Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Revisionsendoprothetik bei Patienten mit rheumatoider Arthritis

Guido Heers

Zusammenfassung:

Mit steigenden Operationszahlen für die Primärendoprothetik des Schultergelenks bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis steigt zwangsläufig auch die Anzahl der Revisionseingriffe.
Patienten mit RA haben medikamentös und krankheitsbedingt eine schlechtere Knochen- und Sehnen-/Muskelqualität, was eigentlich zu einer schlechteren postoperativen Funktion und einer höheren Komplikationsrate mit entsprechend hohen Revisionszahlen einhergehen sollte.

Die Literatur zeigt zwar eine teils sehr hohe Rate an radiologischen Auffälligkeiten (Lysesäumen), eine signifikant höhere Revisionsrate als im gemischten Normalkollektiv ist jedoch nicht beschrieben. Dies gilt insbesondere für die postoperative Infektionsrate. Für die perioperative Begleitmedikation existieren mittlerweile Empfehlungen, die jedoch nur einen schwachen Evidenzgrad aufweisen. Es fehlen aussagekräftige Studien für dieses spezielle Patientenkollektiv.

Schlüsselwörter:
Endoprothese, Rheuma, Rheumatoide Arthritis, Revision

Zitierweise:
Heers G: Revisionsendoprothetik bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. OUP 2019; 8: 336–340 DOI 10.3238/oup.2019.0336–0340

Summary: The numbers of rheumatoid patients requiring artificial joint replacement are rising and therefore
rising numbers of revision surgeries can be expected. Authors have previously cautioned against using artificial joint replacement in RA patients due to concerns about increased peri-operative complications, poor functional outcomes and high revision rates due to reduced bone and soft tissue quality. Literature shows a significantly high percentage of radiological abnormalities following implantation of both anatomical and reverse systems. However, both anatomical and reverse designs in RA showed similar short- to mid-term results without higher complication rates as compared to other pathologies. Guidelines are available for the perioperative
management of antirheumatic medication in patients with rheumatic diseases undergoing joint arthroplasty. However, they are based on low quality evidence. Further studies are required to determine the long-term
survival of the implant.

Keywords: arthroplasty, rheumatoid arthritis, inflammatory arthritis, revision arthroplasty

Citation: Heers G: Artificial joint replacement in rheumatoid patients. OUP 2019; 8: 336–340
DOI 10.3238/oup.2019.0336–0340

Guido Heers: Allgemeine Orthopädie, Vitos Orthopädische Klinik Kassel gemeinnützige GmbH

Einleitung

Die Erstmanifestation der rheumatoiden Arthritis (RA) erfolgt in der Regel zuerst an den Händen und am Handgelenk, erst später im Verlauf kommt es zu einer Beteiligung des Schultergelenks. Unbehandelt führt die Progredienz der Erkrankung zum Verlust der Schulterfunktion. Die Vorstellung beim Operateur erfolgt meistens erst spät im Verlauf der Erkrankung, sodass dann bei entsprechender Zerstörung des Gelenks und der Sehnen der endoprothetische inverse Gelenkersatz erfolgen muss.

Der Gelenkersatz bei Patienten mit und ohne RA hat funktionell vergleichbare Ergebnisse [9, 14, 22], sodass der endoprothetische Gelenkersatz auch für jüngere Patienten mit RA empfohlen wird [19].

Mit zunehmender Anzahl der Endoprothesen kommt es dadurch zwangsläufig zu einer immer weiter steigenden Anzahl von Revisions- und Wechseloperationen. Man sollte dabei jedoch immer berücksichtigen, dass die rheumatoide Arthritis eine Systemerkrankung ist, die mehrere Herausforderungen mit sich bringt.

Patienten mit dieser Erkrankung haben in der Regel eine medikamentöse immunmodulierende Dauertherapie, und sie haben, bedingt durch den chronischen Entzündungsprozess und durch die Medikamente, eine herabgesetzte Sehnen- und Knochenqualität. Damit stellt sich die Frage nach der richtigen perioperativen Medikation und nach der Komplikationsrate nach endoprothetischem Gelenkersatz.

Perioperative Medikation

Hierzu gibt es nur wenige belastbare Daten. Das American College of Rheumatology hat 2017 zusammen mit der American Association of Hip and Knee Surgeons Empfehlungen für den Ersatz von Hüft- und Kniegelenk herausgegeben, in denen jedoch auch auf die schwache Evidenzlage hingewiesen wird [15].

RA, Spondyloarthritis (SpA),
juvenile idiopathische Arthritis (JIA), systemischer lupus
erythematosus (SLE)

MTX, Leflunomid, Hydroxychloroquine und Sulfasalazine sollten unverändert weiter eingenommen, Biologika abgesetzt werden. Die Operation sollte für das Ende des Einnahmezyklus für das spezifische Medikament geplant werden. Die Biologika sollten nach Wundheilung (ca. 14 Tage) und Fadenzug bei klinisch unauffälliger Wunde ohne Infektnachweis wieder angesetzt werden.

RA, SpA und JIA

Tofacitinib wenigstens 7 Tage vor Operation absetzen

Schwere Form des SLE

MTX, Mycophenolat mofetil, Azathioprin, Cyclosporin, Tacrolismus sollten unverändert weiter eingenommen werden.

Leichtere Form des SLE

Mycophenolat mofetil, Azathioprin, Cyclosporin, Tacrolismus sollten eine Woche vor dem Eingriff abgesetzt werden.

RA, SpA und SLE

Fortführung der Prednisolon-Dosis bei erwachsenen Patienten. Keine periartikuläre Stoßtherapie. Optimal ist eine Prednisolon-Dosis von < 20 mg/Tag. Darüber würde das Infektionsrisiko steigen, so die Autoren.

Revision von anatomischen und inversen Schulterprothesensystemen

Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten für ein gemischtes Patientenkollektiv werden für anatomische Totalprothesen, Schaft-Hemiprothesen und inverse Prothesen mit deutlich über 90 % angegeben, wobei Hemiprothesen leicht schlechter abschneiden [3, 24].

Als häufigste Gründe für Revisionen von anatomischen Schulterprothesensystemen werden in absteigender Reihenfolge Lockerungen der glenoidalen Komponente, sekundäre Rotatorenmanschettendefekte mit Funktionsverlust, Schmerzen mit und ohne Gelenksteife, Instabilitäten, Infektionen und Humeruskomponenten-Lockerungen angeführt [29].

Als häufigste Revisionsgründe für inverse Schulterprothesensysteme werden Instabilitäten, Infektionen, Lockerungen der glenoidalen und humeralen Komponente, periprothetische Frakturen und das Notching angegeben [8].

Barlow [2] kommt nach einer Analyse von 108 Hemiprothesen (HA) und 195 Totalendoprothesen (TSA) bei Patienten mit RA bei einem Nachuntersuchungszeitraum von 5 und 10 Jahren zu einer vergleichbaren Implantatüberlebensrate von 96 %, bzw. 92 % für TSAs und 89 % bzw. 88 % für HAs.

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