Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2016

Organisatorische Einflüsse auf das sonografische Screening der Neugeborenenhüfte

Franz Landauer1, Michael Riedl1, Alexander Henhapl1, Karl Vanas1

Zusammenfassung: In der retrospektiven Studie werden langfristige Ergebnisse und aktuelle organisatorische Einflüsse auf das sonografische Screening der Neugeborenenhüfte im LKH-Salzburg untersucht. Dabei werden frühe wissenschaftliche Arbeiten aus dem LKH-Salzburg zum Thema der Hüftsonografie weitergeführt*.

Bei 67.500 Geburten wurden 1402 Behandlungen mit der Pavlik-Bandage seit der Institutionalisierung der Hüftsonografie 1988 dokumentiert. Am Beginn erfolgten ca. 140 Behandlungen pro Jahr, die sich rasch auf ca. 30–40 Behandlungen pro Jahr reduzierten. Bei den operativen Interventionen zur Hüftreposition ist die Veränderung noch gravierender. Vor der Einführung der Hüftsonografie (1960–1980) wurden 4–5 operative Hüftbehandlungen pro Jahr durchgeführt. Nach der Institutionalisierung der Hüftsonografie, entsprechend den Empfehlungen von Univ.-Prof. Dr. Reinhard Graf, waren in den letzten 15 Jahren nur noch 0,4 Operationen pro Jahr notwendig.

Zunehmende organisatorische Einflüsse führen zu einer Reduktion der Untersuchungszahlen. Im letzten Jahr erhielten 36 % der 2500 Neugeborenen das sonografische Hüftscreening nicht mehr während des Krankenhausaufenthalts, sondern erst im ambulanten Bereich. Dieses „Abbröckeln“ durch Verschlechterung der organisatorischen Rahmenbedingungen verlagert die Erstuntersuchung der Hüftsonografie bei Neugeborenen zunehmend in den ambulanten Bereich und es kommt zu einer zeitlichen Verzögerung des Behandlungsbeginns.

Schlüsselwörter: Hüftsonografie, Säugling, Vorsorgeuntersuchung, Hüftdysplasie

Zitierweise
Landauer F, Riedl M, Henhapl A, Vanas K: Organisatorische Einflüsse auf das sonografische Screening der Neugeborenenhüfte.
OUP 2016; 7/8: 414–419 DOI 10.3238/oup.2016.0414–0419

Summary: In the retrospective study, long-term results and current organizational influences are demonstrated on the sonographic screening of newborn hip in LKH-Salzburg. The present scientific work continues studies from the beginning of hip sonography*.

Since 1988 (institutionalisation of hip sonography according to Prof. Dr. Reinhard Graf) 67,500 babies have been screened and 1402 have been treated with Pavlik-harness. In the beginning, there were about 140 applications per year, this number quickly has been reduced to about 30–40 treatments per year. Operative interventions like open hip reduction changed from 4–5 surgeries per year before hip sonography (1960–1980) to 0.4 cases per year during the last 15 years. Increasing organizational factors have lead to a reduction of the examination numbers in hospital. Last year 36 % of the 2500 newborns missed the sonographic hipscreening at the hospital and got it later in the outpatient setting. This „crumbling“ by deteriorating organizational framework shifts the initial examination of the hip sonography in neonates to the outpatient area. As a result treatment starts later.

Keywords: sonography, infant hip, screening, developmental dysplasia of the hip

Citation
Landauer F, Riedl M, Henhapl A, Vanas K: Organizational influences on the sonographic screening of the newborn hip.
OUP 2016; 7/8: 414–419 DOI 10.3238/oup.2016.0414–0419

Einleitung

1980 wurde die Hüftsonografie als dia gnostisches Hilfsmittel zur Früherkennung der Hüftdysplasie eingeführt [1]. Vier Jahre später wurde die allgemein anerkannte sonografische Klassifikation der Neugeborenenhüfte von Prof. Dr. Reinhard Graf veröffentlicht und rasch Teil der Neugeborenenuntersuchung [2]. Bereits 1997 wurden die ersten Langzeitergebnisse für Österreich ausgewertet und der positive Effekt der institutionalisierten Neugeborenen-Sonografie auf die Reduktion von Operationen wurde augenscheinlich [3]. Diese Daten wurden 2011 durch eine Darstellung des Einsparpotenzials an Operationen und der damit verbundenen Kosteneffektivität weiter untermauert [4]. Für Österreich als einem Land mit hoher Inzidenz an Hüftdysplasie wird das Hüft-Screening-Programm mittels Ultraschalluntersuchungen aller Neugeborenen im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen als effektiv und zielführend dargelegt [5].

Diese positive Erfahrung wird in angloamerikanischen Ländern bisher nicht übernommen. Vielmehr wird beispielhaft in einem „Letter to the editor“ ein gut organisiertes Screening-Programm mit klinischer Untersuchung und Ultraschalluntersuchung nur für Risikopatienten als ausreichend dargestellt [6].

Parallel dazu wurde in einem internationalen systematischen Review von 2013 die Kosteneffektivität eines generellen Screeningprogramms weiter in Frage gestellt. Auf dieser Grundlage wird in Großbritannien ein Ultraschall-Screening nur für „high risk infants“ in der 6. Lebenswoche empfohlen [7].

In einer wissenschaftlichen Gegendarstellung wurden allerdings bei einem Großteil (85,3 %) der klinisch symptomatischen Hüftbefunde die geforderten Risikokriterien für eine Empfehlung zur selektiven Hüftultraschalluntersuchung nicht erfüllt [8].

In diesem Spannungsfeld wurde das generelle Hüft-Screening-Programm bei Neugeborenen durch die Orthopädie im LKH-Salzburg ab 1984 aufgebaut und 1988 institutionalisiert (das Landeskrankenhaus Salzburg ist seit 2003 Universitätsklinik für Orthopädie der PMU-Salzburg). Die Abteilung für Orthopädie in Salzburg zählt damit zu den Vorreitern der Hüftsonografie bei Neugeborenen. Die Behandlungskontinuität wurde durch den leitenden Arzt während des gesamten Untersuchungszeitraums gewährleistet und folgt dabei konsequent den Empfehlungen von Prof. Graf [2].

In den letzten Jahren gibt es zunehmende Einflüsse auf die Kontinuität des Screening-Programms, die einer näheren Betrachtung bedürfen, da sich erste Einflüsse auf die Behandlungsergebnisse abzeichnen. Die Schaffung des neuen Fachs „Orthopädie und Traumatologie“ führt zusätzlich zu einer gravierenden Veränderung organisatorischer Strukturen in Österreich, die nicht ohne Einfluss auf das Neugeborenen-Screening-Programm bleiben wird. Unter diesem Blickwinkel ist aktuell ein guter Zeitpunkt, die erreichten Ergebnisse kritisch zu betrachten und eine Basis für die Zukunft zu schaffen.

Methode

In dieser retrospektiven Studie werden zuerst die vorliegenden Arbeiten von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Dorn aus dem LKH-Salzburg weitergeführt und damit die konservativ (1988–2015) und operativ (1960–2015) durchgeführten Hüftdysplasiebehandlungen von Neugeborenen zusammengefasst [9, 10]. Die konservativen Behandlungszahlen werden nach einer 4-jährigen Einführungsphase damit ab der Institutionalisierung des Neugeborenen-Screenings (1988) bei 67.500 Geburten im LKH-Salzburg lückenlos dargestellt. Bei den operativ notwendigen Hüftrepositionen bei Säuglingen werden die Zahlen vor der Einführung des Neugeborenen-Screenings (1969–1989) mit den Ergebnissen nach der Etablierung des Screening-Programms (2000–2015) verglichen. Diese Darstellung ist notwendig, da die vorliegenden Daten des operativen Vorgehens zwischen 1990 und 2000 einige Lücken aufweisen. Des Weiteren werden die radiologischen Behandlungsergebnisse am Pfannendachwinkel nach Hilgenreiner (Azetabularindex – AC-Winkel) und Center-edge- (CE)-Winkel nach Steh- und Gehbeginn der letzten 10 Jahre aufgezeigt [11]. Die Ergebnisse werden in Beziehung zu den Normalwerten des Hüftgelenks und ihrer Abweichungsgrade (Klassifizierungssystem des Arbeitskreises für Hüftdysplasie der DGOT) gestellt [12]. Patienten mit syndromalen Veränderungen oder neuromuskulären Erkrankungen und Patienten von außerhalb des Einzugsgebiets vom LKH-Salzburg sind exkludiert.

Die aktuelle Entwicklung von Strukturveränderungen wird durch den Vergleich der Geburten im LKH-Salzburg mit der Anzahl der durchgeführten Hüftsonografien dargelegt (2008–2015). Durch die Zuweisungszahlen, Befragung von beteiligten Berufsgruppen im Krankenhaus (Orthopäden, Kinderärzte und Pflege) werden mögliche Ursachen für den Strukturwandel erhoben.

Im Sinne einer Anmerkung wird auch noch eine in den letzten Monaten (außerhalb des Untersuchungszeitraums) beobachtete Häufung von Behandlungsfällen aufgezeigt.

Die erhobenen Informationen werden als Ausgangspunkt für die zukünftige Entwicklung des sonografischen Screenings der Neugeborenenhüfte unter der Schirmherrschaft des neuen Fachs „Orthopädie und Traumatologie“ in Österreich zur Diskussion gestellt.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse
aus dem LKH-Salzburg

In einer ersten Veröffentlichung der Salzburger Daten des sonografischen Screenings der Neugeborenenhüfte aus dem Jahr 1987 wurden 3047 Neugeborene nachuntersucht. Dabei wurde bei 1,43 % eine Hüftdysplasie ? IIc nach Graf diagnostiziert. Bei 0,57 % wurde gleichzeitig eine klinische Pathologie der Hüftdysplasie dokumentiert, während bei 0,86 % der untersuchten Hüften – das sind 60,14 % aller Patienten mit sonografisch pathologischer Hüfte – keine klinischen Zeichen gefunden wurden. In der Schlussfolgerung wird festgehalten, dass nur mit Hilfe der Sonografie in diesen Fällen die Hüftdysplasie diagnostiziert werden konnte [9].

In einer weiteren Untersuchung von 1990 werden bereits 8221 Neugeborene nachuntersucht. Der Hüfttyp I wird bei 72,52 % und der Typ IIa bei 25,64 % diagnostiziert. Bei 1,84 % der Patienten wird eine Hüftdysplasie Typ ? IIc diagnostiziert, wobei sich nur bei zwei Drittel davon auch klinische Zeichen einer Hüftdysplasie finden lassen [10].

In beiden Studien wird zusammengefasst, dass die Sonografie der klinischen Untersuchung weit überlegen ist. Entsprechend der aufgezeichneten Befunde geht die klinische Diagnostik der Hüftdysplasie bei Neugeborenen zunehmend verloren. Kaum mehr werden in den Befunden die klinischen Zeichen nachvollziehbar dokumentiert.

Aktuell erhobene retrospektive
Daten aus dem LKH-Salzburg

Im Untersuchungszeitraum der letzten 15 Jahre (2000–2015) konnte nach Durchführung der Neugeborenen-Sonografie bei 96,4 % (n–564) aller Hüftdysplasien (Graf Typ IIc bis III) durch konservative Behandlungsmaßnahmen mittels Pavlik-Bandage eine Normalisierung der Hüftgeometrie nach sonografischen Kriterien erreicht werden (in wenigen Ausnahmen wurde wegen Complianceproblemen ein Fettweisgips angelegt).

Bei 3,6 % n–21 wurde eine luxierte Hüfte (Graf Typ IV) diagnostiziert. Durch konservative Maßnahmen mittels Fettweisgips-Anlage und nachfolgender Pavlik-Bandage konnte die Reposition und Ausheilung erreicht werden. Nur bei 10 Patienten wurde eine offene operative Hüftreposition notwendig.

Bei Institutionalisierung des sonografischen Screenings der Neugeborenenhüfte im LKH-Salzburg ab 1988 wurden anfänglich sehr hohe Behandlungszahlen von über 140 Patienten pro Jahr auffällig. Diese Jahreswerte nahmen rasch ab und bewegen sich seit vielen Jahren auf einem konstanten Niveau von 30–40 Behandlungen pro Jahr mittels Pavlik-Bandage bei einer Geburtenrate von ungefähr 2500 Kindern pro Jahr im LKH-Salzburg. Es sind damit 1402 Pavlik-Bandagen-Behandlungen dokumentiert (bei < 5 % kam eine Graf-Mittelmeier-Bandage zur Anwendung) (Abb. 1–2).

Die radiologischen Behandlungsergebnisse nach Steh- und Gehbeginn (Kontrolluntersuchung mit 21,6 Lebensmonaten) der konservativen Maßnahmen (Pavlik-Bandage/Fettweisgips) der letzten 10 Jahre zeigen einen Pfannendachwinkel nach Hilgenreiner (Azetabularindex – AC-Winkel) von rechts 23,7° und links von 23,8°. Der Center-edge (CE)-Winkel beträgt rechts 15,4° und links 14,0° (n–174) [11]. Entsprechend der Tabelle nach Tönnis ist damit zu diesem Zeitpunkt eine leichte Dysplasie weiterhin gegeben [12]. Es ist dabei darauf hinzuweisen, dass in dieser Gruppe alle Patienten nach einer geschlossenen und offenen Hüftreposition inkludiert sind.

Für die genannten Behandlungsergebnisse war eine Fettweisgips-Behandlung von 1,9 Monaten (n–24) und eine Pavlik-Bandagen-Anwendung von 2,2 Monaten (n–250) notwendig (Abb. 3, Abb. 5).

Durch die Einführung der Hüftsonografie wurde die Anzahl der notwendigen offenen (operativen) Hüftrepositionen bei angeborener Hüftluxation in den letzten 15 Jahren auf 1,7 % (n–10) der angeborenen Hüftdysplasien (Graf Typ ? IIc) gesenkt. Wurde vor der Einführung der Hüftsonografie (1960–1979) pro Jahr im LKH-Salzburg noch bei 4,4 Patienten pro Jahr eine offene Hüftreposition notwendig, so zeigt sich mit der Einführung der Hüftsonografie (1980– 1989) bereits eine Reduktion auf 3,5 Patienten pro Jahr [9, 10]. Die Daten für den Zeitraum von 1990–2000 konnten nicht vollständig erhoben werden und werden deshalb nicht dargestellt.

Alle verfügbaren Informationen unterstützen die aufgezeigte Entwicklung der Reduktion notwendiger operativer Behandlungen. In den letzten 15 Jahren (2002–2015) wurde insgesamt nur bei 10 Patienten (0,4 Patienten/Jahr) eine offene Hüftreposition notwendig. Alle weiteren Patienten konnten durch konservative Maßnahmen zur Ausheilung gebracht werden (n–575) (Abb. 4).

Außeneinflüsse auf das
sonografische Screening
der Neugeborenhüfte

Die zunehmende Anzahl der ambulanten Geburten entzieht Neugeborene der orthopädischen Grunduntersuchung im LKH-Salzburg. Die verpflichtende Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ermöglicht zurzeit nur noch an 4 Tagen pro Woche die Untersuchung zum vereinbarten Zeitpunkt. Neue Pflegerichtlinien zur Verbesserung der Mutter-Kind-Beziehung mit der Vorstellung der Neugeborenen erst ab dem 3. Lebenstag verhindern, bei einer durchschnittlichen stationären Verweildauer von 2,6 Tagen, eine lückenlose orthopädische Untersuchung.

Nach vielen Jahren der konsequenten Untersuchung aller Neugeborenen durch die Orthopäden zeigt ein Abgleich der Neugeborenen-Sonografiedaten bei den Geburten von 2015 eine fehlende orthopädische Neugeborenenuntersuchung von 36 % im LKH-Salzburg.

Eine Anfrage der GKK (Gebietskrankenkasse) wegen vermehrter Abrechnungen von Neugeborenuntersuchungen im ambulanten Bereich bestätigt diesen Trend. Diese Anfrage weist aber darauf hin, dass die Neugeborenen das Untersuchungsangebot im ambulanten Bereich erhalten.

Ein großer Anteil der Neugeborenen wird dabei von den Kinderärzten im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung untersucht. Die aktuellen Zuweisungen aus dem ambulanten Bereich mit der Diagnose „Hüftdysplasie“ stammen daher zunehmend von den Kinderärzten. Aussagekräftige Zahlen dazu liegen noch nicht vor, da dieser Trend in den letzten 3 Jahren schleichend eingesetzt hat.

Die Anzahl der zu behandelnden kongenitalen Hüftdysplasien lässt noch keinen Rückschluss auf die neue Entwicklung zu (Abb. 1). Eine mehrmonatig verzögerte Diagnostizierung einer luxierten Hüfte wurde im letzten Jahr einmal zur Behandlung aus dem ambulanten Bereich vorgestellt. Eine verzögerte Patientenvorstellung (> 6. Lebenswoche) mit der Diagnose „Hüftdysplasie“ (Graf Typ IIc bis III) oder einer insuffizienten Vorbehandlung wird in Einzelfällen registriert. In der eigenen Behandlungsstatistik der letzten 8 Jahre folgt die Reduktion der Neugeborenen-Sonografie im Krankenhaus dem Trend einer reduzierten Hüftdysplasiebehandlung trotz leicht steigender Anzahl von Geburten (Abb 1–2). Eine Aussage zu den verbleibenden 36 % der nicht im Krankenhaus untersuchten Neugeborenen ist mit den bisher vorliegenden Daten nicht möglich.

Ein Abweichen vom bisherigen Standard mit verzögerter Erstuntersuchung ist zu beobachten und wir nähern uns damit dem Vorgehen in Ländern, die eine Untersuchung erst ab der 6. Lebenswoche fordern [7, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20].

Aktuelle Besonderheit

Die aktuellsten Behandlungsdaten der ersten 3 Monate vom Jahr 2016 (nicht Teil der vorherigen Behandlungsstatistik) stellen eine besondere Situation dar, die einer näheren Betrachtung bedarf:

Innerhalb weniger Wochen wurden 6 Säuglinge mit einer instabilen Hüfte (n–3) oder Hüftluxation (n–3) (Graf Typ III b und IV) vorgestellt, die einer Overheadextension bedürfen. Von den 6 Patienten ist ein Patient aus einem anderen Bundesland, und bei einem Patienten wurde bereits in der Pränataldiagnostik die Verdachtsdiagnose der Arthrogrypose gestellt, die sich später bestätigte. Ein weiterer Patient zeigt neben der kongenitalen Hüftluxation auch einen Klumpfuß bds.. Eine vergleichbare Häufung von notwendigen Overheadextensionen wurde bisher nicht beobachtet. Nur auf einem vorliegenden Foto von 1978 sind 3 Kinder gleichzeitig mit einer Overheadbehandlung abgebildet. Hinweise auf eine Gemeinsamkeit für diese Häufung liegen bisher nicht vor.

Diskussion

Die Einführung der Neugeborenen-Sonografie der Hüfte hat zu einer anfänglichen Übertherapie geführt. Dies lässt sich aus den Zahlen der pro Jahr durchgeführten Behandlungen mit Pavlik-Bandagen ablesen (Abb. 1). Es kam aber rasch zu einer „Normalisierung“ der Behandlungszahlen, die sich über viele Jahre konstant nachvollziehen lässt.

Parallel dazu hat die Anzahl der notwendigen operativen Hüftrepositionen drastisch abgenommen. Ein Hinweis auf signifikante Abwanderungen oder Zuwanderungen von Patienten konnte nicht beobachtet werden.

Nachdem ab 2000 wieder alle geschlossenen und offenen Hüftrepositionen komplett erhoben werden konnten, repräsentieren diese Daten die Ergebnisse einer konsequenten Neugeborenensonografie. Diese massive Reduktion an operativen Hüftrepositionen wurde vom Erstautor dieses Beitrags bereits an der Universitätsklinik in Innsbruck beobachtet und unter dem Aspekt der Kosteneffektivität als Coautor veröffentlicht [4].

Welche Auswirkungen die Verschiebung des Neugeborenen-Screening-Programms der Hüfte von der Klinik in den ambulanten Bereich nach sich zieht, kann derzeit trotz der aufgezeigten Fälle nicht beurteilt werden.

Es zeigt sich eine kontinuierliche Reduktion der Behandlungszahlen im LKH-Salzburg bei leicht steigenden Geburtenraten und es bleibt zu hoffen, dass die notwendigen Behandlungen im ambulanten Bereich konsequent und qualitativ durchgeführt werden.

Die aktuellsten Ergebnisse von 2016, die nicht mehr in der dargestellten Statistik aufscheinen, zeigen eine bisher nie beobachtete Häufung an notwendigen Overhead-Extensionen. Bei diesen Patienten kann aber kein Versagen des Abklärungsalgorithmus angeschuldigt werden. Auch wenn die ersten Fälle mit verzögertem Therapiebeginn bei fehlendem Neugeborenen-Screening im Krankenhaus bereits behandelt werden.

Statement: Es darf festgestellt werden, dass die Neugeborenensonografie der Hüfte zu einer verbesserten Behandlung der angeborenen Hüftdysplasie im Neugeborenenalter geführt hat. Diese Erfahrung und das gewonnene Wissen haben aber auch zu einer differenzierten Diagnostik der dysplastischen Hüfte im Erwachsenenalter geführt und in einer vermehrten operativen Korrektur der Hüftgeometrie gemündet.

In den letzten Jahren rücken
PINCER- und CAM-Impingement in das Zentrum des Interesses bei der Behandlung der Hüfte. Vielleicht ist es nur ein eigenes Thema einer jungen Orthopädengeneration, die neue Schwerpunkte für sich sucht und findet, da das Thema der Hüftdysplasie im Behandlungsalgorithmus und der wissenschaftlichen Aufarbeitung zum Standard geworden ist. Diese Hinwendung zu einem neuen Thema sollte die erreichten Erfolge der Hüftdysplasiebehandlung nicht gefährden.

Den aufgezeigten ersten Ansätzen, die aus organisatorischen Überlegungen das Thema der Hüftdysplasie in den Hintergrund drängen, ist daher entschieden entgegen zu wirken.

Zusammenfassung

Bei der Neugeborenen-Sonografie der Hüfte gehörte das LKH-Salzburg ab 1984 zu den Vorreitern. Sehr rasch wurde 1988 die lückenlose Neugeborenen-Untersuchung standardisiert und flächendeckend durch die Orthopäden eingeführt. Dieses flächendeckende Untersuchungsangebot im Spital wird nun nach etwa 67.500 Patienten und 1402 Behandlungen sukzessive durch Außeneinflüsse verlassen und die Untersuchung in den ambulanten Bereich verlagert. Die Verringerung der stationären Aufenthaltsdauer, Triage der ärztlichen Tätigkeiten und der Entwicklung neuer Schwerpunkte bei der Betreuung von Neugeborenen ist dafür verantwortlich. Der zu beobachtenden Reduktion der Untersuchungszahlen im Krankenhaus von 36 % muss ein besonderes Augenmerk geschenkt werden, da erste Einzelfälle mit Verzögerung im Behandlungsalgorithmus beobachtet wurden. Der hohe Standardisierungsgrad der Hüftdysplasiebehandlung hat die notwendigen operativen Behandlungen erfolgreich auf 0,4 operative Eingriffe pro Jahr reduziert. Wenn sich nun die junge Orthopädengeneration neuen Themen wie dem Hüftimpingement zuwendet, so sollte dies als eine Wissens- und Behandlungserweiterung und nicht als Abkehr von einem erfolgreich abgeschlossenen Thema gesehen werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. Franz Landauer

SALK

Universitätsklinik für Orthopädie der PMU

Müllner Hauptstraße 48

A-5020 Salzburg

f.landauer@salk.at

Literatur

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11. Tschauner C: Die Hüfte. Stuttgart: Enke Verlag, 1997

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20. Kolb A, Windhager R, Chiari C: Kongenitale Hüftdysplasie, Screening und Therapie. Orthopäde. 2015; 44: 917–926

Fussnoten

* Herrn Univ. Prof. Dr. Ulrich Dorn als emeritiertem Leiter der Universitätsklinik für Orthopädie der PMU in Salzburg und seinem Vorgänger Herrn Univ.-Prof. Dr. Hanns Hofer wird für ihre vorausschauende Weitsicht und Einführung des Neugeborenen-Screenings in Salzburg und den vorliegenden Dokumentationsarbeiten gedankt.

1 SALK, Universitätsklinik für Orthopädie der PMU, Salzburg, Österreich

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