Übersichtsarbeiten - OUP 09/2017

Multiplex-Protein-Microarrays in der Differenzialdiagnose zwischen periprothetischer Infektion und aseptischer Revisionsursache nach künstlichem Kniegelenkersatz

Aktuell fehlt es an verlässlichen, einfach zu bestimmenden Biomarkern in der klinischen Routine. Besonders synoviale Biomarker versprechen hier, Abhilfe zu schaffen. In vorherigen Studien konnte bereits auf ihr vielversprechendes Potenzial als diagnostischer Prädiktor für periprothetische Infektionen hingewiesen werden [2, 4, 8, 16].

Laut einer Studie von Deirmengian et al. gibt es eine signifikante Veränderung der Genexpression bei neutrophilen Granulozyten in Gelenken im Rahmen einer Entzündung bei aseptischen Komplikationen gegenüber einer periprothetischen Infektion mit einer Hochregulation der Gene für multiple Interleukine, Tumor-Nekrose-Faktoren sowie Chemokinen [5, 10]. In einer folgenden Studie konnte gezeigt werden, dass die mittels entsprechender Immunoassays im Luminex-System gemessenen Interleukinspiegel bei Patienten mit einer periprothetischen Infektion signifikant erhöht waren (IL-1a, IL-1ß, IL-6, IL-8, IL-10, IL-17) [4]. Aufgrund dieser Daten konnte postuliert werden, dass diese synovialen Biomarker die routinemäßig aus dem Serum erhobenen Parameter wie C-reaktives Protein und die Blutsenkungsgeschwindigkeit in ihrer Aussagekraft in Bezug auf das Vorliegen einer periprothetischen Infektion deutlich übertreffen. Dies konnte u.a. in einer Arbeit von Frangiamore et al. bestätigt werden [8].

Ziel dieser Studie war es, als „Proof of Principle“ 2 verschiedene Multiplex-Microarrays zur Bestimmung der diagnostischen Wertigkeit anhand synovialer Biomarker (IL-1ß, IL-2, IL-4, IL-6, IL-8 und TNF-?) miteinander zu vergleichen. Multiplex-Microarrays erlauben die schnelle Bestimmung zahlreicher Analyten aus sehr kleinen Probenmengen und können damit einen wertvollen Beitrag zur Diagnostik leisten, insbesondere dann, wenn das Ausgangsmaterial limitiert ist und mehreren diagnostischen Verfahren zugeführt werden soll (z.B. Gelenkpunktat zur Mikrobiologie, Molekularbiologie, Pathologie, Biochemie und Zytometrie) [8]. Bei jeder Validierung neuer Verfahren stellt sich das Problem, gegen welchen Goldstandard die Verfahren zur Diagnose einer periprothetischen Infektion verglichen werden sollen. Aufgrund der weiten Verbreitung und hohen Akzeptanz legten wir die Definition des MSIS-Consensus-Meetings zugrunde [14].

Es zeigte sich, dass zwischen den beiden verwendeten Verfahren einige Unterschiede bestehen. Es konnte festgestellt werden, dass der Ayoxxa-Assay in der diagnostischen Differenzierung aufgrund des breiten Messbereichs und der niedrigeren unteren Messgrenze der Analyse mittels der Luminex-Plattform marginal überlegen ist. Daraus resultierte der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Verfahren. Bei der Detektion von IL-4 konnte das Luminex-System keine verwertbaren Messergebnisse liefern, während das Ayoxxa-Verfahren einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen finden konnte.

Insgesamt war das Ayoxxa-Verfahren dem Luminex-Assay leicht, aber nicht signifikant überlegen: Es erreichte etwas bessere Werte in Bezug auf die AUC für die meisten Analyten, außer IL-2 und TNF-?, und damit im Hinblick auf die Power des Tests und eine mögliche Diskriminierung von periprothetischen Infektionen und einer aseptischen Revisionsursache. IL-2 und TNF-? konnte im Luminex-Verfahren besser analysiert werden.

Eine besonders gute Korrelation zwischen den Ergebnissen der beiden Verfahren bestand für IL-1? und IL-6, während die Messwerte bei IL-8 und TNF-? teils deutlich abwichen. Gründe hierfür könnten in der Präanalytik und in der Antikörperspezifität liegen. Für IL-8 wurden im Luminex deutlich geringere Werte gemessen als im Ayoxxa-Verfahren, was unterstreicht, dass Sensitivitäts- und Spezifitätswerte sowie Cut-off-Werte nicht unkritisch zwischen verschiedenen Verfahren und Messmethoden übernommen werden sollten.

Die höchste diagnostische Wertigkeit bestand im untersuchten Kollektiv für das IL-6. Dies ist nicht verwunderlich, da dies zuvor bereits in eigenen Arbeiten bestätigt werden konnte [16]. Dennoch bleibt bis dato die diagnostische Aussagekraft der übrigen synovialen Biomarker weitestgehend unklar.

Bislang gibt es kaum Daten über den diagnostischen Nutzen, u.a. von IL-1?, IL-2, IL-4 und IL-8. TNF-? wurde bereits vereinzelt als möglicher Biomarker betrachtet, und zeigte durchwachsene Ergebnisse mit einer laut Ettinger et al. bzw. Bottner et al. hohen Spezifität (86 % bzw. 94 %) bei geringer Sensitivität (35 % bzw. 43 %) in der Diagnostik einer low-grade periprothetischen Infektion [3, 6]. Frangiamore et al. beschrieben hingegen eine Sensitivität von 92 % und eine Spezifität von 33 % und empfahlen eine Kombination von IL-2, IL-6 und TNF-? zur Differenzialdiagnostik einer periprothetischer Infektion gegenüber einer aseptischer Revisionsursache [8]. In diesem Zusammenhang wird die Notwendigkeit des kritischen Umgangs mit optimalen Cut-off-Werten der oben genannten Studien bestätigt, da diese sich deutlich unterscheiden können [6,7], besonders vor dem Hintergrund, dass die im Rahmen dieser Studie ermittelten Werte für Sensitivität und Spezifität bei den gemeinsam gemessenen Biomarkern nicht erreicht werden konnten.

Inwieweit die Sensitivität und Spezifität durch die gewichtete Kombination dieser Marker – u.a. im Sinne eines Scorings – noch weiter verbessert werden kann, muss noch genauer untersucht werden. Der Mehrwert aus der Kombination verschiedener Analyte – eine der wesentlichen Stärken der Multiplex-Microarrays – könnte jedoch beträchtlich sein. Diese Fragestellung war allerdings nicht Ziel der vorliegenden Arbeit.

Es muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass diese Studie Limitationen unterliegt. Im Sinne des „Proof of Principle“ wurden zunächst nur wenige Proben analysiert, zudem geschah die Analyse aus einem retrospektiven Kollektiv gesammelter und tiefgefrorener Proben. Welchen Einfluss dies auf die Testergebnisse hat und ob vor allem die Cut-off-Werte auf frische Proben übertragen werden können, ist unsicher.

Des Weiteren sind für das verwendete Messverfahren eine aufwendige Geräteausstattung und Kenntnisse in der Handhabung der Proben sowie Grundkenntnisse in biochemischen und zytometrischen Analyseverfahren notwendig. Hierdurch wird die Verfügbarkeit der Testverfahren im Routinelabor oder gar im Sinne einer „Point-of-Care“-Technologie sehr limitiert. Zusätzlich wäre eine Messung einzelner Proben aktuell nicht sinnvoll durchführbar, da mit jeder Messung interne Kontrollen und Kalibrierungen mitgeführt werden müssen, und die Proben am besten in einem Ansatz analysiert werden sollten. Das stellt eine zeitnahe Analyse einzelner Proben aus wirtschaftlichen Gründen weiter in Frage. Die Verfahren sind außerdem zurzeit nur für Forschung und Entwicklung zugelassen, jedoch nicht als diagnostische Verfahren, von deren Ergebnissen abhängig therapeutische Entscheidungen forensisch abgeleitet werden dürften.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4