Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016

Operationsverfahren bei rheumatisch bedingten Pathologien der Hand und des Handgelenks

Thomas Geyer1, Steffen Berlet1, Sigmund Polzer1

Zusammenfassung: Die Versorgung des Rheumapatienten ist äußerst komplex und für alle behandelnden Ärzte eine große Herausforderung. Die Deformität alleine stellt noch keine Behandlungsindikation dar, da die meisten Patienten gute Kompensationsmechanismen entwickeln. Vielmehr muss für jeden Patienten ein individuelles und bedarfsgerechtes Behandlungskonzept erstellt werden. Hierzu ist
eine enge Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen und Handchirurgen unbedingte Voraussetzung, um den funktionellen Behandlungserfolg handchirurgischer Eingriffe zu
gewährleisten. Ein gut informierter Patient und ausgebildete Handtherapeuten optimieren den Behandlungserfolg und verringern die Komplikationsrate.

Schlüsselwörter: Rheumatoide Arthritis der Hand, Endoprothese, Arthrodese, Weichteileingriffe

Zitierweise
Geyer T, Berlet S, Polzer S: Operationsverfahren bei rheumatisch bedingten Pathologien der Hand und des Handgelenks.
OUP 2016; 5: 286–292 DOI 10.3238/oup.2016.0286–0292

Summary: The treatment and care for rheumatoid patients is complex and poses a great challenge to the rheumatologist and hand surgeon. The hand deformity alone is not an indication for surgery as most patients compensate quite well. Instead physicians and surgeons need to specify an
individual treatment concept to meet the patient`s needs.
To achieve the best possible outcome a close collaboration between hand surgeons and rheumatologists is mandatory. A well informed patient and a competent hand therapist further improve outcomes and reduce complication rates.

Keywords: rheumatoid arthritis of the hand, joint replacement, arthrodesis, soft tissue procedures

Citation
Geyer T, Berlet S, Polzer S: Operative procedures in rheumatoid
pathologies of the hand and wrist.
OUP 2016; 5: 286–292 DOI 10.3238/oup.2016.0286–0292

Einleitung

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine Systemerkrankung mit multiplem Gelenkbefall, die unbehandelt zu einer völligen Zerstörung der synovialen Gelenke führt. Es handelt sich um eine T-Zell-gesteuerte Autoimmunerkrankung. Frauen sind etwa 4-mal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung manifestiert sich zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr [1]. Die Inzidenz beträgt ca. 0,5–1 % der erwachsenen Bevölkerung [2].

Die Fingergrundgelenke und das Handgelenk sind häufig betroffen. Eine Beteiligung des Handgelenkes tritt bei 50 % der Patienten innerhalb der ersten beiden Jahre auf, nach 10 Jahren sind 90 % der Patienten betroffen. Eine spontane Remission tritt bei der RA nahezu nie auf, sodass der medikamentösen Therapie eine entscheidende Bedeutung zukommt. Der fortgeschrittene Befall der Hände führt unweigerlich zu einem deutlichen Funktionsverlust und Einschränkungen der Aktivität des täglichen Lebens [3].

Operative Eingriffe zielen auf eine Verbesserung der Hand- und Greiffunktion (Mobilität, Stabilität), eine Schmerzreduktion sowie eine Korrektur und Vermeidung von zukünftigen Deformitäten hin. Allgemein sind Schmerzen oder eine therapierefraktäre Synovialitis über einen Zeitraum von 3–6 Monaten eine Indikation zur operativen Versorgung, auch wenn dies weiterhin kontrovers diskutiert wird. Dringlichkeit ist bei drohenden oder bereits eingetretenen Sehnenrupturen und bei fortschreitenden Nervenkompressionssyndromen gegeben (z.B. Karpaltunnelsyndrom) [4].

Klassischerweise unterteilt man in prophylaktische (präventive) und therapeutische (rekonstruktive und ersetzende) Eingriffe. Präventiv erfolgt die Entfernung der entzündlich veränderten Synovia der Sehnen und der Gelenke, welche über 3–6 Monate auf die medikamentöse Therapie nicht ansprechen. Dort, wo die Gelenke bereits zerstört sind, kommen z.B. der Gelenkersatz oder die Gelenkversteifung zum Einsatz.

Proximale Gelenke werden i.d.R. vor distalen adressiert, d.h. Eingriffe an der unteren Extremität vor denen der oberen Extremität. Operationen sind nicht nur für Patienten mit klinisch stummer RA indiziert, sondern durchaus auch für Patienten mit akut-entzündlichem Schub. Allerdings ist es entscheidend, den zeitlichen Ablauf eng mit dem behandelnden Rheumatologen abzustimmen, da manche DMARDs („disease-modifying antirheumatic drugs“) die Heilung und Immunantwort negativ beeinflussen und die Infektrate erhöhen. Ebenfalls endet jeder rekonstruktive Eingriff, ohne vorher die akut entzündliche Komponente medikamentös zu therapieren, frustan. Sehnenrekonstruktionen können der unkontrollierten Entzündungsreaktion nicht standhalten (Abb. 1).

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen und Handchirurgen ist daher der Schlüssel zum Erfolg. Auch wenn bisher hochwertige EBM-Level-1-Studien fehlen, so bleibt die operative Therapie der Hände und des Handgelenks beim Rheumapatienten eine Hauptsäule in der Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung [5, 6, 7].

Operationsverfahren

Prophylaktische Operationen

Prophylaktische Operationen beim Rheumapatienten betreffen hauptsächlich die Synovia der Sehnen und Gelenke. Die Gelenksynovialektomie sollte idealerweise vor einer irreversiblen Gelenkdestruktion erfolgen (Larsen-Stadien I–III). Sie kann den zeitlichen Verlauf der Erkrankung einzelner Gelenke positiv beeinflussen und trägt zur Schmerzreduktion bei (Abb. 2a–c). Die Entfernung der verdickten und hypertrophierten Sehnenschleimhaut kann sowohl das Gleitvermögen der Sehnen als auch die Handfunktion verbessern [8].

Während früher der Zeitpunkt 6 Monate nach erfolgloser Basistherapie angegeben wurde, wird heute die Indikation zum operativen Vorgehen bereits nach 8–12 Wochen gesehen. Auch wird die Lokalisation und Aggressivität, mit der die Synovialektomie durchgeführt werden sollte, kontrovers diskutiert. Einige Autoren beschränken die Synovialektomie lediglich auf die Strecksehnen und das distale Radioulnargelenk [9]. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten im Bereich des Handgelenks mit seinen unterschiedlichen Rezessus kann z.B. arthroskopisch keine vollständige Synovialektomie erfolgen, während dies z.B. bei kleineren Gelenken wie am Daumensattelgelenk durchaus möglich ist (Abb. 3).

Durch die chronische Entzündung der Sehnen- und Gelenkschleimhaut kann es zur Dehnung oder Dezentrierung (z.B. der Strecksehnen über den MCP-Gelenken) kommen. Hier sind dann zusätzliche Maßnahmen wie Sehnenzentrierungen („tendon rebalancing“), um die anatomische Position wiederherzustellen, notwendig.

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