Übersichtsarbeiten - OUP 06/2022

Periprothetische Acetabulumfrakturen geriatrischer Patienten

Benjamin Buecking, Steffen Ruchholtz

Zusammenfassung:
Periprothetische Acetabulumfrakturen sind relativ seltene Frakturen. Insbesondere postoperative Frakturen betreffen zumeist geriatrische Patienten mit erheblichen Vorerkrankungen. Die komplexe Fraktur und die vulnerablen Patienten machen die Behandlung zu einer chirurgischen Herausforderung. Erfahrung in der Becken- und Acetabulumchirurgie sind ebenso essentiell wie in der Revisionsendoprothetik. Behandlungsziel beim geriatrischen Patienten ist, mit möglichst schonenden Verfahren eine belastungsstabile Situation zu schaffen. Bei fester Prothese kann unter Belassen der Prothese eine Osteosynthese erfolgen. Aufgrund der Frakturmorphologie kommen häufig minimal-invasive ventrale Zugangswege zum Einsatz. Bei gelockerter Prothese muss ein Wechsel der Pfanne erfolgen. Dazu stehen verschiedene Implantate zur Verfügung. Bei größeren Defekten kommen zunehmend Augmente aus Tantal zum Einsatz. Bei geriatrischen Patienten kann mit Hilfe eines Burch-Schneider-Rings (Cup-and-cage-Kontrukt) ggf. mit additiver Platte eine primär belastungsstabile Konstruktion geschaffen werden, von dem die Patienten profitieren. Falls möglich, sollten die Patienten aufgrund ihrer Komorbiditäten perioperativ geriatrisch mitbehandelt werden. Die Behandlungsergebnisse sind, gemessen an den komplexen Frakturen und komplexen Patienten, relativ gut.

Schlüsselwörter:
Acetabulumfraktur, periprothetische Fraktur, Altersfrakturen, Alterstraumatologie, Revisionsendoprothetik

Zitierweise:
Bücking B, Ruchholtz S: Periprothetische Acetabulumfrakturen geriatrischer Patienten
OUP 2022; 11: 263–268
DOI 10.53180/oup.2022.0263–0268

Abstract: Periprosthetic acetabular fractures are rare. Especially postoperative fracture occurs almost in geriatric patients with severe co-morbidities. These complex fracture patterns and the vulnerable patients make the treatment of periprosthetic acetabular fractures challenging. Surgeons need to be experienced in pelvic and acetabular surgery as well as in revision arthroplasty. Aim of the treatment of geriatric patient is to achieve a stable construct of the hip to allow full weight bearing with less invasive surgical procedures as possible. If the cup is stable, an internal fixation of the fracture with maintained cup is preferred. If the cup is loosed, it has to be changed. Several different implants are available. In case of severe bone loss augmentations e.g. with tantal coted augments are useful. In geriatric patients full weight bearing can be allowed with a Burch-Schneider-Ring construct (Cup-in-Cage-Construct) with an additional plate fixation if necessary. A geriatrician should be involved in the perioperative treatment if possible. Although patients and the fractures are complex, good outcomes could be achieved.

Keywords: Acetabular fracture, periphrostetic fracture, geriatric fracture, geriatric trauma, revision arthroplasty

Citation: Bücking B, Ruchholtz S: Periprosthetic acetabular fracture in geriatric patients
OUP 2022; 11: 263–268. DOI 10.53180/oup.2022.0263–0268

B. Bücking: Klinik für Unfallchirurgie, Klinikum Hochsauerland, Arnsberg

S. Ruchholtz: Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg

Einleitung

Allein in Deutschland wurden im Jahr 2021 über 230.000 Hüftendoprothesen implantiert [1]. Durch sehr hohe Standzeiten der Endoprothesen, eine stetig steigende Lebenserwartung der Menschen und einen zunehmenden Aktivitätsgrad, auch in höherem Alter erleiden zunehmend auch Patienten mit implantierter Hüft-TEP Unfälle.

Bei nicht voroperierten Patienten entstehen bei einem typischen Niedrigenergie-Unfall auf die Seite zumeist proximale Femurfrakturen wie Schenkelhalsfrakturen oder pertrochantäre Frakturen. Beckenringfrakturen und Acetabulumfrakturen sind bei diesen Patienten deutlich seltener. Es ist aber eine deutliche Zunahme, gerade älterer Patienten, mit Becken- und Acetabulumfrakturen in den letzten Jahren zu beobachten gewesen [2]. Nach implantierter Hüft-TEP kann auch bei einfachen Stürzen eine periprothetische Fraktur entstehen. Periprothetische Frakturen sind gemäß Registerdaten aus Schweden nach Luxationen und Implantatlockerung die dritthäufigste Ursache für einen Revisionseingriff nach Hüft-TEP-Implantation [3]. Dabei kommt es ca. zehnmal häufiger zu periprothetischen Femurfrakturen als zu periprothetischen Acetabulumfrakturen [4]. Insgesamt sind periprothetische Acetabulumfrakturen selten, sodass in der Literatur nur wenige kleine Fallserien veröffentlicht wurden [5]. Evidenzbasierte Therapieempfehlungen können somit nicht gegeben werden.

Ätiologisch können intraoperative Acetabulumfrakturen bei Implantation der Hüftpfanne von postoperativen Frakturen unterschieden werden.

Die Rate intraoperativer Acetabulumfrakturen wird mit 0,06–0,4 % angegeben. Es wird allerdings eine hohe Dunkelziffer von okkulten Frakturen bis zu 8,4–50 % angenommen, die im CT erkannt, aber klinisch unerkannt bleiben. Die Relevanz dieser okkulten Frakturen wird kontrovers diskutiert. Möglich ist ein Einfluss auf das Implantatüberleben, z.B. durch Migration der Pfanne [5].

Bei postoperativen Frakturen werden rein traumatische Frakturen und schleichende Frakturen im Sinne von Insuffizienzfrakturen, z.B. durch einen PE-Abrieb oder einen low-grade Infekt unterschieden.

Postoperative periprothetische Acetabulumfrakturen entstehen zumeist bei geriatrischen multimorbiden Patienten [6]. Aufgrund der Patientencharakteristika ist nicht nur die chirurgische Therapie eine Herausforderung, sondern auch das perioperative Management und die postoperative Behandlung bis zur Reintegration ins (häusliche) Umfeld.

MERKE: Häufig sind multimorbide geriatrische Patienten betroffen.

Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über die Klassifikation von periprothetischen Frakturen und deren (chirurgische) Therapiemöglichkeiten bieten.

Klinik und Diagnostik

Intraoperative Acetabulumfrakturen können leicht übersehen werden. Hinweise können ein „loss of resistence“ beim Einschlagen der Pfanne oder ein mangelndes Press Fit der Pfanne sein. Sollten Unregelmäßigkeiten beim Einbringen der Pfanne auftreten, ist zwingend eine BV-Untersuchung zu empfehlen [5]. Im Zweifelsfall sollte eine postoperative CT-Untersuchung erwogen werden.

Bei rein traumatischen Frakturen werden die Patienten häufig mit dem V.a. auf eine proximale Femurfraktur oder Beckenringfraktur zugewiesen. Ursache ist zumeist ein banaler Sturz auf die betroffene Seite. Bei Patienten mit Osteolysen entstehen teilweise auch schleichende Frakturen ohne Trauma und die Patienten stellen sich mit langsam zunehmenden Beschwerden in der Sprechstunde oder Klinik vor.

Anamnestisch sollten vorherige Beschwerden oder Hinweise für eine Implantatlockerung oder eine Protheseninfektion erfragt werden. Falls möglich, sollten auch ältere Röntgenbilder der Hüftprothese herangezogen werden.

MERKE: Die exakte Anamneseerhebung kann Hinweise über Beschaffenheit der Hüftpfanne vor der Fraktur geben.

Klinisch ist je nach Dislokationsgrad eine Beinverkürzung erkennbar. Es bestehen Leistenschmerzen und Schmerzen bei Bewegung in der Hüfte. Die Hüftbeweglichkeit ist bei Subluxation ins kleine Becken ggf. stark eingeschränkt. Typisch ist ein Stauchungsschmerz in der Hüfte.

Die initiale Diagnostik umfasst eine Beckenübersichtsaufnahme und eine axiale Aufnahme der betroffenen Hüfte. Ggf. müssen ergänzende Röntgenaufnahmen des Oberschenkels angefertigt werden. Es ist zu fordern, dass die gesamte Hüft-TEP dargestellt wird.

Sollte auf den Röntgenaufnahmen keine Fraktur erkennbar sein, muss sich bei entsprechender klinischer Symptomatik eine CT-Diagnostik des Beckens anschließen, um nicht-dislozierte Frakturen oder auch differenzialdiagnostisch mögliche Frakturen des hinteren Beckenrings zu detektieren. Auch beim Nachweis einer periprothetischen Fraktur in der Röntgendiagnostik ist zwingend eine CT-Untersuchung durchzuführen. Nur mit Hilfe der CT kann die Fraktur korrekt klassifiziert und die Therapie geplant werden. Idealerweise sollte bei der CT auf eine Supprimierung von Metallartefakten geachtet werden.

MERKE: Eine CT-Untersu-
chung des Beckens ist obligat!

Liegen anamnestisch Hinweise auf einen Infekt vor, sollte ggf. präoperativ eine Punktion durchgeführt werden. Alternativ sollten intraoperativ ausreichend Gewebeproben entnommen werden und eine kalkulierte Antibiotikatherapie begonnen werden.

Klassifikation

Ein validiertes und allgemein verwendetes Klassifikationssystem zur Klassifikation von periprothetischen Acetabulumfrakturen, welches einfach in der Anwendung ist und ausreichende Informationen über die Therapieempfehlung bietet, liegt bisher nicht vor.

Grundsätzlich können periprothetische Acetabulumfrakturen analog zur Klassifikation reiner Acetabulumfrakturen klassifiziert werden. Dabei bleiben jedoch die Beschaffenheit der Pfanne, die Knochenqualität und auch die Ätiologie unberücksichtigt, obwohl diese Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf die Therapieentscheidung haben.

Im Folgenden werden die nach Einschätzung der Autoren gängigsten Klassifikationssysteme vorgestellt:

Periprothetische Acetabulumfrakturen können in Analogie zu periprothetischen Frakturen anderer Lokalität nach dem Unified Classification System (UCS) in Anlehnung an die AO-Klassifikation klassifiziert werden. Ein Vorteil liegt in der universellen Anwendung aller periprothetischen Frakturtypen [7].

Eine weitere Möglichkeit zur Klassifikation wurde von Pastarella et al. gegeben [8]. Der Vorteil dieser Klassifikation ist darin zu sehen, dass in der Verbindung mit Frakturklassifikation eine Therapieempfehlung gegeben wird. Zunächst wird zwischen intraoperativen und traumatischen Frakturen unterschieden. Entscheidend ist für beide Frakturtypen die Bewertung der Stabilität der Prothese. Bei stabilen Prothesen wird grundsätzlich eine eher konservative Therapie empfohlen, während bei instabilen Prothesen eine Implantatrevision und/oder einer Osteosynthese empfohlen wird [8].

In ähnlicher Weise erfolgt die Klassifikation bzw. der Therapiealgorithmus nach Patsiogiannis et al. [4]. Von großer Bedeutung ist gemäß dieser Kollegen die Unterscheidung zwischen einer traumatischen Fraktur und einer chronischen Fraktur durch Osteolysen.

In Ergänzung der Klassifikation sollte beim Vorliegen ossärer Defekte eine Analyse und Klassifikation z.B. nach Paprosky erfolgen [9].

Im eigenen Vorgehen haben sich für geriatrische Patienten eine Einteilung und ein Behandlungsalgorithmus in Anlehnung nach Patsiogiannis et al. bewährt (Abb. 1).

Therapiegrundsätze

Zur Planung der konkreten Therapie ist eine umfassende Analyse der Fraktursituation aber auch des Patienten notwendig.

MERKE: Es handelt sich zumeist um komplexe Frakturen bei komplexen Patienten.

Anhand der gewonnenen Informationen kann ein individuelles Behandlungskonzept erstellt werden. Für die operative Therapie von periprothetischen Acetabulumfrakturen ist eine ausreichende Erfahrung sowohl in der Beckenchirurgie als auch in der Revisionsendoprothetik essentiell. Zudem müssen entsprechende Implantate zur Stabilisierung des Acetabulums und Revisionspfannen vorgehalten werden [5].

Nach Einschätzungen der Autoren ist bei geriatrischen Patienten das Hauptziel, möglichst früh eine belastungsstabile Situation zu schaffen oder zumindest eine Mobilisation unter Entlastung zu ermöglichen. Daher kommt eine konservative Therapie nur in Ausnahmefällen z.B. bei fissuralen Frakturen oder bettlägerigen Patienten in Frage.

Insbesondere für jüngere Patienten mit höherem Aktivitätslevel und längerer Lebenserwartung sind die Ziele in der Versorgung periprothetischer Acetabulumfrakturen w.m. ein Erhalt der Prothese und im Revisionsfall die Wiederherstellung des anatomischen Rotationszentrums, physiologischen Offsets sowie ggf. die Rekonstruktion ossärer Defekte und des Beckenringes mit Erzielung einer Langzeitstabilität durch Osteointegration sowie eines adäquaten funktionellen Ergebnisses [5].

Diese Ziele sind bei den häufig multimorbiden und stark eingeschränkten alterstraumatologischen Patienten gegenüber dem vorgenannten Ziel einer sofortigen belastungsfähigen Mobilisation von eher untergeordneter Bedeutung.

MERKE: Behandlungsziel ist eine frühzeitige schmerzarme Mobilisation.

In Analogie zu Patienten mit proximaler Femurfraktur kommt auch bei Patienten mit periprothetischer Acetabulumfraktur der interdisziplinären unfallchirurgisch-geriatrischen Behandlung ein hoher Stellenwert zu. Falls möglich, sollten diese Patienten perioperativ im Setting eines Alterstraumazentrums behandelt werden. Ein weiterer Aspekt in der weiteren Therapie ist die Detektion und Therapie der zumeist zugrunde liegenden Osteoporose.

Operative Therapie

Grundsätzlich kommen Osteosynthesen zur Stabilisierung der Fraktur und eine Revision der Pfanne oder die Kombination aus beiden Operationsverfahren in Frage. Gerade bei geriatrischen Patienten ist es das Ziel, mit einem möglichst kleinen Operationstrauma eine belastbare Situation zu schaffen, die eine möglichst frühzeitige Mobilisierung erlaubt.

Intraoperative Frakturen

Wird intraoperativ eine Acetabulumfraktur erkannt, so sollte eine Anpassung der Pfannenverankerungen vorgenommen werden [5, 10]. Ziel ist ein ausreichendes Pressfit bzw. eine ausreichende Verankerung, um postoperativ eine Belastung der Pfanne zu ermöglichen und eine Migration zu vermeiden. Die Versorgungsmöglichkeiten reichen von additiven Schrauben bei fissuralen Frakturen und ausreichend stabiler Pfannenverankerung über eine Osteosynthese der Fraktur bis hin zur Überbrückung der Fraktur mit einem Burch-Schneider-Ring.

Sollte die intraoperative Fraktur erst postoperativ erkannt werden, sind bei stabilen Situationen engmaschige Röntgenkontrollen indiziert. Bei instabiler Situation ist eine Revision mit Wechsel der Pfanne notwendig.

Postoperative Frakturen

Zur Planung der konkreten operativen Versorgungsstrategie ist, wie bereits ausgeführt, eine gründliche Analyse der Situation erforderlich.

Bei fester Pfanne also einer ausreichenden knöchernen Ummantelung der Pfanne, dass eine knöcherne Konsolidierung der Fraktur möglich ist, kann die Pfanne belassen werden. Gemäß Pascarella et al. und Patsigiannis et al. kann eine konservative Therapie oder eine Osteosynthese erfolgen [4, 8]. Im eigenen Vorgehen wird zur sicheren Konsolidierung der Fraktur, zur Vermeidung einer sekundären Dislokation und zur rascheren Mobilisierung der Patienten zumeist eine Osteosynthese durchgeführt (Abb. 1).

Die Versorgungsstrategie in dieser Situation ist analog der osteosynthetischen Versorgung geriatrischer Acetabulumfrakturen. Abhängig vom Frakturtyp erfolgt die Stabilisierung über einen ventralen oder einen dorsalen Operationszugang. Als dorsaler Operationszugang ist nach wie vor die Verwendung des Kocher-Langenbeck-Zugangs gebräuchlich. Über den Operationszugang kann bei Bedarf auch der Wechsel der Pfannenkomponente vorgenommen werden [11].

Die Frakturmorphologie bei traumatischen periprothetischen Acetabulumfrakturen ähnelt der Frakturmorphologie geriatrischer Patienten mit Acetabulumfraktur [12]. Sehr häufig handelt es sich aufgrund des Unfallmechanismus mit einem Sturz auf die Seite um eine Fraktur des vorderen Pfeilers mit zentraler Impression (Abb. 3, 4).

Für die Versorgung von vorderen Pfeilerfrakturen haben sich in den letzten Jahren reduziert invasive Zugänge durchgesetzt. Der ilioinguinale Zugang wird nur noch in Ausnahmefällen verwendet.

Eine Möglichkeit ist, die operative Stabilisierung über den sog. modifizierten Stoppa-Zugang durchzuführen [13]. Vorteile dieses Zugangsweges liegen nach Ansicht der Autoren in der relativ einfachen Durchführung und der guten Exposition der quadrilateralen Fläche. Über den Stoppa-Zugang kann sehr gut eine Abstützung von medial erfolgen. Der erhebliche Nachteil liegt allerdings in einer Limitation des Zugangs nach kranial, da die Exposition medial der großen Gefäße erfolgt. Falls notwendig, kann der Stoppa-Zugang über das 1. Fenster des ilioinguinalen Zugangs erweitert werden. Es resultiert allerdings ein zusätzlicher operativer Zugang und eine Verlängerung der Operationszeit. Eine weiterhin bestehende Limitation ist darin zu sehen, dass auch mit Hilfe des 1. Fensters keine gute Exposition bzw. Abstützung von ventral direkt über dem Acetabulum möglich ist.

Nach Ansicht der Autoren bietet sich als sehr gute Alternative ein pararectaler Zugang lateral der Iliacalgefäße an. Der Hauptzugangsweg entspricht dabei dem 2. Fenster des ilioinguinalen Zugangs. Eine Möglichkeit ist die von Keel vorgestellte Variante des pararectalen Zugangs [14]. Im eigenen Vorgehen wird mit dem von Ruchholtz et al. entwickelten sog. TIMI-Zugang (Two Inzision Minimal Invasive) in ähnlicher Art und Weise pararectal vorgegangen [15] (Abb. 2). Die Etablierung dieser Zugangswege ist zwar etwas anspruchsvoller, sie bieten aber eine sehr gute Exposition der ventralen Acetabulumstrukturen und eine sehr gute Möglichkeit einer Abstützung von ventral. Zusätzlich ist problemlos eine Verlängerung nach proximal bis hin zum ISG möglich.

Im Großteil der Fälle hat sich die Pfanne durch die Fraktur gelockert (Abb. 3, 4). In diesen Fällen ist nur in Ausnahmefällen ein Erhalt des Implantates möglich.

MERKE: Bei gelockerter Pfanne ist zumeist ein Pfannenwechsel notwendig.

Zur Revision der Pfanne stehen verschiedene Implantattypen zur Verfügung. Bei größeren knöchernen Defekten muss zusätzlich eine Augmentation erwogen werden. Diese kann durch allogene Knochen oder mittlerweile auch zunehmend durch künstliche Knochenaugmentationen erfolgen. Mittlerweile gibt es mit der Trabecular-Metall-Technologie sehr differenzierte Möglichkeiten der Knochenaugmentation mittels hochporösen Tantal-Augmenten (sog. „Cup-and-Augment“-Technik). Diese besitzen aufgrund ihrer Oberflächenstruktur eine sehr gute Osteointegrität [16]. Bei stark limitierter Prognose der Patienten kann auch eine Auffüllung mit Zement zur Erhöhung der Primärstabilität erfolgen. Es sollte allerdings klar sein, dass dadurch eine biologische Heilung verhindert wird, wodurch langfristig die Lockerung des Implantates begünstigt wird.

Zur Überbrückung der Frakturzone wird im eigenen Vorgehen bei geriatrischen Patienten ein Burch-Schneider-Ring eingesetzt. In diesen wird im Sinne eines „Cup-in-
Cage“-Konstruktes eine tripolare Pfanne zementiert. Die Vorteile liegen in einer primär belastungsstabilen Überbrückung der Fraktur und einem hohen Luxationsschutz für die Patienten (Abb. 5).

Sollte es aufgrund der Fraktursituation nicht möglich sein, den Burch-Schneider-Ring sicher im Sitzbein zu verankern, wird additiv zur medialen Abstützung eine Platte implantiert. Diese kann im Regelfall in gleicher Sitzung über einen ventralen Operationszugang, wie oben beschrieben, implantiert werden (Abb. 5).

Zusammenfassung und Fazit

Periprothetische Frakturen sind seltene Frakturen, die aber bedingt durch die große Anzahl implantierter
Hüftendoprothesen und die steigende Lebenserwartung zunehmend auftreten. Bisher liegen in der Literatur nur die Ergebnisse kleinerer Fallserien vor, sodass keine evidenzbasierte Therapieempfehlungen gegeben werden können. Die beschriebenen Therapieoptionen reichen von einer konservativen Behandlung bis hin zu aufwendigen Beckenteilersätzen [4, 5, 8].

Für jeden Patienten muss ein individuelles Therapiekonzept erstellt werden. Zur Planung der konkreten Therapie sind eine genaue Einschätzung des Patienten (Anamneseerhebung und Untersuchung) und eine detaillierte Analyse der Fraktur mittels CT notwendig.

Für die häufig multimorbiden Patienten ist eine frühzeitige Mobilisation – möglichst unter Vollbelastung – anzustreben. Dieses Ziel kann in den meisten Fällen nur durch eine operative Therapie erreicht werden.

Bei fest sitzender Prothese kann unter Erhalt der Prothese eine Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese erfolgen. Das operative Vorgehen orientiert sich dabei an der Operationsstrategie für Acetabulumfrakturen ohne Prothese. Häufig ist der vordere Pfeiler betroffen, sodass ventrale Zugänge zum Einsatz kommen. Dabei haben sich insbesondere bei geriatrischen Patienten reduziert invasive Zugänge wie der modifizierte Stoppa-Zugang oder pararectale Zugänge bewährt.

Häufig ist die Pfanne jedoch gelockert. In diesen Fällen muss ein Wechsel der Pfanne erfolgen. Je nach Fraktur und möglicher Defektsituation kommen verschiedene Implantate und OP-Techniken in Frage. Nach Einschätzung der Autoren hat sich in der Alterstraumatologie die Überbrückung der Frakturzone mittels Burch-Schneider-Ring, ggf. mit additiver medialer Plattenosteosynthese bewährt.

Neben der chirurgischen Therapie ist für das Patientengut perioperativ die geriatrische Mitbehandlung in einem Alterstraumazentrum sinnvoll. Zudem sollte die Abklärung der mutmaßlich bestehenden Osteoporose erfolgen.

Nach den vorliegenden Studien können in dem geriatrischen Patientengut trotz der komplexen Fraktursituation relativ gute Ergebnisse erzielt werden. Limitiert werden die Behandlungsergebnisse analog zu denen der proximalen Femurfrakturen durch die Begleitumstände der häufig multimorbiden Patienten [5].

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Benjamin Bücking

Klinikum Hochsauerland

Nordring 37–41

59821 Arnsberg

benjamin.buecking@web.de

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