Originalarbeiten - OUP 03/2021

Patientenerwartungen bei Inanspruchnahme der multimodalen Schmerztherapie
Eine Befragung in der Orthopädischen Klinik Bad Staffelstein

Karin Meißner, Helena Gaber, Svenja Gallasch, Andrea Grabenbauer, Carina Güttler, Celine Jank,
Michaela Ott, Stefan Middeldorf

Zusammenfassung:
Ziel dieser Untersuchung war es, die Erwartungen und Erfahrungen von Patienten mit chronischen Schmerzen zu erheben, die sich einer 10-tägigen multimodalen Schmerztherapie (MMST) unterzogen. Hierzu wurden 18 Patienten der Orthopädischen Klinik Bad Staffelstein zu Beginn und am Ende der MMST mit halbstandardisierten Fragebögen interviewt. Zusätzlich wurden 6 Therapeuten zu ihren Erfahrungen mit den Erwartungen der Schmerzpatienten befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Patienten ihre höchsten Erwartungen bezüglich Schmerzreduktion in Ärzte und Physiotherapeuten setzten. Am Ende der MMST waren die Erwartungen von 12 Patienten (66 %) erfüllt und von 6 Patienten (33 %) nicht erfüllt. Im Durchschnitt reduzierten sich die Schmerzen während des Klinikaufenthalts signifikant, jedoch weniger als erwartet. Zudem nahmen die Lebensqualität und die selbsteingeschätzte Gesundheit während der MMST signifikant zu, die Mobilität blieb unverändert. Vier von 6 Therapeuten beurteilten die Erwartungen der Patienten an die MMST als realistisch. Überhöhte Erwartungen würden aus ihrer Erfahrung jedoch zu Enttäuschungen führen und den Behandlungserfolg gefährden. Gezielte Vorab-Informationen der Patienten zur MMST könnten dazu beitragen, eine realistische Erwartungshaltung zu fördern und somit den Behandlungserfolg zu optimieren.

Schlüsselwörter:
Chronische Schmerzen, Lebensqualität, multimodale Schmerztherapie, Patientenerwartungen, Outcome

Zitierweise:
Meißner K, Gaber H, Gallasch S, Grabenbauer A, Güttler C, Jank C, Ott M, Middeldorf S.
Patientenerwartungen bei Inanspruchnahme der multimodalen Schmerztherapie.
OUP 2021; 10: 0133–0138 DOI 10.3238/oup.2021.0133–0138

Summary: The aim of this investigation was to assess the expectations and experiences of chronic pain patients in relation to multimodal pain therapy (MMST). Nineteen patients from the Orthopedic Clinic in Bad Staffelstein were interviewed at the beginning and the end of the MMST using semi-standardized questionnaires. In addition, 6 therapists were asked about their experiences with the patients’ expectations. The results show that patients put high expectations in doctors and physiotherapists. At the end of the MMST, the expectations of 6 patients (66 %) were met, while 3 patients (33 %) felt disappointed. On average, pain decreased significantly during the hospital stay, but not as much as expected. Quality of life and general health improved significantly, while perceived mobility remained stable. Four out of 6 therapists stated that the patients‘ expectations towards the MMST were realistic. Unrealistic high expectations regarding pain reduction, however, would lead to disappointment and thus reduce the success of the treatment. Information prior to therapy could optimize the success of MMST by promoting realistic expectations.

Keywords: chronic pain, quality of life, multimodal pain therapy, patient expectations, outcome

Citation: Meißner K, Gaber H, Gallasch S, Grabenbauer A, Güttler C, Jank C, Ott M, Middeldorf S. Patient expectations and their experiences participating in a multimodal pain therapy program.
OUP 2021; 10: 0133–0138 DOI 10.3238/oup.2021.0133–0138

Karin Meißner, Helena Gaber, Svenja Gallasch, Andrea Grabenbauer, Carina Güttler, Celine Jank, Michaela Ott: Hochschule Coburg, Fachbereich Integrative
Gesundheitsförderung, Coburg

Stefan Middeldorf: Schön Klinik Bad Staffelstein, Fachzentrum Orthopädie, Bad Staffelstein

Einleitung

Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (MMST) gilt als Goldstandard zur Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen. Alle Behandlungen der eingebundenen medizinischen Disziplinen sind sowohl inhaltlich als auch zeitlich aufeinander abgestimmt und verfolgen neben der Schmerzreduktion das gemeinsame Ziel der Wiederherstellung der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeit sowie die Stärkung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls der Patienten. Das Therapeutenteam besteht aus Ärzten, Psychologen, Ergo-, Moto- und Physiotherapeuten, welche die Patienten in Einzel- oder Gruppentherapie (maximal 8 Personen) ressourcenorientiert behandeln. Zusätzlich stehen speziell geschulte Pflegekräfte als Ansprechpartner zur Verfügung [2, 3].

In der Orthopädischen Klinik Bad Staffelstein werden seit Dezember 2018 erstmals 8 Therapieplätze für MMST angeboten. Das Ziel dieser Studie war es, die Erwartungen der Patienten gegenüber der MSST zu Beginn der Behandlung zu erfassen und mit den Erfahrungen am Ende der Therapie abzugleichen. Zudem wurden 6 Therapeuten allgemein zu den Erwartungen der Patienten gegenüber der MMST befragt.

Methoden

Für die vorliegende Erhebung wurden in der Orthopädischen Abteilung der Schön Klinik Bad Staffelstein 19 neu aufgenommene chronische Schmerzpatienten und 6 Therapeuten rekrutiert. Die Befragungen wurden mit Hilfe von leitfadenorientierten Einzelinterviews durchgeführt. Die Patientenbefragungen wurden zu Beginn und zum Abschluss der 10-tägigen stationären Therapie durchgeführt, die Therapeuten wurden einmalig befragt.

Zu Therapiebeginn wurden von den Patienten soziodemographische Daten erhoben sowie eine Schmerzanamnese durchgeführt. Zudem sollten die Patienten ihre Lebensqualität, den allgemeinen Gesundheitszustand und ihre Mobilität einschätzen sowie Angaben zu ihren Vorinformationen und Erwartungen bezüglich der MMST machen. Am Ende der Therapie sollten die Patienten erneut Schmerzen, Lebensqualität, allgemeinen Gesundheitszustand und Mobilität einschätzen sowie die Therapieinhalte und Erfahrungen mit der MMST bewerten. Die Therapeuten wurden allgemein zu den Erwartungen der Patienten bezüglich der MMST sowie zum Behandlungserfolg befragt. Teile des Leitfadeninterviews wurden in Anlehnung an publizierte Fragensets zur Erhebung von Schmerzen [7], Lebensqualität [1] und Patientenzufriedenheit [6] konzipiert. Zur Erfassung der aktuellen Schmerzen wurden 11-stufige numerisch Ratingskalen (NRS) verwendet, wobei 0 „kein Schmerz“ und 10 „stärkster vorstellbarer Schmerz“ bedeutete. Auch zur Einschätzung der Lebensqualität, des allgemeinen Gesundheitszustands, der Mobilität, der erwarteten Schmerzen nach MSST, der positiven Einstellung gegenüber der MMST, der Zuversicht auf Besserung sowie der Bedeutung aktiver und passiver Maßnahmen zum Einsatz kamen 11-stufige NRS zum Einsatz.

Zur deskriptiven Darstellung der Ergebnisse werden Mittelwerte und Standardabweichungen berichtet. An statistischen Tests wurden aufgrund der kleinen Fallzahl nicht-parametrische Verfahren eingesetzt: Bei abhängigen Stichproben wurde der Wilcoxon-Test durchgeführt, Zusammenhänge zwischen Variablen wurden mit Hilfe der Spearman-Korrelation auf Signifikanz getestet. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgelegt. Die statistische Auswertung erfolgte mit IBM SPSS Statistics 25.

Ergebnisse

Von 19 Patientenbefragungen konnten 18 Datensätze in die Analyse mit einbezogen werden (die Befragung eines Patienten mit kognitiven Einschränkungen wurde ausgeschlossen). Die Ergebnisse von allen 6 Therapeuten-Befragungen konnten genutzt werden.

Patientenbefragungen vor und nach Therapie

Die befragten Patienten (12 Frauen, 6 Männer) waren zwischen 44 und 91 Jahre alt, das Durchschnittsalter betrug 60 (± 13 SD) Jahre. Die Mehrzahl der Patienten war verheiratet und verfügte über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die Hälfte der Patienten war erwerbstätig (Tab. 1).

Die Mehrzahl der Patienten litt unter chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule (n = 12) sowie an der Hüfte (n = 7) und den Kniegelenken (n = 6). Elf Patienten (61 %) litten bereits länger als 5 Jahre an den Schmerzen. Die bisherige Schmerzbehandlung erfolgte mit Medikamenten und Physiotherapie (n = 17; 94,4 %), Massagen und Wasseranwendungen (n = 11; 61,1 %), Operationen (n = 8; 44,4 %), Psychotherapie (n = 6; 33,3 %), Entspannungsverfahren (n = 4; 22,2 %) und Strahlentherapie (n = 1; 5,6 %). Zehn Patienten (55,6 %) hatten schon einmal eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt.

Als Gründe für die Inanspruchnahme der MMST führten 12 Patienten (66,7 %) an, aus eigenem Antrieb teilzunehmen, 10 Patienten (55,6 %) auf ärztlichen Rat, 2 Patienten (11,1 %) auf Rat von Angehörigen und 1 Patient (1 %) auf Empfehlung des Versicherungsträgers. Vierzehn Patienten (77,8 %) gaben an, sich vorab über die MMST informiert zu haben. Dies geschah vor allem über das Internet, aber auch durch Fachärzte.

Auf die Frage nach den allgemeinen Erwartungen bezüglich der MMST gaben 14 Patienten Schmerzreduktion und Mobilitätsverbesserung an, 4 Patienten wollten die Ursache für ihre Schmerzen herausfinden und 3 Patienten erhofften sich einen verbesserten Umgang mit den Schmerzen. Die Einstellung der Patienten gegenüber der MMST (NRS 0–10) war im Durchschnitt sehr positiv (9,6 ± 0,9 SD Punkte) und die Patienten waren zuversichtlich, dass die von ihnen erhoffte Verbesserung durch die MMST auch eintreten würde (7,5 ± 1,6 SD Punkte auf NRS 0–10).

Die Befragung am Ende der MMST ergab, dass sich die Erwartungen an die Therapie für 11 Patienten erfüllt und für 6 Patienten nicht erfüllt hatten. Als häufigsten Grund bei Nichterfüllen der Erwartungen gaben die Patienten an, dass die erhoffte Schmerzreduktion nicht eingetreten sei.

Die durchschnittliche Schmerzstärke (NRS 0–10) war von 6,6 ± 2,0 SD Punkten zu Beginn der Therapie auf 4,5 ± 1,7 SD Punkte am Ende der Therapie gesunken (Abb. 1), die Schmerzabnahme war signifikant (Z = –2,873, p = 0,004). Die tatsächliche Schmerzstärke am Ende der MMST lag signifikant über der zu Beginn erwarteten Schmerzstärke (Z = –2,089, p = 0,037).

Die globale Lebensqualität (NRS 0–10) bewerteten die Patienten zu Therapiebeginn im Durchschnitt mit 5,3 ± 2,6 SD Punkten und am Ende mit 6,6 ± 1,8 SD Punkten. Die Zunahme der Lebensqualität während der Behandlung war signifikant (Z = –2,46, p= 0,014). Auch der selbst eingeschätzte Gesundheitszustand (NRS 0–10) nahm signifikant von 4,6 ± 1,9 SD Punkten auf 5,8 ± 1,7 SD Punkte zu (Z = –2,412, p = 0,016). Die Mobilität (NRS 0–10) stieg im Behandlungszeitraum nicht signifikant an (5,5 ± 2,3 SD vor Therapie vs. 6,1 ± 1,6 SD nach Therapie; Z = –1,533, p = 0,121).

Je zuversichtlicher die Patienten dem Therapieerfolg zu Beginn der MMST gegenüberstanden waren, desto geringer waren die Schmerzen am Ende der MMST (rs = –0,541, p = 0,025) und desto besser waren auch die Lebensqualität (rs = 0,837, p < 0,001) und der selbsteingeschätzte Gesundheitszustand (rs = 0,596, p = 0,015). Die Zuversicht zeigte keinen signifikanten Zusammenhang mit der Mobilität am Ende der MMST (rs = –0,228, p = 0,380).

Regelmäßigen Sport oder moderate Bewegung führten zu Therapiebeginn 13 Patienten (72,2 %) durch, während 5 Patienten angaben, aufgrund der Schmerzen oder aus Angst vor Stürzen keine regelmäßige Bewegung durchführen zu können. Nach der Therapie gaben 12 Patienten (67 %) an, sich nun in Bezug auf aktive Bewegungen mehr zuzutrauen als vor dem Klinikaufenthalt: Mobilität und Muskelkraft seien verbessert, ihre Sicherheit sei gestiegen und die MMST habe ihre Eigenständigkeit gefördert. Die eingeschätzte Bedeutung aktiver Maßnahmen (NRS 0–10) wurde am Ende der MSST mit durchschnittlich 8,8 (1,5 SD) Punkten bewertet und war dabei vergleichbar mit der eingeschätzten Bedeutung passiver Maßnahmen (NRS 0–10) mit 8,9 (SD 1,5) Punkten. Aus Sicht der Patienten würden auch passive Maßnahmen ergänzend zur Medikation und zu den aktivierenden Maßnahmen erheblich zur Schmerzlinderung und zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen. Die Muskulatur könne so gelockert und stimuliert werden.

In Tabelle 2 ist der zu Beginn der Therapie erhoffte Nutzen von den Berufsgruppen dem eingeschätzten Nutzen am Ende der Therapie gegenübergestellt. Von den Pflegekräften erhofften sich die Patienten zu Beginn der MMST vor allem Informationen zur Therapie und wünschten sie sich als „freundliche“ und „verständnisvolle“ Ansprechpartner für die Begleitung während des Aufenthaltes. Von der Physiotherapie erhofften sie sich primär Schmerzminderung (n=5), Tipps und neue Maßnahmen (n=4), „mobiler zu werden“ (n=3), eine Diagnose der Schmerzen (n=2) sowie die Verbesserung der Alltagsbewältigung. Von der Psychotherapie erwarteten 2 Patienten psychologische Unterstützung und 3 Patienten gaben an, keine konkreten Erwartungen zu haben, da der Aufenthalt nach eigenen Aussagen zu kurz für eine Psychotherapie sei; bzw. keine psychischen Leiden vorlägen. Von den Ärzten erhofften sich die Patienten eine Diagnose der Schmerzen (n = 2) und eine entsprechende Therapieeinleitung (n = 2) sowie allgemein eine gute Versorgung, um dadurch mobiler zu werden und so die Lebensqualität zu erhöhen und den Alltag besser bewältigen zu können. Dabei war es den Patienten wichtig, „ernst genommen“ zu werden und eine optimale Medikation sowie Ratschläge für den Umgang mit den Schmerzen zu erhalten. Bei keiner der 4 Berufsgruppen konnte ein signifikanter Unterschied zwischen dem erhofften und dem tatsächlichen Nutzen festgestellt werden (Wilcoxon Test, alle p-Werte > 0,05).

Alle 18 Patienten gaben an, dass sie während ihres Aufenthaltes Therapieformen kennenlernten, die sie zuhause weiterführen würden, z. B. Entspannungstechniken, Wassergymnastik, TENS und Psychotherapie. Vorteile der MMST sahen die Patienten vor allem im guten Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen. Als einziger Nachteil wurde der damit einhergehende „Termin-Stress“ genannt. Verbesserungsvorschläge hierzu sahen die Patienten im Zeitmanagement und in einer individuellen Modifikation des Therapieplans.

Zwölf Patienten (66,7 %) gaben an, dass sich die Informationen, die sie zu Beginn des Klinikaufenthalts zu den Inhalten der MMST erhalten hatten, mit den tatsächlichen Angeboten der Schön Klinik deckten. Sechs Patienten (33,3 %) verneinten diese Frage. Gefragt nach den Gründen, war die häufigste Antwort, dass die erhoffte Schmerzreduktion nicht eingetreten war. Um sich besser auf die Therapie einstellen zu können, hätten sich 8 Patienten (44,4 %) mehr Vorabinformationen seitens der Klinik zu den Therapieinhalten gewünscht.

Alle 18 befragten Patienten waren der Meinung, dass die Teilnahme an der MMST für sie die richtige Entscheidung gewesen sei. Besonders gut bewerteten sie den interdisziplinären Ansatz und den damit verbundenen Therapieerfolg sowie den Austausch mit anderen betroffenen Schmerzpatienten. Alle 18 Patienten würden die MMST auch weiterempfehlen.

Therapeutenbefragung

Vier der 6 befragten Therapeuten (67 %) schätzten die Erwartungen der Patienten an die Therapie als sehr konkret oder recht konkret ein. Vier Therapeuten (67 %) gaben außerdem an, dass die Patientenvorstellungen gut oder sehr gut mit den Therapiezielen übereinstimmen würden. Auf die Frage, ob die Patientenerwartungen aus Therapeutensicht erfüllt werden würden, antworteten zwei Therapeuten (33 %) mit „ja“ und 4 Therapeuten (67 %) mit „teilweise“. Drei der 6 befragten Therapeuten (50 %) waren der Ansicht, dass sich ein Nichterfüllen der Erwartungen negativ auf den Therapieerfolg auswirken würde.

Die Therapeuten schätzten den Erfolg der MMST als sehr gut bzw. gut ein. Als positiv wurden insbesondere die Interdisziplinarität und der Austausch und die Absprache zwischen den Fachbereichen hervorgehoben. Ebenso wurde als Vorteil genannt, in kurzer Zeit viele Therapieangebote realisieren zu können. Aus Therapeutensicht würde die MSST insbesondere einen großen Beitrag zur Schulung des Schmerzverständnisses (n = 3; 50 %), zur körperlichen Aktivierung (n = 3; 50 %), zur Steigerung der Lebensqualität (n = 2; 33 %) und zur Steigerung der Mobilität (n = 2; 33 %) leisten.

Interpretation

Die MMST wurde im Beobachtungszeitraum überwiegend von Patienten in mittlerem bis höherem Alter in Anspruch genommen. Die Mehrheit von ihnen (61,1 %) litt bereits seit mehreren Jahren an Schmerzen, die durch zahlreiche Maßnahmen und Behandlungsversuche (z.B. Operationen, Medikamente, Krankengymnastik) nicht nachhaltig gelindert werden konnten. Für viele Patienten war daher die MMST mit hohen Erwartungen verbunden und entsprach nicht selten einem „späten oder letzten hoffnungsvollen Versuch“, um eine Schmerzreduktion zu erlangen [5]. Die Schmerzen wurden während des Aufenthaltes um durchschnittlich 3,2 Punkte signifikant verbessert (Z = –2,87, p = 0,004), jedoch nicht ganz in dem von den Patienten erwarteten Ausmaß. Sechs Patienten (33 %) gaben am Ende der MSST explizit an, dass ihre Erwartungen an die Therapie nicht erfüllt worden seien. Nach Einschätzung der befragten Therapeuten würden sich insbesondere unrealistisch hohe Erwartungen an eine Schmerzreduktion negativ auf den Behandlungserfolg auswirken. Obwohl sich die meisten Patienten im Vorfeld selbst über die MMST informiert hatten, wünschte sich fast die Hälfte der Befragten Vorabinformationen von Seiten der Klinik. Diese wären hilfreich, um eine realistische Erwartungshaltung der Patienten zu generieren.

Die größte Erwartung der Patienten an die MMST lag in der Schmerzreduktion. Zudem hofften sie, die Schmerzursache herauszufinden, einen verbesserten Umgang mit den Schmerzen zu erlernen, ihre Mobilität zu steigern und ihre Medikation zu optimieren. Bemerkenswert waren ihre durchschnittlich sehr positive Einstellung gegenüber der MSST und ihre hohe Zuversicht, dass die erwarteten Besserungen auch eintreten würden. Je zuversichtlicher die Patienten hierbei waren, desto größer war die tatsächliche Schmerzreduktion während des Klinikaufenthalts. Dies könnte auf das höhere Selbstwirksamkeitserleben der zuversichtlicheren Patienten zurückzuführen sein [8]. Von Seiten der befragten Therapeuten wurde den Patienten im Durchschnitt eine hohe Therapiemotivation und Offenheit gegenüber Verhaltensänderungen bescheinigt. Diese Faktoren sind nach Arnold et al. [3] grundlegend für eine erfolgreiche Therapie.

Generell erwarteten sich die Patienten von allen beteiligten Berufsgruppen einen hohen Nutzen. Der größte Nutzen wurde hierbei in der ärztlichen Betreuung gesehen, gefolgt von Physiotherapie, Psychotherapie und zuletzt der Pflege. Die Pflege wurde von den Patienten als fürsorgliche Berufskraft eingeschätzt und zur Erlangung des Therapieziels als weniger relevant wahrgenommen. Dass der tatsächliche Nutzen durch die Pflege letztendlich etwas höher lag als von den Patienten angenommen, unterstreicht die Notwendigkeit eines gut ausgebildeten Pflegepersonals. Im Vergleich der 4 Berufsgruppen fiel der tatsächliche Nutzen der Psychotherapie am geringsten aus und lässt sich durch die von den Patienten vorab geäußerten Bedenken erklären. Demnach schätzten sie die Dauer des Aufenthaltes für eine gezielte erfolgreiche Psychotherapie als zu kurz ein oder sahen hierzu persönlich keinen Bedarf. Der hohe erhoffte Nutzen durch die Physiotherapie war fast deckungsgleich mit dem tatsächlichen Nutzen. Dies lässt sich durch die bereits im Vorfeld gemachten Erfahrungen mit dieser Maßnahme erklären, wodurch die Wirkung realistisch eingeschätzt werden konnte. Betrachtet man den tatsächlichen Nutzen der ärztlichen Betreuung, so fiel dieser etwas geringer aus als der erhoffte Nutzen. Das könnte mit den zu hohen Erwartungen der Patienten bezüglich der Schmerzreduktion zusammenhängen, da die Ärzte aus Patientensicht die Hauptverantwortlichen für den Therapieerfolg zu sein scheinen.

Hinsichtlich der körperlichen Aktivität gab etwa ein Drittel der befragten Patienten an, sich nach dem Aufenthalt in Bezug auf Bewegung mehr zuzutrauen als vorher. Hier könnte der aktivierende Therapieansatz eine große Rolle gespielt haben, da er der Förderung von Bewegung und des Vertrauens in den eigenen Körper dient. Obwohl die Behandlungsrichtlinien des Therapiekonzepts der MMST auf aktivierenden Maßnahmen basieren, empfanden die Befragten die passiven Maßnahmen als ebenso wichtig. Daher scheint es sinnvoll zu sein, passive Maßnahmen auch weiterhin als Ausgleich in die Behandlungspläne zu integrieren. Ein Großteil der Befragten erlebte auch die Gruppentherapien als bereichernde und wertvolle Möglichkeit für den Austausch mit anderen Betroffenen.

Einige Patienten beschrieben die für sie zusammengestellte, engmaschige Planung und Durchführung der Therapieabfolge als zu anstrengend. Dies spiegelte sich auch in den Aussagen der befragten Therapeuten wider. Mögliche Lösungsansätze könnten neben einer Verlängerung der Therapiedauer in einer Individualisierung des Therapieplans mit Erarbeitung konkreter Therapieziele [4] liegen.

Abschließend gaben alle Patienten an, dass die Teilnahme an der MMST die richtige Entscheidung für sie gewesen sei und sie diese auch weiterempfehlen würden. Hierin zeigte sich eine generelle Zufriedenheit der Patienten mit dieser ganzheitlichen Therapieform. Alle Befragten äußerten außerdem die Bereitschaft, mindestens eine Maßnahme der MMST zu Hause weiterzuführen, weshalb der MMST auch ein nachhaltiger Effekt zugeschrieben werden kann.

Limitationen

Ein limitierender Faktor dieser Arbeit liegt in der geringen Anzahl der befragten Patienten und Therapeuten. Des Weiteren beruhen die Ergebnisse auf subjektiven Einschätzungen der Patienten und Therapeuten. Eine Follow-Up-Untersuchung nach Beendigung der MMST wurde nicht durchgeführt.

Danksagung und weitere Informationen

Die Befragung war Teil eines studentischen Lehrprojekts (HG, SG, AG, CG, CJ und MO) des Bachelorstudiengangs „Integrative Gesundheitsförderung“ (B.Sc.) an der Hochschule Coburg. Das Projekt wurde unter Leitung von Prof. Dr. Karin Meißner in Kooperation mit dem Projektpartner Dr. Stefan Middeldorf (Chefarzt der Orthopädischen Klinik Bad Staffelstein) durchgeführt. Die Autoren danken Maria Langguth und Kira Langer für ihre Beiträge zum studentischen Lehrprojekt.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Karin Meißner

Hochschule Coburg

Fachbereich Integrative
Gesundheitsförderung

Friedrich-Streib-Str. 2

96450 Coburg

karin.meissner@hs-coburg.de

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