Originalarbeiten - OUP 05/2014

Schmerzhafte Einschränkung der Unterarmdrehung durch das gestörte distale Radioulnargelenk nach Radiusfraktur
Rekonstruktion oder Rettungsoperation?Reconstruction or salvage procedure?

H. Haferkamp1

Zusammenfassung: Die schmerzhafte Einschränkung der Unterarmdrehung durch das gestörte distale Radioulnargelenk (DRUG) ist meist Folge einer Radiusfraktur, sei es, dass das DRUG unmittelbar in die Fraktur mit einbezogen ist oder auch durch eine Zerstörung der radioulnaren Bandverbindung. Bei der Primärversorgung einer frischen Fraktur sollte eine anatomische Rekonstruktion des Radius mit stufenfreier Wiederherstellung der Gelenkflächen im Radiokarpal- wie auch Radioulnargelenk erreicht werden. Bei der fehlverheilten Radiusfraktur ist das Radioulnargelenk im Prinzip intakt, die Funktionseinschränkung resultiert aus der Inkongruenz des Ellenkopfs mit dem fehlgestellten Radius. Zusätzlich führt die Fehlstellung wie auch ein Zusammensintern des Radius zu einer meist deutlichen Verkürzung desselben mit daraus resultierendem Ellenvorschub mit Ulna-Impaction-Syndrom.

Die Korrekturosteotomie des Radius stellt die Kongruenz des Radioulnargelenks wieder her, durch Beseitigung der Achsenfehlstellung einerseits, andererseits auch durch Erreichen der korrekten Höhe des Radius und beseitigt somit auch das Ulna-Impaction-Syndrom. Hier kann in den meisten Fällen eine restitutio ad integrum mit ungestörter Rotation erreicht werden.

Finden wir hingegen eine Arthrose im Radioulnargelenk oder auch eine veraltete Bandruptur radioulnar, so kann man die Problematik des Radioulnargelenks durch eine Radiuskorrektur nicht beseitigen. Hier sind dann Rettungsoperationen (z.B. radioulnare Arthrodese nach Kapandji, Hemiresektionsarthroplastik des Ellenkopfs nach Bowers oder auch Ulnarkopfprothese) indiziert.

Schlüsselwörter: Radiusfraktur, zerstörtes Radioulnargelenk,
Korrekturosteotomie des Radius, Rettungsoperation

Zitierweise
Haferkamp H. Schmerzhafte Einschränkung der Unterarmdrehung durch das gestörte distale Radioulnargelenk nach Radiusfraktur.
Rekonstruktion oder Rettungsoperation?
OUP 2014; 5: 244–255. DOI 10.3238/oup.2014.0244–0255

Abstract: The most important reason of painful restricted forearm rotation results from fracture of the distal radius combined with restriction of the distal radioulnar joint (DRUJ). In case of obsolete dislocation of radial fracture, the DRUJ can be reconstructed by reconstructive osteotomy of the radius. It aims at recovering the normal position and simultaneous strengthening of the radius to
eliminate incongruence of the DRUJ and simultaneously ulnar-impaction-syndrome.

In case of destroyed DRUJ, osteoarthritis or obsolete rupture of the radioulnar joint, the restoration of the joint is not possible, only a salvage procedure (Kapandji, Bowers or ulnar head prosthesis) can restore the function of DRUJ.

Keywords: radius fracture, destroyed radioulnar joint, reconstructive osteotomy of the radius, salvage procedure

Citation
Haferkamp H. The painful restricted forearm rotation by disorder of the distal radioulnar joint after radial fracture. Reconstruction or salvage procedure?
OUP 2014; 5: 244–255. DOI 10.3238/oup.2014.0244–0255

Einleitung

Die frische Radiusfraktur erfordert eine exakte Rekonstruktion des Radius mit stufenfreier Wiederherstellung der beteiligten Gelenke. Leider richtet sich die gesamte Aufmerksamkeit meist auf den Radius und insbesondere das Radiokarpalgelenk. Dabei werden häufig die in der Konsequenz sehr wichtigen Begleitverletzungen übersehen. Abgesehen von den karpalen Läsionen, wie z.B. die radioulnare Bandruptur oder auch Kahnbeinfrakturen, sehen wir häufig veraltete Läsionen am Radioulnargelenk im Form einer Arthrose oder einer persistierenden Instabilität des Radiuskopfs mit Dislokation als Folge der Bandruptur. Sowohl die fehlverheilte Radiusfraktur, wie auch die Zerstörung des Radioulnargelenks führen zu einer erheblichen, ausgesprochen schmerzhaften Einschränkung der Rotation des Unterarms. Die eingeschränkte Rotation führt zu wesentlich größeren funktionellen Beschwerden als beispielsweise die Arthrose im Radiokarpalgelenk. Die Rotation entscheidet darüber, ob wir ggf. mit dem Löffel noch essen, uns die Haare waschen, insbesondere die persönliche Hygiene (Zähneputzen, Toilette) durchführen können und bedeutet ggf. einen schweren Eingriff in die Autonomie des Patienten.

Bei dem in Fehlstellung verheilten Radius ist das Radioulnargelenk zwar noch intakt, dennoch ist die Funktion erheblich gestört, da es bezüglich der Kongruenz des Gelenks – einerseits durch die Abkippung des Radius, andererseits durch die damit verbundene Verkürzung – zu einer Ellenverlängerung kommt. Daraus resultiert ein sogenanntes Ulna-Impaction-Syndrom mit permanenter Traumatisierung des ulnaren Carpus und auch des dazwischen liegenden TFCC-Komplexes.

In diesem Falle ist die Korrekturosteotomie das Mittel der Wahl und kann ggf. zu einer restitutio ad integrum und völligen Beseitigung der Beschwerden im Radioulnargelenk führen [1]. Durch die Wiederherstellung der Radiuslänge wird gleichzeitig das Ulna-Impaction-Syndrom beseitigt. Ist das Radioulnargelenk jedoch durch Arthrose oder veraltete Bandruptur zerstört, ist die Korrekturosteotomie des Radius nicht mehr indiziert. Versuche, mit Bandplastiken die Stabilität des Ellenkopfs wiederherzustellen, haben zu nicht befriedigenden Ergebnissen geführt. In diesem Fällen bleiben uns nur noch die sogenannten Rettungsoperationen, um wieder eine befriedigende, zumindest deutlich gebesserte und insbesondere schmerzfreie Rotation im Unterarm zu ermöglichen.

Korrekturosteotomie
des Radius

Abbildung 1 zeigt ein Röntgenbild einer 52-jährigen Patientin mit Z.n. Radiusfraktur loco typico, die konservativ behandelt wurde. Ausheilung in Fehlstellung mit dorsaler Abkippung von ca. 40° (unter Berücksichtigung der normalen Inklination des Radius nach palmar von ca. 10°). Das AP-Bild zeigt eine Verkürzung des Radius mit Minderung des sog. Böhler-Winkels und dadurch bedingtem Ellenvorschub.

Klinisch bestand eine deutliche schmerzhafte Einschränkung der Unterarmrotation mit Ulna-Impaction-Syndrom. Bei Schwellung der Hand bestand zudem der Verdacht auf eine erhebliche Sudecksche Reflex-Dystrophie bzw. CRPS 1. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Sudeck keine absolute Kontraindikation gegen eine Operation ist. Im Gegenteil, eine fortbestehende Fehlstellung des Handgelenks mit den dadurch bedingten Schmerzen unterhält die Reflex-Dystrophie. Vor einem operativen Eingriff ist es jedoch erforderlich, die Schmerzen und die Symptomatik durch eine entsprechende schmerztherapeutische Behandlung in Kombination mit physiotherapeutischen Maßnahmen, u.a. auch Lymphdrainagen, zu reduzieren, wenn nicht gar zu beseitigen. Dies kann ggf. 1–2 Monate in Anspruch nehmen. Wir haben dann die Korrekturosteotomie 2 Monate später nach deutlicher Reduzierung der lokalen Symptomatik und auch der Schmerzen durchgeführt. Besonders wichtig ist die begleitende Schmerztherapie nach der Operation, ggf. ist das Anlegen eines Plexus-Katheters für einige Tage erforderlich. Die Patientin war schon nach wenigen Tagen völlig beschwerdefrei, sodass auch mit physiotherapeutischen Übungen vorsichtig begonnen werden konnte.

Abbildung 2 zeigt das Röntgenbild ca. 2 Monate später mit annähernd normaler Winkelstellung des Radius in beiden Ebenen. Ausgleich des Ellenvorschubs durch Erreichen der korrekten Länge des Radius. Nach intensiver physiotherapeutischer Behandlung ergab sich dann eine völlig freie Rotation des Unterarms in Supination und Pronation und die Beseitigung der Beschwerden auch bei funktioneller Belastung.

Die folgenden Abbildungen illustrieren das operative Vorgehen bei Korrekturosteotomien [2]. Dabei hat sich in den letzten Jahren insbesondere der palmare Zugang mit Verwendung einer winkelstabilen Platte bewährt, da dadurch Korrekturverluste wie bei der Verwendung von konventionellen Platten vermieden werden können.

Abbildung 3a zeigt die palmare Anlage der winkelstabilen Platte am distalen, in einer dorsalen Fehlstellung von 30° konsolidierten Radius. Nach Anzug der winkelstabilen Schrauben steht der übrige Plattenanteil mit dem erforderlichen Korrekturwinkel von 30° vom Radiusschaft ab.

Auch der Inklinationswinkel in der radiologischen AP-Ebene kann gleichzeitig korrigiert werden, wenn man die Platte entsprechend dem notwendigen Korrekturwinkel nach ulnar verschiebt (s. Abb. 3b).

Danach erfolgt die Osteotomie des Radius unmittelbar im ehemaligen Frakturbereich. Eine Osteotomie weiter proximal des Frakturbereichs ist nicht sinnvoll, da es dann zu einer Verschiebung der Radiusfragmente gegeneinander kommt. Sofern die Platte bei der Osteotomie stört, muss sie ggf. kurz vorübergehend entfernt werden. Nach erfolgter Osteotomie wird dann die Platte mit winkelstabilen Schrauben am distalen Radiusfragment wieder angeschraubt. Durch Anlegen der Platte an den Radiusschaft und Verschieben nach radial, kann gleichzeitig die seitliche sowie auch die AP-Fehlstellung korrigiert werden. Nach provisorischer Fixierung des Plattenschafts am Radius wird zunächst eine intraoperative Röntgenkontrolle durchgeführt. Üblicherweise ist durch die Achsenkorrektur des Radius auch die Verkürzung des Radius ausgeglichen. Sollten die Radiuswinkel in beiden Ebenen stimmen, jedoch weiterhin noch ein gewisser Ellenvorschub bestehen, wird zunächst eine Schraube im distalen Anteil des Gleitlochs eingebracht, durch Verschieben der Platte im Gleitloch nach distal ist eine weitere Längenkorrektur des Radius möglich (eine Platte mit einem größerem Gleitloch wäre für eventuell ausgedehntere Längenkorrekturen sinnvoll). Erst wenn bei der Röntgenkontrolle die Winkelstellung der Radiusgelenkfläche in beiden Ebenen annähernd normalisiert und auch der Ellenvorschub ausgeglichen ist, können die restlichen Schrauben im Plattenschaft eingebracht werden (s. Abb. 3c und d).

Der Osteotomiespalt hat sich um den Korrekturwinkel geöffnet (hier 30°). Er sollte dann mit Beckenkammspongiosa aufgefüllt werden. Bei osteoporotischem Knochen ist ggf. die Interposition eines corticospongiösen Knochenblocks erforderlich, da die Gefahr bestehen könnte, dass trotz winkelstabiler Schrauben diese im Knochen nicht halten könnten.

Postoperativ wird der Patient mit einer Gipsschiene bei freier Fingerbeweglichkeit für 4 Wochen versorgt. Wichtig ist eine begleitende Schmerzbehandlung. Es sollte jedoch schon frühzeitig mit einer vorsichtigen Bewegungsübung auch im Handgelenkbereich unter physiotherapeutischer Anleitung begonnen werden.

Rettungsoperation

Bei irreversibler Zerstörung des Radioulnargelenks, sei es bei veralteter Ruptur der radioulnaren Ligamente (Abb. 4a) oder auch Arthrose im Radioulnargelenk (Abb. 4b) sind nur noch Rettungsoperationen möglich.

Abbildung 5 zeigt 4 verschiedene Möglichkeiten der Korrektur mit Ellenverkürzung, Resektion des Ellenkopfs (sogenannte Darrach-Operation), radioulnare Arthrodese mit distaler Ellenteilresektion nach Kapandji und die Hemiresektionsarthroplastik des Ellenkopfs nach Bowers.

Die Verkürzungsosteotomie der Elle macht keinen Sinn bei fehlgestelltem Radius, da selbst bei Längenausgleich durch Verkippung des Radius weiterhin eine Inkongruenz des Radioulnargelenks gegeben ist. In diesem Falle ist die zuvor beschriebene Korrekturosteotomie des Radius mit Längenausgleich indiziert.

Die Verkürzungsosteotomie ist jedoch ausnahmsweise indiziert, wenn es in Folge der Radiusfraktur zu einer Verkürzung des Radius gekommen ist, jedoch der Radius in beiden Ebenen winkelstabil steht (s. Abb. 6). Hier konnte bei alleiniger Ellenverkürzung die Kongruenz des Radioulnargelenks wiederhergestellt werden. Der Patient hatte danach eine freie Rotation und war auch Jahre später völlig beschwerdefrei (Vater eines Kollegen, deshalb waren auch noch längerfristige Befundkontrollen möglich).

Die erwähnte Ellenkopfresektion (Darrach) ist keine geeignete Lösung, um die Probleme des Radioulnargelenks zu beseitigen, da dadurch eine ulnare Destabilisierung des Handgelenks herbeigeführt wird mit ulnarer Translokation des Carpus.

Abbildung 7 zeigt eine Darrach-Situation des Handgelenks. Es handelte sich um einen jungen Schreiner, der sich bei Bühnenarbeiten im Staatstheater in Kassel eine streckseitige Kreissägenverletzung zuzog mit Durchtrennung etlicher Strecksehnen und völliger Zerstörung des Ellenkopfs. Der Radius wurde eben angeschnitten. Der Defekt konnte mit kleinen Resten vom Ellenkopf aufgefüllt wurden (s. Pfeil). Zugleich bestand eine Durchtrennung des Nervus ulnaris, wobei erstaunlicherweise die Arteria ulnaris unverletzt war. Die Strecksehnen wurden sofort genäht, in einer späteren Sitzung wurde der Defekt im Nervus ulnaris durch eine Suralis-Transplantation überbrückt. Nach entsprechender Übungsbehandlung fand sich später eine gute Beuge- und Streckfunktion aller Finger, und auch eine zwar eingeschränkte, aber doch in Hinblick auf Motorik und Sensibilität nutzbare Funktion des Nervus ulnaris. Dennoch konnte die Darrach-Situation am Handgelenk, insbesondere in der beruflichen Tätigkeit als Schreiner, nicht belassen werden. In der Handchirurgischen Klinik in Bad Neustadt an der Saale wurde dann durch einen prothetischen Ersatz des Ellenkopfs die Funktion des Radioulnargelenks wieder hergestellt (s. Abb. 8). Der Patient ist nach nunmehr 15 Jahren weiterhin im Staatstheater Kassel als Bühnenarbeiter tätig.

Radioulnare Arthrodese
des DRUG mit
distaler Ellenteilresektion nach Kapandji

Diese Methode wurde erstmals von Sauvé und Kapandji 1936 beschrieben [3]. Die Problematik des Radioulnargelenks wird durch die radioulnare Arthrodese beseitigt; durch die Resektion eines etwa 2 cm großen Ellenstücks unterhalb des Ellenkopfs wird gewissermaßen ein neues Drehgelenk geschaffen. Ein bestehender Ellenvorschub kann dabei ebenfalls durch Herunterziehen des Ellenkopfs ausgeglichen werden [4, 5]. Dies sollte bei der Bemessung des Resektionsspalts der Elle mit berücksichtigt werden. Ein vom Ellenresektat entnommener Knochen wird daher zusätzlich zwischen Ellenkopf und Speiche interponiert (s. Abb. 9).

Es ist ein insgesamt etwas kompliziertes Verfahren, welches von uns dahin gehend modifiziert wurde, dass wir nur eine Spongiosa-Zugschraube verwenden, die nach Entknorpelung des Radioulnargelenks durch den Ellenkopf in den Radius hineingebracht wird. Dazwischen wird Spongiosa, die aus dem Ellenresektat entnommen wurde, in die Arthrodese interponiert. Die Resektionsflächen am proximalen und distalen Ellenanteil werden durch Aufsteppen des eingekerbten Pronator quadratus mitsamt anheftendem Periost gedeckt [6]. Dies dient der Stabilität insbesondere des proximalen Ellenschafts, bewirkt eine Polsterung der Resektionsenden und vermindert auch die Gefahr der lokalen Verkalkung im Resektionsspalt (s. Abb. 10).

Abbildung 11a zeigt die Röntgenbilder des Patienten mit Arthrose im Radioulnargelenk (s. auch Abb. 4). Abbildung 11b zeigt den Zustand nach Durchführung der radioulnaren Arthrodese mit Spongiosa-Zugschraubung und Spongiosa-Interposition mit distaler Ellenteilresektion. Abbildungen 11c-d zeigen den Zustand nach 3 bzw. 12 Jahren. Es findet sich eine breite knöcherne Überbrückung zwischen Ellenkopf und Radius. Der Patient hatte auch nach 12 Jahren eine uneingeschränkte Rotation und war völlig beschwerdefrei. Die angedeutete radiokarpale Arthrose hat sich in den dazwischen liegenden 12 Jahren nicht verschlimmert.

Besonders interessant ist der Fall einer 60-jährigen Patientin, die wir 16 Jahre zuvor mit einer radioulnaren Arthrodese mit distaler Ellenteilresektion nach Kapandji versorgten. Sie kam jetzt mit einem völlig anderen handchirurgischen Problem. Sie zeigte eine unauffällige Handfunktion. Die Rotation war frei und sie war, vom aktuellen handchirurgischen Problem abgesehen, im Bereich des Handgelenks völlig beschwerdefrei. Das jetzige Röntgenbild zeigte eine Osteointegration des Ellenkopfs in den Radius, wobei im AP-Bild beide wie ein Knochen erscheinen (s. Abb. 12). Da der Radius nun als alleiniger Kraftüberträger auf den Carpus funktionieren muss, ist es zu einer ulnaren Abknickung des Radius gekommen, welche die Patientin jedoch nicht im Geringsten stört.

Fehler, Gefahren und
Komplikationen

Abbildung 13a zeigt das Bild einer Patientin bei Z.n. Radiusfraktur, die zwar achsengerecht steht, durch Radiusverkürzung ist es jedoch zu einem Ellenvorschub mit entsprechenden Beschwerden gekommen. Im Seitenbild erkennt man eine dorsale Luxation der Elle. Hier wurde zunächst eine Radiusverkürzungsosteotomie durchgeführt, dadurch wurde zwar ein Niveau-Ausgleich zwischen Elle und Speiche erreicht, jedoch bestand das Problem des Radioulnargelenks unverändert weiter. Auch weiterhin ist die dorsale Luxation der Elle im Seitenbild zu beobachten (Abb. 13b). Erst die radioulnare Arthrodese nach Kapandji (Abb. 13c) löste das Problem des Radioulnargelenks und führte zu einer fast normalen Rotation mit Beseitigung der Beschwerden (Abb. 13c unten).

Abbildung 14a zeigt einen Fall (bei insgesamt 91 Patienten, die wir nach Kapandji versorgten) mit knöcherner Überbrückung der Lücke im Bereich der Ellenresektion. Dadurch bedingt konnte natürlich die radioulnare Arthrodese nicht ausheilen. Man hätte diese Komplikation mit einer nochmaligen Resektion der Knochenbrücke und zusätzlicher Anfrischung der radioulnaren Arthrodese einschließlich Spongiosaplastik korrigieren können. Der Patient ist jedoch zur Weiterbehandlung nicht mehr erschienen.

In einem weiteren Fall fand sich ein Kugelkallus am distalen Stumpf der Elle, der zu einem schmerzhaften Impingement mit dem Radius führte (Abb. 14b). Nach Resektion des Kugelkallus war der Patient beschwerdefrei.

Abbildung 15a zeigt das Unfallbild eines jungen Zweiradmechanikers, der sich bei einem Motorradunfall eine völlige Zertrümmerung des distalen Radius und eine Radiusköpfchenfraktur zuzog. Er wurde außerhalb mit einer Plattenosteosynthese versorgt, die hier angefertigten Röntgenbilder (Abb. 15b) zeigen weiterhin einen ausgeprägten Ellenvorschub. Das Radioulnargelenk ist zerstört mit partieller Pseudarthrose des Radius. Zugleich finden sich Folgen einer ausgedehnten Läsion im Ellenbogenbereich mit Deformierung des Radiusköpfchens bei Verdacht auf knöchernen Kapselabriss im Bereich des Processus coronoideus. Diese kombinierte Läsion am Hand- und Ellenbogengelenk lässt an eine Essex-Lopresti-Läsion denken, mit Rotationsstörung im distalen wie proximalen Radioulnargelenk mit gleichzeitiger, langstreckiger Zerreißung der Membrana interossea.

Rotationskorrigierende Eingriffe an den Drehgelenken sind in diesem Fall meist nicht von Erfolg gekrönt. Wir haben dennoch im Hinblick auf den Ellenvorschub mit Ulna-Impaction-Syndrom eine radioulnare Arthrodese nach Kapandji durchgeführt. Hierbei wurde die Resektionsgrenze von der Elle von ca 25 mm überschritten, ohne dass dies nachteilige Folgen für den Patienten hatte. Ein Ellenschnappen war nicht nachzuweisen. Die Rotation hatte sich in der Pronation um 20°, bei der Supination dennoch um 35° gebessert. Der Patient hat sich Jahre später wegen eines Problems an der anderen Hand bei mir wieder vorgestellt. Er arbeitet weiterhin in seinem Beruf als Zweiradmechaniker und hat keine wesentlichen Beschwerden (Abb. 15c).

Insgesamt hatten wir 3 Patienten mit einer unvollständigen Durchbauung des Radioulnargelenks. Abbildung 16 zeigt einen Zustand nach Kapandji, wobei wir bei vermeintlicher knöcherner Durchbauung die Schraube bereits entfernt hatten. Bei persistierenden Beschwerden zeigte erst das Röntgenbild die Pseudarthrose zwischen Elle und Speiche. In allen 3 Fällen wurde die radioulnare Arthrodese mit Anfrischen der Knochenflächen und nochmaliger Interposition von Spongiosa und Verschraubung ausgeheilt. Nach knöcherner Durchbauung waren die Beschwerden verschwunden und die Rotation frei.

Hemiresektionsarthroplastik des Ellenkopfes nach Bowers

Bei der Hemiresektionsarthroplastik nach Bowers [7] wird eine Schrägosteotomie des Ellenkopfs durchgeführt (Abb. 17). Um ein Impingement zwischen dem teilresezierten Ellenkopf und dem Radius zu vermeiden (Abb. 17a) wird ein Sehnenpolster interponiert (Abb. 17b). Bei Ellenvorschub kann ggf. eine Verkürzungsosteotomie an der Ellenspitze durchgeführt werden (Abb. 17c).

Die radioulnare Arthrodese mit distaler Ellenteilresektion nach Kapandji und die Schrägosteotomie des Ellenkopfs nach Bowers stehen sich konkurrierend gegenüber und führen im Prinzip zu gleichwertigen Ergebnissen. Beide haben die Problematik der Instabilität des proximalen Ellenstumpfs, die wir bei unseren Kapandji-Operationen jedoch nur in 2 Fällen als persistierendes Problem gesehen haben.

Wir selbst verfügen über keine Erfahrung mit der Bowerschen Operation, insofern danke ich Herrn Prof. Dr. van Schoonhoven (Handchirurgische Klinik in Bad Neustadt an der Saale) für die Überlassung der Röntgenbilder einer Bowerschen Operation (Abb. 18).

Zusammenfassung

Probleme im distalen Radioulnargelenk, sei es durch eine fehlverheilte Radiusfraktur oder auch Arthrose im Radioulnargelenk selbst und nicht zuletzt auch die Instabilität des Ellenkopfes bei veralteter Bandläsion, führen zu einer schmerzhaften Einschränkung der Rotation im Unterarm mit erheblichen Beschwerden. Die funktionelle Einschränkung ist meist von größerer Bedeutung als eine reine Einschränkung der Beweglichkeit im Radiokarpalgelenk in Streckung und Beugung.

Die Methode der Wahl beim in Fehlstellung stehenden Radius ist die Korrekturosteotomie. Dabei kann eine exakte Winkelstellung des Radius in beiden Ebenen sowie auch ein Längenausgleich zwischen dem verkürzten Radius und der Elle und damit eine völlige Wiederherstellung des Radioulnargelenks (DRUG) mit Beseitigung der Beschwerden erreicht werden. Bei Arthrose des Radioulnargelenks oder auch bei veralteter Bandruptur mit dadurch bedingter Instabilität des Ellenkopfs verbleiben nur noch Rettungsoperationen. Hier haben sich 3 Methoden etabliert:

  • 1. radioulnare Arthrodese mit distaler Ellenteilresektion nach Kapandji,
  • 2. Schrägosteotomie des Ellenkopfes nach Bowers,
  • 3. endoprothetischer Ersatz durch eine Ellenkopfprothese.

Alle genannten Methoden führen zu einer deutlichen Verbesserung, wenn nicht gar völliger Beseitigung der Rotationsstörung im Radioulnargelenk mit Beseitigung oder deutlichen Reduzierung der damit verbundenen Schmerzen. Die prothetische Versorgung des Radioulnargelenks ist zudem eine Rückzugsmöglichkeit, wenn die Bowersche oder Kapandji-Methode nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen sollte. Das dem Kapandji-Verfahren vorgeworfene Problem des Ellenschnappens haben wir bei 91 Patienten zumeist nur als vorübergehendes Problem gesehen. Ein persistierendes Problem ergab sich nur bei 2 Patienten. Andere aufgetretene Komplikationen, wie die Nicht-Durchbauung des Radioulnargelenks, Kugelkallus oder auch fehlerhafte Verkürzung der Elle, ließen sich durch Korrekturoperationen beseitigen.

Das von uns favorisierte Kapandji-Verfahren zeigte kurz- wie auch langfristig eine deutliche Verbesserung, wenn nicht gar völlige Wiederherstellung der Unterarmrotation in Supination und Pronation, verbunden mit einer in vielen Fällen sogar vollständigen Beseitigung der vorbestehenden Beschwerden [8, 9, 10].

Korrespondenzadresse

Dr. Horst Haferkamp

Vitos Orthopädische Klinik Kassel

Wilhelmshöher Allee 345

34131 Kassel

haferkamp.kassel@t-online.de

Literatur

1. Prommersberger KJ, van Schoonhoven J. Die fehlverheilte distale Radiusfraktur – Biomechanik und operative Behandlungsmöglichkeiten; Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 9–18

2. Prommersberger KJ, Moossavi S, Lanz U. Ergebnisse der fehlverheilten Extensionsfrakturen der Speiche an typischer Stelle. Handchir Mikrochir Plast Chir 1999, 31(4): 234–240

3. Sauvé L, Kapandji M. Nouvelle technique de traitement chirurgical des luxations récidivantes isolées de l’extrémité inférieure du cubitus. J Chir (Paris) 1936; 47: 589–594

4. Preißer D, Buck-Gramcko D, Hess J. Die distale radioulnare Arthrodese und Ellenteilresektion nach Kapandji zur Behandlung der gestörten Unterarmdrehung. Handchir Mikrochir Plast Chir 1991; 23: 255–261

5. Pechlaner S, Seiler R. Die Arthrodese des distalen Radioulnargelenks mit Segmentresektion aus der Elle – Operationsverfahren nach Kapandji-Sauvé. Operat Orthop Traumatol 1993; 1: 48–59

6. Haferkamp H. Die Arthrodese des distalen Radioulnargelenks mit gleichzeitiger Ellenteilresektion nach Kapandji-Sauvé. Operat Orthop Traumatol 2012; 24: 13–22

7. van Schoonhoven J, Kall S, Schober F, Prommersberger KJ, Lanz U. Die Hemiresektionsarthroplastik als Rettungsoperation bei der Arthrose des distalen Radioulnargelenks. Handchir Mikrochir Plast Chir 2003; 35: 175–180

8. Borisch N, Haußmann P. Ergebnisse der Operation nach Kapandji-Sauvé nach distalen Radiusfrakturen. Handchir Mikrochir Plast Chir 1998; 30: 399–405

9. Haferkamp H. Die handgelenknahe radioulnare Arthrodese mit distaler Ellenteilresektion nach Kapandji. Handchir Mikrochir Plast Chir 1994; 26: 313–318

10. Haferkamp H, Heidemann B, Gühne O et al. Ergebnisse nach radio-ulnarer Arthrodese mit distaler Ellenteilresektion nach Kapandji-Sauvé. Handchir Mikrochir Plast Chir 2003; 35: 170–174

Fussnoten

1 Vitos Orthopädische Klinik Kassel

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