Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Sarkommodelle
Von der Grundlagenforschung zum PatientenFrom bench to bedside

Birgit Lohberger1, Beate Rinner2, Bernadette Liegl-Atzwanger3, Andreas Leithner1

Zusammenfassung: Im Bereich der Weichteilsarkome gelangen in den letzten Jahren trotz der Einführung der „targeted therapy“ kein entscheidender Durchbruch in der medikamentösen Therapie und keine wesentlichen Verbesserungen der Überlebensraten. Grund dafür sind die hohe Heterogenität dieses Tumortyps, ein begrenztes Wissen über die molekularen Faktoren der Tumorentwicklung und -progression und eine niedrige Inzidenz der einzelnen Sarkom-Subtypen, welche die Durchführung klinischer Studien zu einer Herausforderung macht. Für die Entwicklung neuer zielgerichteter Therapeutika ist eine intensive Beforschung der Tumorbiologie mittels präklinischer Studien unabdingbar.

Neben der herkömmlichen 2D-Zellkultur hat sich in den letzten Jahren die moderne Zellkultur immer stärker in Richtung dreidimensionaler Modelle entwickelt, welche dem physiologischen Ist-Zustand am besten entspricht. Durch die 3D-Kultivierung werden die Architektur des Spendergewebes imitiert und sowohl Zell-Zell- als auch Zell-Matrix-Wechselwirkungen ermöglicht. Neben 3D-Kulturen mit verschiedenen Trägermaterialien können auch sogenannte Sphäroidkulturen gezüchtet und organotypische Schnittkulturen oder patientenspezifische Tumororganoide für unterschiedliche Fragestellungen verwendet werden. Obwohl grundsätzlich die 3-R-Regel (reduce, refine, replace) gelten sollte, kann in der biomedizinischen Grundlagenforschung nicht vollständig auf tierexperimentelle Studien verzichtet werden. Ein unkomplizierter, pflegeleichter und preisgünstiger Modellorganismus ist die Larve des Zebrafisches. Zudem ermöglicht das klassische In-vivo-Mausmodell die Erforschung histologischer, genetischer und epigenetischer Merkmale.

Schlüsselwörter: Sarkom, Therapieresistenz, Zellkultur, 3D-Sphäroidkulturen, Xenograft-Modelle

Zitierweise
Lohberger B, Rinner B, Liegl-Atzwanger B, Leithner A: Sarkommodelle. Von der Grundlagenforschung zum Patienten.
OUP 2018; 7: 068–072 DOI 10.3238/oup.2018.0068–0072

Summary: Despite the recent introduction of “targeted therapy“ in the field of soft tissue sarcomas, no decisive breakthrough has been achieved in terms of pharmaceutical therapy or survival chances. The reason for this are the high heterogeneity of this tumor type, limited knowledge of the molecular factors causing tumor development and progression and a low incidence of the various sarcoma subtypes, which makes clinical studies challenging.

In order to develop new targeted therapies, intensive research on tumor biology using pre-clinical studies is essential. Aside from conventional 2D cell culture, in recent years modern cell culture has increasingly moved towards threedimensional models, which offer a better representation of physiological conditions. In 3D cell culture, the architecture of the donor tissue can be imitated and cell-to-cell as well as cell-to-matrix interactions are possible. Aside from 3D cultures using various scaffold materials, so-called spheroid cultures can also be performed, as well as organotypic section cultures or patient specific tumor organoids, depending on the research question. Although generally the 3R rule (reduce, refine, replace) should be followed, fundamental biomedical research cannot completely abstain from animal experimentation. The zebra fish larva is an uncomplicated, low maintenance and economical model organism. Furthermore, the classic in vivo mouse model allows research into histological, genetic and epigenetic characteristics.

Keywords: sarcoma, therapy resistance, cell culture,
3D spheroid cultures, xenograft models

Citation
Lohberger B, Rinner B, Liegl-Atzwanger B, Leithner A: Sarcoma
models. From bench to bedside.
OUP 2018; 7: 068–072 DOI 10.3238/oup.2018.0068–0072

1 Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Medizinische Universität Graz, Österreich

Einleitung

Im Gegensatz zu den häufigeren Tumorarten wie Brustkrebs, malignem Melanom oder Lungenkrebs gibt es im Bereich der eher seltenen, primär malignen Knochen- und Weichteiltumore nur geringe Verbesserungen in der medikamentösen Therapie und zumeist keine wesentlichen Verbesserungen der Überlebensraten [24]. Die 5-Jahres-Überlebensraten von PatientInnen mit Osteosarkomen haben seit den 1980er Jahren ein Plateau von ca. 60 % erreicht [2]. Hinsichtlich der Weichteilsarkome gelang trotz der Einführung der „targeted therapy“ kein entscheidender Durchbruch. Als einzige Ausnahme ist hier die Therapie von myxoiden Liposarkomen mit dem Wirkstoff Trabectedin zu nennen, ein Tetrahydroisochinolin-Alkaloid. Der Mangel an innovativen Ansätzen bei der Sarkombehandlung resultiert aus der hohen Heterogenität dieses Tumortyps mit mehr als 70 verschiedenen histopathologischen Subtypen und dem begrenzten Wissen über die molekularen Faktoren der Tumorentwicklung und Tumorprogression [8, 12]. Die aktuell im Mai 2017 im Lancet Oncology publizierten Ergebnisse einer internationalen, open-label, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie zeigten überraschend eine Überlegenheit der bisherigen Standard-Chemotherapie im Vergleich zu einer innovativeren „Histiotyp-spezifischen“ Therapie [10]. Auch wenn diese Studie in mehrfacher Hinsicht kritisiert wird, zeigt sich doch, dass bei Knochen- und Weichteilsarkomen intensiv an neuen medikamentösen Therapieansätzen geforscht werden muss. Die niedrige Inzidenz der einzelnen Sarkom-Subtypen stellt nach wie vor eine Herausforderung für die Durchführung klinischer Studien dar [7].

Um die Tumorbiologie besser zu verstehen und zielgerichtete innovative Therapeutika zu entwickeln, sind präklinische In-vitro- und In-vivo-Studien erforderlich. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über derzeitige Modelle für die Grundlagenforschung im Bereich der Knochen- und Weichteilsarkome geben. Mit Hilfe der Methoden, die auf Basis der Zellkultur und der Genetik aufbauen, soll die Pathophysiologie und die Tumorgenese dieser seltenen Entitäten erforscht werden. Zudem spielen auch adäquate In-vivo-Modelle eine wichtige Rolle.

Zelluläre
Grundlagenforschung

In der zellulären Grundlagenforschung im Bereich der Sarkome kommt der Etablierung neuer Zelllinien eine besondere Bedeutung zu, da die Anzahl an öffentlich zugänglichen Zelllinien sehr gering ist. Bei den renommierten Zellbanken wie ATCC (American tissue culture collection), CLS (Cell line services) oder DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zelllinien) sind nur von einzelnen Sarkomentitäten mehrere Zelllinien erhältlich. Nur bei häufiger vorkommenden Sarkomtypen wie Osteosarkome, Leiomyosarkome oder Rhabdomyosarkome kann man auf eine ausreichende Anzahl unterschiedlicher Zelllinien zurückgreifen, wohingegen von anderen Sarkomarten, wie z.B. dem Synovialsarkom, nur eine einzige Zelllinie zur Verfügung steht. Von sehr seltenen Subtypen wie dem alveolären Weichteilsarkom gibt es gar keine verfügbare Zelllinie [19]. Aufgrund dieser Einschränkungen konzentrieren sich verschiedene Arbeitsgruppen auf die Etablierung und Charakterisierung neuer Sarkomzelllinien.

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