Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Schmerzprofile bei Patienten mit fortgeschrittener GonarthrosePain profiles of patients with advanced knee osteoarthritis
Eine explorative StudieAn exploratory study

Mehr als die Hälfte der Patienten in dieser Studie wiesen eine physiologische Schmerzinhibition auf. Dies zeigt, dass Patienten mit schmerzhafter Gonarthrose nicht grundsätzlich unter einer defizitären endogenen Schmerzhemmung leiden. Darüber hinaus wurde kein Zusammenhang zwischen der Conditioned Pain Modulation-Effektivität und den Beschwerden der Patienten gefunden. Dieser Schmerzparameter alleine scheint somit keine Aussagekraft für die Einschätzung der Schmerzsymptomatik der Patienten aufzuweisen.

Schmerzprofile

Die untersuchten Patienten mit schmerzhafter Gonarthrose weisen sowohl pro- als auch antinozizeptive Schmerzprofile auf.

Die Ergebnisse dieser Studie deuten außerdem darauf hin, dass ein positives Testergebnis alleine nur eine geringe Aussagekraft für die Einschätzung der Beschwerden der Patienten aufweist. Patienten, bei denen jedoch beide Testresultate im Sinne einer Störung der Schmerzmodulation auffällig waren, zeigten erhöhte Werte in der Subskala WOMAC-Pain. Da die Subgruppen mit pronozizeptivem Schmerzprofil (2 Tests positiv, n = 6) und antinozizeptivem Schmerzprofil (2 Tests negativ, n = 19) eine geringe Stichprobengröße aufwiesen, war dieser Unterschied statistisch zwar nicht signifikant (26 ± 4 Punkte bzw. 52 % ± 8 % vs. 23 ± 9 Punkte bzw. 46 % ± 18 %, p = 0,18), es wurde jedoch ein Trend sichtbar. Dies sollte mit einer größeren Anzahl von Patienten weiter untersucht werden.

Die Evaluation der unterschiedlichen Schmerzprofile könnte in der Praxis hilfreich sein für die Individualisierung der Therapiestrategie [1]. Eventuell benötigen Patienten mit pronozizeptivem Schmerzprofil im Rahmen der Routineversorgung zusätzliche Interventionen zur Behandlung der Zeichen zentraler Sensibilisierung. Insbesondere aktivierende Therapien, Übungen und kognitiv-verhaltensbezogene Ansätze könnten für diese Subgruppe von Patienten wichtig sein [22, 23] – sowohl präoperativ zur Verbesserung von Schmerzen und Funktionsfähigkeit, als auch postoperativ zur Vermeidung von Schmerz-Chronifizierung.

Limitationen

Die Studie weist verschiedene Limitationen auf. Zum einen gibt es für die Dichotomisierung der Untersuchungsergebnisse in positive und negative Testresultate weder für die temporale Summation noch für den Conditioned Pain Modulation-Effekt einen allgemeingültigen Konsens. Für die Festlegung von Cut-off-Werten für die temporale Summation konnte aber zumindest auf Normwert-Daten von gesunden, schmerzfreien Personen zurückgegriffen werden. Die vorliegende Studie bietet daher für beide Schmerzparameter nachvollziehbare Ansätze für die Subgruppenzuordnung, die in weiteren Studien überprüft werden müssen.

Zum anderen ist die Stichprobengröße gering. Lediglich 6 Patienten konnten in die Subgruppe mit pronozizeptivem Schmerzprofil klassifiziert werden, in der Gruppe mit antinozizeptivem Schmerzprofil waren es 19 Patienten. Trotz der geringen Patientenanzahl wurde ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der temporalen Summation und der Subskala WOMAC-Pain sowie dem WOMAC-Gesamt-Score gefunden sowie ein Trend zu Unterschieden hinsichtlich der Schmerzsymptomatik in den Subgruppen. Diese richtungsweisenden Ergebnisse sollten mit einer größeren Patientenanzahl weiter untersucht werden.

Konklusion

Zusammenfassend muss konstatiert werden, dass bei Patienten mit schmerzhafter Gonarthrose nicht generell eine Fazilitation der temporalen Summation sowie eine Verminderung des Conditioned Pain Modulation-Effekts vorhanden ist.

Ein gesteigertes Ausmaß der temporalen Summation scheint mit stärkeren Schmerzen in Zusammenhang zu stehen und könnte möglicherweise die Entwicklung chronischer Schmerzen begünstigen. Die Evaluation der unterschiedlichen Schmerz-Phänotypen könnte daher für die Individualisierung der Therapiestrategie in der Praxis nutzbar sein. Insbesondere Patienten mit pronozizeptivem Schmerzprofil könnten hiervon profitieren.

Interessenskonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

MSc. Tanja Bossmann

Fachbereich Konservative &
Rehabilitative Orthopädie

Technische Universität München

Georg-Brauchle-Ring 60/62

80992 München

tanja.bossmann@tum.de

Literatur

1. Cruz-Almeida Y, Fillingim RB. Can quantitative sensory testing move us closer to mechanism-based pain management? Pain medicine 2014; 15: 61–72

2. Ablin JN, Buskila D. Personalized treatment of pain. Current rheumatology reports 2013; 15: 298

3. Egsgaard LL, Eskehave TN, Bay-Jensen AC, Hoeck HC, Arendt-Nielsen L. Identifying specific profiles in patients with different degrees of painful knee osteoarthritis based on serological biochemical and mechanistic pain biomarkers: a diagnostic approach based on cluster analysis. Pain 2015; 156: 96–107

4. Yarnitsky D, Granot M, Granovsky Y. Pain modulation profile and pain therapy: Between pro- and antinociception. Pain 2014; 155: 663–665

5. Schnabel A, Pogatzki-Zahn E. [Predictors of chronic pain following surgery. What do we know?]. Schmerz 2010; 24: 517–31; quiz 532–3

6. Weissman-Fogel I, Granovsky Y, Crispel Y et al. Enhanced presurgical pain temporal summation response predicts post-thoracotomy pain intensity during the acute postoperative phase. J Pain 2009; 10: 628–36

7. Arendt-Nielsen L, Yarnitsky D. Experimental and clinical applications of quantitative sensory testing applied to skin, muscles and viscera. J Pain 2009; 10: 556–72

8. Edwards RR. Individual differences in endogenous pain modulation as a risk factor for chronic pain. Neurology 2005; 65: 437–43

9. Yarnitsky D, Crispel Y, Eisenberg E et al. Prediction of chronic post-operative pain: pre-operative DNIC testing identifies patients at risk. Pain 2008; 138: 22–8

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