionen vorliegen, kann von einem anerkannten Goldstandard in der Diagnostik noch nicht gesprochen werden, was die Validierung neuer Verfahren zusätzlich kompliziert. Weithin benutzt werden die Definitionen der Musculoskeletal Infection Society (MSIS) bzw. der International Consensus Group (ICG) und der Infectious Disease Society of North America (IDSA). Dabei werden verschiedene Haupt- und Nebenkriterien herangezogen, die vorliegen sollen, damit die Diagnose einer periprothetischen Infektion gestellt werden kann. Zu beachten ist, dass jedoch auch bei Nichterfüllung eben jener Kriterien eine Infektion vorliegen kann. Die Erarbeitung dieser Kriterien erfolgte durch Analyse bereits veröffentlichter Daten, und resultiert in klinisch-praktischen Algorithmen und Leitlinien für die Diagnose und Therapie der betroffenen Patienten [14, 15].

Die aktuelle Diagnostik beruht auf der klinischen Untersuchung, radiologischen und laborchemischen Verfahren, der streng aseptisch durchzuführenden Gelenkpunktion mit quantitativer Zellzählung und -differenzierung sowie der mikrobiologischen Untersuchung des Punktats in Blutkulturflaschen [18]. Die ebenfalls hilfreiche Entnahme von Gewebeproben kann in der Regel erst intraoperativ erfolgen und gehört damit nicht zur präoperativen Therapieplanung [11].

Um ein höheres Maß an diagnostischer Sicherheit zu erreichen, werden zunehmende Anstrengungen unternommen, neue Methoden und Biomarker zu identifizieren, mit denen die Diagnose der periprothetischen Infektion verbessert werden kann [9, 15–17].

Mittlerweile ist eine große Anzahl an synovialen Biomarkern bei Patienten mit periprothetischer Infektion untersucht worden. Zu diesen gehören Interleukine (IL) und andere Zytokine (z.B. IL-1, IL-6, IL-8, IL-10, Tumor Necrosis Factor ? (TNF-?), Interferon-?, Resistin und Thromboplastin), inflammatorische reaktive Proteine (z.B. C-reaktives Protein, CRP), bakterizide leukozytäre Enzyme (z.B. Esterase, Elastasen, bakterizide/permeabilitäts-erhöhende Proteine und Lactoferrin), Mediatoren der Angiogenese (z.B. Vascular endothelial growth factor, VEGF) und antimikrobielle Proteine (z.B. ?-Defensin, ?-Defensin und Cathelicidin LL-37) [15]. Auf Grundlage der verfügbaren Daten ist die Wertigkeit der synovialen Biomarker nicht abschließend zu bewerten, nur einige Marker werden bis dato in der klinischen Routine genutzt (IL-6, ?-Defensin und Leukozytenesterase), wobei lediglich ?-Defensin (Synovasure®, Fa. Zimmer) in der Routinediagnostik zugelassen ist [2, 4, 13, 16, 19]. Zu berücksichtigen ist, dass einige dieser Biomarker nicht nur bei einer Infektion, sondern auch im Rahmen einer unspezifischen Reaktion auf Fremdmaterialien erhöht sein können. Hervorzuheben ist hier IL-6, da dies auch bei Patienten unter antimikrobakterieller Therapie eine hohe Genauigkeit, speziell nach Korrelation mit seinem Serumspiegel, aufweist [7, 9, 16, 17, 19].

Trotz der hohen Forschungsaktivität und der fortschreitenden Entdeckung neuer (synovialer) Biomarker ist deren Funktion meist nicht abschließend geklärt. Des Weiteren ist bislang kaum untersucht, welche Synergien aus der Kombination verschiedener Biomarker gewonnen werden können. Limitierend in der Analyse ist nicht nur der Zeit- und Materialaufwand, sondern nicht selten auch die limitierte Menge des verfügbaren Punktats, um alle gewünschten Analysen durchführen zu können.

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