Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Sarkommodelle
Von der Grundlagenforschung zum PatientenFrom bench to bedside

Die molekularen Veränderungen während einer langen Kultivierungsdauer sind ein bekanntes Phänomen. Nach ca. 40 Passagen kommt es zu einem deutlichen Anstieg bei den LOHs (Verlust der Heterozygotie). Um die genetischen Unterschiede zwischen den Subklonen, Mykoplasmenkontaminationen und Verunreinigungen mit anderen Zelllinien zu vermeiden, untersuchte das EuroBoNet Konsortium 2010 36 Osteosarkom-, Ewing-Sarkom- und Chondrosarkom-Zelllinien [17].

Die Tumorheterogenität ist ein besonderes Charakteristikum humaner Tumorerkrankungen. Dabei können sich die Zellen innerhalb eines Tumors bezüglich ihrer Morphologie, ihrer Genexpression, ihres Metabolismus und ihrem Metastasierungspotenzial deutlich voneinander unterscheiden. Diese Heterogenität macht unter anderem die Behandlung von Tumoren so schwierig, da eine Tumorprobe (aus einer Biopsie) nicht zwingend repräsentativ für die gesamte Tumormasse ist. Das von Lohberger et al. etablierte Myxofibrosarkom-Tumorheterogenitätsmodel stellt ein nützliches Instrument dar, um tiefere Einblicke in die Tumorpathogenese und Tumorheterogenität von Myxofibrosarkomen zu erhalten und neue Behandlungsmöglichkeiten erforschen zu können [16].

Da die herkömmliche Zellkultur mit Sarkomzelllinien einfach zu handhaben und kostengünstig ist, finden sie ein breite Anwendung in der präklinischen Forschung. Besonders für das pharmakologische Screeningverfahren neuer Wirkstoffgruppen werden systematisch standardisierte, zelluläre Tests an Zelllinien durchgeführt, um neue mögliche Targets für eine Therapie zu finden. Die größten Nachteile dieser Modelle sind jedoch das Fehlen dreidimensionaler (3D) Strukturen und das fehlende Zusammenspiel zwischen der Tumorzelle und ihrem natürlichen zellulären Umfeld [1].

3D-In-vitro-Modelle

Sphäroide

In den letzten Jahren hat sich daher die moderne Zellkultur immer stärker in Richtung 3D-Modelle entwickelt, welche den physiologischen Ist-Zustand am ehesten wiederspiegeln. In der konventionellen 2D-Zellkultur breiten sich adhärente Zellen auf einer Plastikoberfläche als sogenannter „Monolayer“ aus, das heißt als einzellige Schicht. Sie wachsen zu einem dichten Zellrasen heran, hören aber auf sich zu teilen, sobald sie zu dicht werden. Man spricht hier von der sogenannten Kontaktinhibition. Es kommt zu einer Veränderung der Zellmorphologie und der RNA- und Proteinexpression [13, 22]. Im menschlichen Körper jedoch wachsen Zellen in Zellverbänden und Organen, und die sind nun mal nicht flach, sondern dreidimensional. Durch die dreidimensionale Kultivierung werden die Architektur des Spendergewebes imitiert und Zell-Zell- bzw. Zell-Matrix-Wechselwirkungen ermöglicht [1].

Grundsätzlich gibt es 3D-Kulturen mit und ohne Trägermaterialien. Beispiele für 3D-Trägermaterialien sind Matrigel, Agarose, Methylcellulose, Fibrin oder der Kollagenschwamm. Letzterer eignet sich sowohl für statische wie auch für dynamische (Rollerkultur) Systeme oder bioreaktorgestützte Zellkulturen. Die 3D-Kultivierung funktioniert aber auch ohne Träger, etwa bei der Sphäroidkultur. Sphäroide sind kugelig aggregierte Zellhaufen, die nicht an ein übliches Zellkultursubstrat gebunden wachsen (Abb. 1). Diese Sphäroide sind hervorragend für die Tumorforschung geeignet, da sie auch in Kombination mit anderen Zelltypen – wie z.B. Fibroblasten aus dem umliegenden Bindegewebe (sogenannte Tumor assoziierte Fibroblasten) – als Co-Kultur gezüchtet werden können. In dieser Versuchsanordnung können auch Interaktionen zwischen den verschiedenen Zelltypen erforscht werden.

Voissiere et al. etablierten ein 3D-Chondrosarkommodell für pharmakologische Analysen von Chemotherapeutika [27]. Hierbei werden die Tumorzellen mit Bestandteilen der extrazellulären Matrix wie Glykosaminoglykane und Typ-II-Kollagen kombiniert. Sphäroidkulturen aus kommerziell erhältlichen Osteosarkomzellen (MG63) und Fibrosarkomzellen (HT1080) waren resistent gegen Doxorubicin und Cisplatin [9]. Salerno et al. zeigten, dass Sphäroidkulturen nach einer Transplantation in Mäusen Tumore ausbilden, welche dem ursprünglichen Primärtumor entsprechen [20]. Modifizierungen der Zellkulturbedingungen, wie z.B. die Reduktion der O2-Bedingungen, erhöhen das Wachstum dieser 3D-Kulturen.

Bei all den neuen Techniken, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, darf man aber nicht vergessen, dass die 3D-Zellkultur keine neuartige Erfindung ist. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts züchtete der amerikanische Anatom und Zoologe Ross Granville Harrison Nervenzellen in einem Tropfen aus Lymphflüssigkeit, der an der Unterseite eines Deckgläschens hing. Die sogenannte Hanging-drop-Methode war geboren. Die von Harrison verwendeten Nervenzellen konnten sich in dem über einer kleinen Vertiefung des Objektträgers hängenden Tropfen ungestört in alle 3 Richtungen des Raums ausbreiten [4].

Organotypische Schnittkulturen

Immortalisierte Zelllinien, welche sich beliebig häufig teilen und in sich in einer Zellkultur theoretisch unbegrenzt vermehren, sind eines der wichtigsten Instrumente in der medizinischen Forschung. Durch langfristige Kultivierung unterscheiden sich jedoch die Zellen in ihren molekularen und phänotypischen Eigenschaften stark von den Herkunftszellen. Um diese Einschränkungen zu überwinden, können direkt aus frischem Tumorgewebe sog. organotypische Schnittkulturen angelegt werden. Vor allem für die molekulare Charakterisierung vor und nach einer medikamentösen Behandlung ist diese Methode besonders geeignet [26]. Gewebeschnitte können allerdings nur für wenige Tage in Kultur gehalten werden. Somit ist der Anwendungsbereich dieses Modells eingeschränkt.

Mit Hilfe von Tumororganoid-Modellen, die direkt aus PatientInnen isoliert worden sind und eine entsprechend umfassende Anamnese und detaillierte genomische Informationen aufweisen, können unterschiedliche Substanzen in einem Hochdurchsatz-Screening getestet werden [18]. Die direkte Korrelation zwischen dem Tumorgenom und der Behandlung ermöglicht personalisierte Medizin und eine Verbesserung in der PatientInnen-Behandlung. Organoide Technologien sind somit in der Tumorforschung im Bereich zwischen in vitro und in vivo angeordnet.

In-vivo-Modelle

Die In-vitro-Studien liefern Hinweise zum Wirkmechanismus, zur Verträglichkeit und zur möglichen Dosierung eines späteren Medikaments. Aus den Ergebnissen im „Tiermodell” lassen sich zwar nur ungefähre Rückschlüsse auf die Effekte eines Medikaments auf den menschlichen Körper ziehen, man erhält jedoch wichtige Informationen bezüglich der Toxizität, wie der Organismus ein Arzneimittel verarbeiten wird und über welche Organe er welche Abbauprodukte wieder ausscheidet.

Zebrafisch

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