Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Operative Differenzialtherapie der hüftgelenknahen Fraktur bei Osteoporose

Eigene Daten zur operativen Stabilisierung hüftgelenknaher Femurfrakturen der Jahre 2011–2013 ergaben, dass insgesamt 210 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren behandelt wurden. 115 dieser Patienten erlitten eine per-/subtrochantäre Femur. Nur 15 Patienten waren jünger als 55 Jahre. Darunter erlitten 45 % einen häuslichen Sturz bzw. einen Sturz im Seniorenheim. 5 % stürzten im Akutkrankenhaus oder in einer Rehabilitationsklinik. 102 Patienten wurden mit einem cephalomedullären Nagel, 41 mit einer Duokopfprothese (Abb. 2a-b), 12 mit einer Hüftgelenk-Totalendoprothese (Hüft-TEP), darunter 2 mit einer Schnapppfanne, 43 mit einer DHS und 12 mit kanülierten Zugschrauben versorgt.

Zur Behandlung von Schenkelhalsfrakturen wurden im Zeitraum 2005–2013 insgesamt 401 operative Eingriffe durchgeführt, darunter 218 Prothesenversorgungen bei einem durchschnittlichen Patientenalter von 82,3 Jahren sowie 183 Osteosynthesen bei einem Durchschnittsalter der Betroffenen von 62,2 Jahren. Unter den Patienten, die eine Frakturprothese erhielten, fanden sich 180 zementierte Prothesen bei einem durchschnittlichen Patientenalter von 84,2 Jahren und 38 zementfreie Prothesen bei einem Durchschnittsalter von 71,6 Jahren. Bei der Prothesenwahl entschied man sich bei 157 Patienten (72 %) für eine zementierte und bei 4 Patienten (2 %) für eine zementfreie Duokopfprothese, bei 6 Patienten (3 %) für eine Hybrid-Hüft-TEP, in 14 Fällen (6 %) für eine zementierte Hüft-TEP und in 34 Fällen (16 %) für eine zementfreie Hüft-TEP sowie in 3 Fällen (1 %) für eine zementierte Schnapppfanne (Abb. 3). Die Krankenhausletalität lag insgesamt bei 4,7 % (19/401 Patienten). Sie betrug bei den Prothesenversorgungen insgesamt 7,8 % und bei den Osteosynthesen 1,1 %. Die intraoperative Letalität bei zementierten Prothesenversorgungen betrug ebenfalls 1,1 %.

Diskussion

Interdisziplinäre Akuttherapie

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko erheblich an, eine Fraktur zu erleiden. Im Jahr 2050 werden nach aktuellen Berechnungen mehr als 30 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein [12]. 50 % der Frauen und 20 % der Männer über 50 Jahre werden in ihrem weiteren Leben eine Fraktur erleiden [13]. Ziel der interdisziplinären Akuttherapie in der Alterstraumatologie ist eine belastungs- und übungsstabile Frakturbehandlung unter Vermeidung behandlungsspezifischer Belastungen. Dabei ist die geringere Toleranz des älteren Patienten gegenüber Schmerzen, Blutverlust, Immobilisation und operativen Fehlern sowie damit verbundenen Revisionseingriffen im Vergleich zum jüngeren Patientengut zu berücksichtigen.

Osteoporosetherapie

Osteoporose zeigt sich häufig durch eine erste Fraktur bei inadäquatem Trauma [14]. Als prädisponierende Faktoren gelten neben dem weiblichen Geschlecht eine niedrige Knochendichte, zunehmendes Alter, Osteoporose in der Familie, ein niedriger BMI, Nikotin- und Alkoholabusus und die regelmäßige Einnahme von Steroiden. Ob die Heilung von Frakturen bei manifester Osteoporose langsamer geschieht als bei beim gesunden Knochen, ist weiterhin ungeklärt [15]. Der Prozess der Frakturheilung ist ein multifaktorielles Geschehen, das von der individuellen Biologie und Lebensweise des Betroffenen abhängig ist und im Tierversuch bei Osteoporose gestört oder prolongiert erscheint [16]. Aktuelle Ergebnisse belegen, dass bei den meisten Betroffenen die Osteoporose im ersten Jahr posttraumatisch kaum beachtet wird [17]. Wir empfehlen zur Sturzprophylaxe und Vermeidung von hüftgelenknahen Frakturen eine begleitende großzügige Vitamin-D-Substitution [18], da bei fast allen „alterstraumatologischen“ Patienten ein entsprechender Mangel gefunden wird. Eine begleitende konsequente Therapie der Osteoporose wird gemäß aktuellen DVO-Leitlinien, nach denen sich auch unser Therapiekonzept richtet, für die per-/subtrochantäre Femurfraktur grundsätzlich empfohlen und für die Schenkelhalsfraktur, wenn der T-Score < –2,0 beträgt [19].

Operative Therapie

Die Komplikationsraten nach operativer Therapie Osteoporose-assoziierter Frakturen sind doppelt so hoch wie nach Behandlung gesunder Knochen, und die Implantat-assoziierte Versagensrate bei Osteoporose-assoziierten Frakturen wird auf 10–25 % geschätzt (Abb. 4a-b) [15, 16]. Den operativen Erfolg bestimmende Faktoren sind neben der richtigen Indikation und operativen Technik („Faktor Chirurg“) biologische Faktoren, z.B. die Durchblutung der Frakturfragmente und biomechanische Faktoren wie die Knochenqualität, das Ausmaß der Frakturierung und die anatomische Reposition. Daneben ist die Mitarbeit bei der Nachbehandlung („Faktor Patient“) eine wesentliche Bedingung für einen nachhaltigen Therapieerfolg [20].

Bei den zur Verfügung stehenden operativen Therapieoptionen zur Behandlung der hüftgelenknahen Osteoporose-assoziierten Fraktur bieten moderne Implantat-Entwicklungen eine verbesserte Primär- und Sekundärstabilität durch Stärkung der Schnittstelle zwischen Knochen und Implantat. Wesentliches Ziel der Frakturbehandlung ist die Herstellung einer voll belastungsfähigen Osteosynthese oder Prothese. Dies kann bei der Osteosynthese nach korrekter Reposition und primärer Kompression der Fraktur erreicht werden durch eine langstreckige und flächige Abstützung des Implantats unter Vermeidung von Punktlasten und die Reduktion der Druckbelastung durch flächige Lastverteilung sowie Umverteilung auf tragfähigen Knochen und Nutzung der Winkelstabilität und ggf. zusätzliche Augmentation [22]. Sekundäre Kompression kann wie z.B. bei der DHS durch Aufbelastung erreicht werden. Hier gleitet die Schenkelhalsschraube bei gleichzeitiger Kompression des Schenkelhalses unter Belastung kontrolliert. Moderne Implantate erlauben es, diese Kompression nicht nur während, sondern auch nach der Reposition noch kontrolliert aufzubringen. Dadurch wirkt die Osteosynthese primär lasttragend und sekundär lastteilend („load share“), und die Stabilität des gesamten Konstrukts wird so erhöht. Die durch die Kompression entstandene Lastübernahme durch den osteoporotischen Knochen entlastet das Implantat und nimmt die Last von den das Implantat am Knochen fixierenden Schrauben. Nichtsdestotrotz sollte diese positive Entwicklung nicht dazu führen, sich allzu sehr auf die eingesetzten modernen Implantate zu verlassen, da der osteoporotische Knochen des geriatrischen Patienten keine Fehler verzeiht. Es handelt sich bei der Stabilisierung hüftgelenknaher Osteoporose-assoziierter Frakturen keineswegs um „Anfängereingriffe“, vielmehr ist die langjährige Expertise eines erfahrenen Chirurgen für die optimale Frakturreposition bzw. Platzierung des Implantats und damit den operativen Erfolg von entscheidender Bedeutung. Dies ist umso wichtiger, da beim geriatrischen Patientengut postoperativ keine Einschränkung der Belastung erfolgen darf, da die Patientin diese nicht einhalten können. Das gewählte operative Verfahren muss in jedem Fall eine sofortige Belastungsstabilität ermöglichen.

Fazit

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