Originalarbeiten - OUP 11/2012

Rehabilitation und Innovation in Orthopädie und Traumatologie –
Schnittstellen-Kautelen zur Prozesskette OP-Klinik/Rehabilitations-Klinik/ ambulanter Sektor
Vortrag anlässlich der 60. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen e.V. am 28.04. 2012, Baden-Baden

Im klinischen Outcome kommt es dabei potenziell zu unsachgemäßen Indikationen sowie zu defizitären Therapieverfahren und Behandlungsketten, was im Ergebnis dessen wegen entsprechender Fehlversorgung unökonomisch ist. Gemäß administrativer Vorgaben ergeben sich damit Schein-Expertisen, wobei Entscheidungskompetenzen in verschiedensten Sektoren etabliert werden: Verwaltung, juristische Zuständigkeiten, Ökonomie, Politik.

Dabei ist der medizinische Sektor (hier: zur Expertise Orthopädie/Traumatologie) regelhaft von entsprechenden Entscheidungskompetenzen ausgeschlossen, sodass die tatsächliche fachliche Expertise ohne entscheidungsrelevante Beteiligung als externer Partner verbleibt.

5. Arbeits-/Sozial-Sektor

Bezüglich dieser Sektoren liegen erhebliche Interdependenzen zu Symptomatik, Therapie, Arbeits- und Lebensbedingungen von Patienten vor. Ohne Berücksichtigung vielschichtiger Kontextfaktoren wären grundlegende und längerfristig erfolgreiche Behandlungseffekte nicht erreichbar.

Diesbezüglich weisen bisherige Vorgehensweisen und Behandlungsroutinen erhebliches Konfliktpotenzial aus, da bis dato ungenügende oder keine integrativen Behandlungs- und Versorgungsketten in systematischer Weise etabliert sind. Angesichts der ganz erheblichen Vielschichtigkeit und Komplexität beteiligter Kontextfaktoren kann eine künstliche Begrenzung auf nur einzelne Faktoren nicht zielführend sein. In Zieldefinitionen der Deutschen Rentenversicherung sind rehabilitative Vorgehensweisen entwickelt – allerdings als einseitig definierte Vorgaben, nicht jedoch als kooperativ und integrativ entwickelte medizinische Vorgehensweisen zur Etablierung vollständiger Behandlungsketten. Nicht primär medizinisch-wissenschaftliche Kriterien führen potenziell zu ungenügenden Behandlungsresultaten und zu systematischen Fehlversorgungen.

6. Sektor Prävention

Inner- und intersektoral (medizinischer und außermedizinischer Bereich) sind diverse Einzelaktivitäten und -maßnahmen vorhanden, regelhaft jedoch keine komplexen integrierten Programme. Hierdurch sind naturgemäß effektive und langfristig perspektivische Auswirkungen limitiert.

Bei einer integrierten Vorgehensweise ist hier zunächst der medizinische Sektor als fachliche Expertise gefragt. Ausgehend von medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen sind zunächst mögliche präventive Ziele und Vorgehensweisen zu benennen. Die Umsetzung entsprechender präventiver Strategien und Programme kann und muss danach integrativ durch die weiteren relevanten Sektoren in kooperativer Weise erfolgen. D.h.,
9 in der konkreten Umsetzung können dann medizinische Experten zusammen mit Gesundheitspolitik, Industrie/Betrieben, Verbänden, öffentlichen Instituten etc. gezielt zusammenwirken [8]. Erst durch solcherart koordinierte integrative Vorgehensweisen sind perspektivisch effektive präventive Ergebnisse zu erwarten.

7. Sektor Bewegung/Sport

Bewegung und Sport sind kardinale Aspekte in Orthopädie und Traumatologie sowohl bezüglich therapeutischer Maßnahmen, als auch bezogen auf Prävention. Behandlungen am Bewegungssystem sind ohne vielfältige Einbeziehungen von Bewegungsmomenten nicht möglich, entsprechende Bewegungsmuster sind je nach Art der Erkrankung und/oder Verletzung anzupassen. Insbesondere nach erfolgreicher Behandlung akuter Symptomatiken und nach Operationen sind im weiteren Heilverlauf zunehmende bewegungstherapeutische Strategien zu implementieren.

Sowohl in therapeutischer als auch in präventiver Hinsicht sind zudem intensivierte sportliche Aktivitäten je nach Heilverlauf und Kondition des Patienten anzupassen, zudem individuelle Instruktionen für gezielte Eigenaktivitäten ergänzend erforderlich.

Gezielte Aufklärung und präventive Förderung ist orthopädisch darüber hinaus von besonderem Interesse, da wir in unserem kulturellen und historischen Umfeld – sowohl im beruflichen, öffentlichen als auch im privaten Bereich – eher in bewegungsreduzierten Alltagsgewohnheiten leben. Bewegung und Sport werden in dieser Hinsicht eher als Besonderheit und nicht für alle Menschen als relevant angesehen, somit nicht als natürlich vorgegeben und als etwas psychophysiologisch Erforderliches. Diesbezügliche sekundäre vielfältige sog. zivilisatorisch bedingte Folgeerkrankungen sind hinlänglich bekannt.

Umso mehr liegen entsprechende langfristige Programme und Konzepte eben auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Daher sind neben Einzelprogrammen insbesondere überregionale, nationale weitreichende Programme und Konzepte vonnöten, die intersektoral zu implementieren sind, z.B. im Bereich öffentlicher und privater Kostenträger, Schulen, Betrieben, medizinischer Einzeldisziplinen (Expertisen, die bei allen programmatischen Vorgängen einzubeziehen sind) etc.

8. Sponsoring/Stiftungen

Auch dieser paramedizinische Sektor ist von besonderem Interesse und stellt eine wichtige Möglichkeit dar. Leider wird er in Deutschland wenig genutzt, beispielsweise im Vergleich zu den USA oder auch anderen Ländern. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass eine Beschränkung auf spezifische isolierte Themen oder Programme (z.B. Onkologie) vermieden werden sollte. Vielmehr sind integrative, umfassende Konzepte erforderlich. Nur so lassen sich systematische, perspektivisch längerfristige medizinische Behandlungen oder Vorsorgemaßnahmen mit breiterer Wirkung erzielen.

Wenn in diesem Bereich mehr Möglichkeiten erschlossen werden, können weitreichende strukturierte Programme auch finanziell und logistisch umgesetzt werden. Bisherige behandlungsbezogene Strukturen und finanzielle Mittel lassen dies in der Regel in unserem professionellen und gesellschaftlichen Umfeld nicht zu. Aus Sicht der bisherigen Erfahrung ist zu fragen, ob es diesbezüglich in intersektoraler Weise bereits ausreichend interessierte und überzeugende Experten gibt, oder ob diese Thematik zukünftig unter neuen Paradigmen gesehen und gefördert werden muss.

9. Interdisziplinäre Kooperationen

Innerhalb des medizinischen Sektors sind innerhalb des Fachbereiches Orthopädie und Traumatologie grundsätzliche strukturierte Kooperationsformen weiterzuentwickeln, sowohl um synoptische Bewertungskriterien zu verbessern, als auch um Behandlungsketten in optimierter Weise zu integrieren [1, 9]. Analoges gilt für den Umgang innerhalb der verschiedenen medizinischen Fachbereiche außerhalb der Orthopädie und Traumatologie.

Ein entsprechender allgemeiner grundsätzlicher Konsens zur Kooperation besteht, die bisherigen praktischen Vorgehensweisen und die gewohnten üblichen Behandlungspfade zeigen hier jedoch nach wie vor nicht unerhebliche Defizite.

Neue Ansätze und entsprechende Vorgehensweisen sind zu entwickeln. Die Auswirkungen ausbleibender gezielter interdisziplinärer Kooperationen sind suboptimale und kurzfristige Behandlungsergebnisse, darüber hinaus auch unzureichende Langzeitergebnisse.

10. Patientenverbände –
ärztlicher Sektor

In diesem Sektor-Komplex sind bis dato unzureichende langfristige sachbezogene Programme und Kooperationen feststellbar. Bisherige Routinen und Ergebnisse weisen aus, dass periodische vereinzelte öffentliche Diskussionen erfolgen, allerdings fehlen systematische Vorgehensweisen, konstruktive und produktive Orientierungen sind nicht erkennbar. Zuständigkeiten und Organisationsformen sind nur zum Teil etabliert und nicht systematisiert.

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