Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Radiosynoviorthese bei entzündlich rheumatischen Gelenkkrankheiten

Die Indikation zur RSO bei bekannter rheumatoider Arthritis oder Spondyloarthritis hat der Verordnungsgeber nicht an einen Ausprägungsgrad der Synovialitis oder an einen prä- oder postoperativen Status gebunden. Die Leitlinien empfehlen aber, die RSO auf die Stadien 1 und 2 nach Larsen, Dale, Eek zu beschränken, vor allem um eine Ausbreitung des Nuklids in den intraossären Raum zu verhindern [2–3]. Die Indikation darf erst nach erfolgloser medikamentöser Therapie gestellt werden, d.h. ein Erfolg leitliniengerechter Therapieeskalation bis hin zu den Biologica ist zunächst abzuwarten. Auch die Möglichkeiten anderweitiger intraartikulärer Lokaltherapie sind vor der RSO auszuschöpfen [4–6].

3. Pigmentierte villonoduläre Synovialitis nach erfolgter Operation

Beim tendosynovialen Riesenzelltumor eines Gelenkes (pigmentierte villonoduläre Synovitis PVNS) ist die RSO in Deutschland erst nach erfolgter operativer Therapie zugelassen [4–6]. Ohne histologische Diagnosesicherung eines diffusen PVNS-Typs wird man in Deutschland eine RSO nicht indizieren können.

4.

Hämophilie mit Arthropathie (zur Blutungsprophylaxe)

Bei der Hämophiliearthropathie soll die RSO die intraartikuläre Blutungsfrequenz senken. Die RSO ist hier nicht als Schmerztherapeutikum zu betrachten. Einschränkungen sind im Kindesalter bei noch offenen Wachstumsfugen zu beachten. Vor Injektion ist eine ausreichende Faktorensubstitution erforderlich.

Anwendung

Die Anwendung der RSO bei jedweder Form der Arthrose ist in Deutschland als off-label-use einzustufen - mit allen Konsequenzen. Die in der multinationalen S1k-Leitlinie dargestellten Empfehlungen u.a. bei therapierefraktären Gelenkergüssen nach Endoprothesen und bei fremdkörperbedingter Synovialitis sind in Deutschland nicht gültig und können nur in begründeten seltenen Ausnahmefällen als off-label-use Anwendung finden. Auch Arthritiden durch Kristalle (Gicht, Pseudogicht) fallen in Deutschland nicht unter das zugelassene Indikationsspektrum einer RSO [3–6].

Allein der Nuklearmediziner stellt und verantwortet die rechtfertigende Indikation, nicht der Zuweiser, wenngleich dieser bei der Indikationsfindung unentbehrlich ist [7]. Laut Fachinformation müssen in Deutschland „die Diagnosen und die Indikationsstellung im Rahmen einer interdisziplinär getragenen Therapiestrategie in Zusammenarbeit mit einem rheumatologisch versierten Arzt gestellt werden“ [4–6]. Der Nuklearmediziner stützt sich auf die abgesicherte Diagnose der Zuweiser. Diese sind sowohl bei der präinterventionellen Diagnosesicherung als auch bei der individuellen Indikationsstellung maßgeblich und verantwortlich beteiligt. Das gilt auch für die ggf. notwendige medikamentöse und physiotherapeutische Vor- und Nachbehandlung. Dementsprechend hat ein ausreichender Informationsfluss zwischen dem Zuweiser und dem Nuklearmediziner zu erfolgen. Nach Meinung des Autors ist es nicht ausreichend, auf dem Überweisungsschein die Diagnose „Osteoarthritis“ (in Deutschland auch Synonym für eine aktivierte Arthrose) zu vermerken, die der Nuklearmediziner als indikationsrechtfertigende, systemische entzündlich rheumatische Krankheit („Arthritis“) auffassen könnte, zusammen mit einem Synovialitisnachweis durch Mehrphasenszintigraphie eine RSO-Indikation nach den deutschen Indikationskriterien 1 oder 2 für gerechtfertigt hält. Dieses Vorgehen würde den strengen Indikationskriterien in Deutschland nicht entsprechen.

Kontraindikationen

Die deutsche Fachinformation [4–6] kennzeichnet die Kontraindikation Schwangerschaft am deutlichsten: Schon die vermutete Schwangerschaft ist eine Kontraindikation. Frauen im gebärfähigen Alter müssen vor Beginn und bis 4 Monate nach der Behandlung eine wirksame Schwangerschaftsverhütung praktizieren.

Die rupturierte Bakerzyste wird in allen älteren und neueren Leitlinien als Kontraindikation benannt. In der aktuellen S2k-Leitlinie der DGOU „Synovialektomie“ [3] erscheinen jetzt zu Recht „Arthrocelen und kommunizierende Bursae mit Ventilmechanismus“ als Kontraindikation. In diesen Fällen lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass sich das Kolloid extraartikulär in unkalkulierbaren Konzentrationen sammelt und Strahlenschäden an Weichgeweben, u.a. angrenzenden Nerven und Gefäßen erzeugt. Zu nennen sind hier nicht nur die Bakerzyste, sondern z.B. auch die kommunizierende Bursa iliopectinea am Hüftgelenk und die ventralen Arthrocelen am Ellengelenk.

Weitere Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen
Inhaltsstoffe

Stillzeit

massives Hämarthros

septische Arthritis

Arthritis urica und andere Kristallarthropathien

Hauterkrankungen in der Umgebung der Injektionsstelle

intraartikuläre Fraktur oder Ruptur der fibrösen Gelenkkapsel

Die RSO ist bei Kindern und
Jugendlichen in der Wachstumsphase nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig, um Beeinträchtigungen der teils intraartikulär
liegenden Wachstumsfugen zu
verhindern.

Durchführung

Die Anwendung obliegt dem Nuklearmediziner, so dass an dieser Stelle nur einige Eckpunkte, die auch für den Orthopäden und Rheumatologen von Bedeutung sind, aufgeführt werden.

Eine RSO kann grundsätzlich ambulant durchgeführt werden. Gelingt die Ruhigstellung nur unzuverlässig, kann die Hospitalisierung in Erwägung gezogen werden.

Um das unerwünschte Abströmen der Aktivität über die Lymphbahnen zu vermindern, muss das Gelenk für 48 Stunden weitgehend ruhiggestellt werden. Dieser Zeitraum ermisst sich nicht an der Strahlungsdauer des Nuklides, sondern an der Zeit bis zur Phagozytose der Kolloide im Synovialgewebe. Strenge Bettruhe ist nicht erforderlich [4–6].

Bei paraartikulärer Injektion können Nekrosen an unerwünschter Stelle auftreten (cave PIP-Gelenke). Einer Stichkanalnekrose kann durch Ausspülen der Injektionsnadel in situ vorgebeugt werden (Abb. 1). Nach Synovialbiopsie oder Arthroskopie müssen die Operationswunden sicher verheilt sein.

Auch bei guter interdisziplinärer Nachbetreuung ist der Nuklearmediziner entsprechend der Richtlinie Strahlenschutz verpflichtet, den klinischen Zustand des behandelten Gelenkes nach 3, 6 und 12 Monaten selbst zu überprüfen und zu dokumentieren [7].

Die Fachinformation [4–6] empfiehlt eine Wiederholung der Radiosynoviorthese frühestens 6 Monate nach Erstapplikation, da erst dann der Therapiemisserfolg der Erstapplikation beurteilt werden kann. Eine Wiederholung der Radiosynoviorthese bei Patienten, bei denen eine zweimalige Applikation keinen Effekt gezeigt hat, erscheint nicht sinnvoll.

Der präinterventionelle Synovialitisnachweis mittels Mehrphasenszintigraphie wird in der täglichen Praxis geradezu regelhaft vorgenommen. Er ist aber nicht immer erforderlich. Ist die Diagnose einer entzündlich-rheumatischer Arthropathie gesichert, kann eine floride lokale Synovialitis mittels Doppler-Sonographie, MRT oder 3-Phasen-Skelettszintigraphie nachgewiesen werden. Liegt ein MRT vor, ist eine Mehrphasenszintigraphie vor RSO meist verzichtbar. Für eine RSO, die 6 Wochen nach einer chirurgischen Synovialektomie durchgeführt wird, bedarf es keines weiteren Nachweises einer lokalen Synovialitis. Dennoch können in manchen Fällen Zweifel bestehen, ob die bestehende Symptomatik auf eine persistierende Synovialitis oder eine Sekundärarthrose zurückzuführen ist; in letzterem Fall ist dann eine RSO nicht indiziert. Auch bei Monarthritiden mag es Situationen geben, bei denen ein Synovialitisnachweis vor RSO hilfreich ist. Wurde eine PVNS per Synovialektomie operiert, leistet eine Frühszintigraphie zur Indikationsstellung keinen weiteren Beitrag. Bei der Hämophiliearthropathie hat sich die Mehrphasenszintigraphie als nicht voraussagefähig für den Erfolg einer RSO herausgestellt und ist daher in dieser Indikation entbehrlich [9].

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