Übersichtsarbeiten - OUP 09/2019

Proximale Femur-Osteotomie

Isolierte Varisations-Osteotomien sind selten und gelegentlich bei
extremer Coxa valga mit CCD-Winkeln über 160° und Gelenkinkongruenz indiziert. Beim Morbus Perthes werden isolierte Varisationen inzwischen selten durchgeführt und insbesondere bei schon bestehender Dezentrierung eine Korrektur mittels Triple-Osteotomie auf Pfannenseite präferiert, ggf. in Kombination mit einer Varisation.

Eine neuere Indikation zur Durchführung einer Varisations-Osteotomie ist das ischio-femorale Impingement (IFI). Hier kommt es bei Coxa valga zu einer Verminderung des Abstands zwischen Sitzbein und Trochanter. Durch Varisation und Vergrößerung des Offsets wird das Einklemmen der Muskulatur zwischen Trochanter minor und Sitzbein beseitigt.

Klassische Indikation für die Extensions-Osteotomie war der hohe Abrutschwinkel des Hüftkopfs bei der ECF. Aufgrund des regelhaft entstehenden sekundären FAIs und der erheblichen Veränderung der Knochengeometrie (Abb. 3) mit erschwerten Bedingungen für eine spätere endoprothetische Versorgung wurde diese Osteotomie weitgehend verlassen. Verfahren der Wahl ist hier eine anatomische Reposition der Hüftkopf-Epipyhse über chirurgische Hüftluxation oder über arthroskopisch assistierte Verfahren.

Eine isolierte Flexions-Osteotomie ist bei der ventral gelegenen partiellen Hüftkopfnekrose bei jungen Patienten mit kleinem Nekroseareal im Stadium ARCO II–III möglich.

Dies gilt prinzipiell für sämtliche intertrochantäre Osteotomien bei der Hüftkopfnekrose je nach Lage des
Nekroseareals. Alternativen zur intertrochantären Osteotomie sind die später beschriebenen transtrochantären Osteotomien oder Schenkelhals-Osteotomien, die vorwiegend im asiatischen Raum durchgeführt werden.

Eine alleinige Torsionskorrektur ist am proximalen Femur auch intertrochantär möglich. Bei alleiniger Korrektur der Torsion sind jedoch suprakonydläre Osteotomien am distalen Femur oder schaftmittige Korrekturen aufgrund der geringeren Invasivität zu bevorzugen [15]. Insbesondere Verfahren mit intramedulärer Osteotomietechnik und Stabilisation über einen Marknagel lassen hier eine schnelle Lastaufnahme und geringes Muskeltrauma zu.

Trochanter-Osteotomien

Trochanter-Osteotomien sind Verfahren der Wahl bei Trochanter-Hochstand, wie er typischerweise als Folgezustand eines Morbus Perthes mit typischer „Hirtenstab-Deformität“ eintritt. Je nach Kongruenz des Gelenks kann alternativ durch eine alleinige Valgisation ebenfalls eine Distalisierung des Trochanters erreicht werden. Ein oft gewünschter Nebeneffekt ist hierbei eine Verlängerung des Beins.

Eine seltene Indikation einer Trochanter-Disalisierung ist die persistierende Glutealinsuffizienz nach vorheriger intertrochantärer Varisations-Osteotomie.

Subtrochantäre Osteotomie

Subtrochantäre Femur-Osteotomien können zur Torsionskorrektur technisch eingesetzt werden, sind aber, wie oben erwähnt, durch Korrektur im Schaft [3] oder suprakondylär ersetzt. 3-dimensionale Korrekturen sind auch subtrochantär möglich. Aufgrund der besseren Knochenheilung und der besseren Beeinflussung des Femur-Offsets sollten 3-dimensionale Korrekturen besser intertrochantär erfolgen.

Zur einseitigen Korrektur der Beinlänge können subtrochantäre Osteotomien sowohl als VerkürzungsOsteotomie als auch als Z-förmige Verlängerungs-Osteotomie durchgeführt werden. Bei posttraumatischen Torsionsfehlstellungen können diese hierbei mit korrigiert werden. Differenzen bis ca. 3 cm können in einzeitigen Verfahren erfolgen. Bei Korrekturen höheren Ausmaßes ist in der Regel die Korrektur über eine Kallusdistraktion sinnvoll.

Subtrochantäre Osteotomie im Rahmen der Endoprothetik

Eine spezielle Indikation für eine subtrochantäre Verkürzungs-Osteotomie ist die endoprothetische Versorgung einer hohen Hüftluxation. Hier kommt es häufig zu einem vermehrten Längenwachstum des Femurs. Durch Distalisierung des Drehzentrums und damit erhöhter Weichteilspannung ist die Reposition des Gelenks schwierig und oft erst nach einer subtrochantären Verkürzungs-Osteotomie möglich. Insbesondere bei nur einseitiger Pathologie ist dies zu beachten (Abb. 4). Das Ausmaß der notwendigen Verkürzung lässt sich präoperativ im CT oder einer beidseitigen Ganzbeinaufnahme planen.

Schenkelhals-Osteotomien und transtrochantäre
Osteotomien

Schenkelhals-Osteotomien und transtrochantäre Osteotomien sind im deutschen Sprachraum nicht mehr üblich. Historisch wurden sie zur Einstellung der Kopfepiphyse bei der ECF mit Abrutschwinkel über 60° durchgeführt. Aktuell wird eine initiale Reposition der abgerutschten Kopfepiphyse auch bei geringeren Abrutschwinkeln empfohlen. Hierdurch kann die Entwicklung einer sekundären Offset-Störung am Kopf-Schenkelhals-Übergang mit einem Cam-Impingement häufig vermieden werden.

Zur Behandlung der partiellen Hüftkopfnekrose und der Früharthrose wird insbesondere im asiatischen Raum als Alternative zur intertrochantären Osteotomie eine transtrochantäre oder Schenkelhals-Osteotomie [18, 1] durchgeführt. Vorteil ist eine geringere Beeinflussung der Länge, der Trochanterstellung und des Femur-Offsets. Je nach Lage der Nekrose-Zone wird das Nekrose-Areal dabei in der Schenkelhalsachse aus der Belastungszone gedreht. Korrekturwinkel von bis zu 150° sind dabei beschrieben.

Kopf-Osteotomien

Kopfreduktionsplastiken zur Formung der asphärischen Hüftköpfe nach Morbus Perthes sind aus der Arbeitsgruppe Bern beschrieben [7, 21]. Durch Entnahme eines medialen Keils aus dem asphärischen Kopf wird hierbei die Gelenkfunktion verbessert, praktisch durch eine Umformung des typischen Walzengelenks in ein annäherndes Kugelgelenk.

Kombinationseingriffe und Mehretagen-Osteotomien

Insbesondere bei den komplexen Fehlbildungen des Hüftgelenks nach Morbus Perthes mit Beteiligung des proximalen Femurs, der Kopfgeometrie und einer Pfannendysplasie sind häufig Kombinationseingriffe notwendig, um annähernd eine normale Hüftanatomie zu erzeugen. In der Regel wird hier eine mehrdimensionale Korrektur mit ITO und Trochanter-Osteotomie mit Distalisierung durchgeführt. Eine Konturierung des vorderen Kopf-Schenkelhals-Übergangs und/oder eine Kopfreduktions-Osteotomie kann zusätzlich sinnvoll sein. Eine Korrektur einer gleichzeitig vorliegenden Pfannendysplasie ist in der Regel notwendig. Derart komplexe Eingriffe sind Einzelfällen mit schlechter Hüftfunktion und entsprechendem Leidensdruck vorbehalten. Häufig ist die Funktion bei derartigen „Walzengelenken“ überraschend gut und der Leidensdruck beim Patienten gering.

Komplexe Fehlbildungen der gesamten Beinachse treten häufig bei angeborenen oder erworbenen Stoffwechselstörungen auf, z.B. bei der klassischen Rachitis oder dem Phosphat-Diabetes (Abb. 5). Neben der varischen Abweichung des Femurs und der Tibia ist hier oft eine zusätzliche Deformität im proximalen Femur vorhanden.

Ergebnisse proximaler
Femur-Osteotomien

Während für reorientierende Pfannen-Osteotomien zwischenzeitlich gut dokumentierte Langzeitergebnisse mit Verläufen von mehr als 30 Jahren mit guten Ergebnissen vorliegen, sind derartige Studien für proximale Femur-Osteotomien rar. In einer Nachuntersuchung von Tönnis [17] berichtete er über eine Schmerzreduktion bei über 90 % der Patienten bei proximalen Femur-Osteotomien bei
zugrunde liegender Dysplasie-Coxarthrose. Die besten Ergebnisse zeigten sich hierbei bei Korrektur einer femoralen Retrotorsion. Die Valgisations- und Varisations-Osteotomien erreichten nur eine deutliche Schmerzreduktion bei 61 % bzw. 55 %. Bezogen auf die Pfannendysplasie zeigten auch leicht dysplastische Pfannen mit einem CE-Winkel > 15° nur eine Überlebenszeit bezogen auf Schmerzfreiheit von 74,3 % nach 10 Jahren, Gelenke mit einem CE-Winkel < 5° nur von 46,8 %. Es zeigte sich in der Untersuchung – wie zwischenzeitlich für jedes gelenkerhaltende Therapieverfahren – eine schlechte Überlebenszeit in Abhängigkeit vom Arthrosegrad zum Zeitpunkt der Operation. So waren bei Vorliegen eines Arthrosegrads 2 nur noch 37 % der Patienten nach 10 Jahren schmerzfrei, bei Arthrosegrad 1 nach 10 Jahren noch 73 %. Nach 13 Jahren waren es aber hier auch nur noch 51 %.

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