Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Sonografie-gesteuerte Iliosakral- und Facettengelenkinjektionen

Patrick A. Weidle1, Juliane Weidle2, Björn C. Schultheis1

Zusammenfassung: Die therapeutischen Injektionen der Iliosakral- und Facettengelenke sind etablierte Verfahren in der Behandlung des tiefsitzenden Kreuzschmerzes. Validierte spezifische klinische Tests zur Evaluation der Schmerzgenese fehlen. Somit steht häufig die diagnostische Injektion an erster Stelle. Die Injektionen können anatomisch landmarkenorientiert, fluoroskopisch und computertomografisch assistiert oder aber auch MRT-gesteuert erfolgen. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, einen detaillierten Überblick über die alternative Sonografiesteuerung dieser Techniken zu vermitteln.

Schlüsselwörter: Ultraschall, Iliosakralgelenk, ISG, Facettengelenk, Injektion, sonografie-gesteuerte Injektion, interventionelle Schmerztherapie

Zitierweise
Weidle PA, Weidle J, Schultheis BC: Sonografie-gesteuerte Iliosakral- und Facettengelenkinjektionen.
OUP 2016; 4: 210–215 DOI 10.3238/oup.2016.0210–0215

Summary: Therapeutic injections of the iliosacral- and facet joints are accepted options in the treatment of lower back pain. The validation of the pain genesis by specific clinical tests is still outstanding. Therefore it is recommended to place diagnostic injections first. These procedures are performed by free-hand anatomical landmark orientation, under fluoroscopic and CT-scan assistance or MRI control. It is the aim of this overview article to give a detailed survey of the ultrasound-guided technique.

Keywords: ultrasound, sacroiliac joint, SIG, facet joint, injection, ultrasound-guided injection, interventional pain medicine

Zitierweise
Weidle PA, Weidle J, Schultheis BC: Ultrasound-guided sacroiliac and facet joint injections.
OUP 2016; 4: 210–215 DOI 10.3238/oup.2016.0210–0215

Einleitung

Übersicht

Kontrollierte Studien haben die Facetten- und Iliosakralgelenke als mögliche Ursache für Lendenwirbelsäulen- und/oder ausstrahlende Schmerzen in die untere Extremität in einem umfassenden Ausmaß zweifelsfrei belegen können [1]. Eine der Aufgaben der interventionellen Schmerztherapie (IST) ist es, sich der Diagnostik und Therapie dieser Schmerzen und den damit verbundenen Störungen des muskuloskelettalen Systems zu widmen. Zu diesem Zweck kommen in der Behandlung von subakuten, chronischen oder anderweitig behandlungsresistenten Schmerzen neben den klassisch etablierten Formen der Schmerztherapie zielgerichtete interventionelle Techniken zum Einsatz [2]. Da es sich dabei jeweils um Injektionen in oder um ein Gelenk handelt, bleiben diese Techniken von den Diskussionen und Urteilen der letzten Jahre zur Verwendung von Kortikoiden als Off-label-Use an der Wirbelsäule unberührt. Es existiert eine Vielzahl von wissenschaftlichen Originalabhandlungen und Vergleichsstudien zu den verschiedenen Techniken dieser wirbelsäulennahen Injektionen. So ist es möglich, sich auch ohne eine Bildunterstützung allein anhand von anatomischen Landmarken in der Injektionstherapie der Iliosakral- und Facettengelenke zu orientieren und so durch die Hände des geschulten und erfahrenen Therapeuten eine effektive Schmerztherapie zu erzielen. Zu den wissenschaftlich am umfangreichsten belegten Techniken zählen allerdings die radiologisch assistierten Techniken unter Bildwandler- oder Computertomografie-Kontrolle. MRT-gesteuerte Injektionstechniken haben sowohl in der Praxis, als auch in der theoretischen Umschreibung einen eher untergeordneten Stellenwert. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die notwendigen MRT-Keramik-Kanülen sehr kostenintensiv in der Anschaffung sind und zudem im Vergleich zu den Standardkanülen eine erhöhte Bruchgefahr aufweisen.

Die Sonografie ist in der Orthopädie und Unfallchirurgie eine seit Jahrzehnten etablierte Technik in der Diagnose, Verlaufskontrolle und Therapie von entzündlichen, degenerativen und traumatologischen Erkrankungen. Die ersten Beschreibungen der sonografischen Anatomie der Wirbelsäule reichen weit in die 80er Jahre zurück und wurden durch Cork et al. [3] durch seine Abhandlung des Ultraschalls zur Darstellung des Epiduralraums gefestigt. Primär vornehmlich in der Pädiatrie und der Geburtshilfe zur Katheteranlage angewandt, finden die ultraschall-gesteuerten wirbelsäulennahen Injektionen vor allem im anglo-amerikanischen Raum zunehmende Anwendung. Multiple Studien belegen derweil einen allenfalls geringgradig, nicht signifikant unterlegeneren, wenn nicht sogar gleichwertigen Effekt im Vergleich zu Bildwandler- oder CT-gestützten Techniken [4, 5]. Insbesondere die Beachtung der Strahlenhygiene bei vollständig fehlender Strahlenbelastung für den Patienten und das Behandlungsteam, der deutliche Gewinn an Behandlungszeit und die breitflächige Ausstattung der Kliniken und Praxen mit Ultraschallgeräten wird zukünftig die Sonografie-Kontrolle in der interventionellen Schmerztherapie an der Wirbelsäule zunehmend an Bedeutung gewinnen lassen.

Technische Voraussetzung

Der Nutzen eines Niedrig-Frequenz-Schallkopfs in der interventionellen Schmerztherapie an der Wirbelsäule ist unumstritten. In Anbetracht der Tatsache, dass unspezifische lumbale Rückenschmerzen in einer Vielzahl der Fälle mit einem erhöhten BMI einhergehen, empfiehlt sich die Verwendung eines konvex geformten Transducers im Trapezoid-Modus (3,4 MHz), welcher das Betrachtungsfeld erhöht und insbesondere die Möglichkeit zur Darstellung von deutlich tiefer gelegenen anatomischen Strukturen erleichtert. Lediglich zur Darstellung von oberflächlichen Landmarken, wie z.B. den Dornfortsätzen und insbesondere bei Patienten mit leptosomen Habitus, kann ein linearer Schallkopf (10,0 MHz) von Vorteil sein.

Indikation

Prinzipiell sind diagnostische und therapeutische Injektionen voneinander zu unterscheiden. Da es keine hochspezifischen Untersuchungsmethoden zur genauen Ursache der Schmerzlokalisation gibt, weder im Facetten- noch im Iliosakralgelenkbereich, stehen diagnostische Injektionen unter reiner Verwendung eines lokalen Anästhetikums häufig an erster Stelle, um den Schmerzgenerator nachzuweisen. Erst nach einem positiven temporären Wirkungsnachweis, sollten sich dann im Verlauf weitere Injektionen loco typico unter Verwendung eines LA-Kortikosteroid-Gemischs anschließen.

Während die Indikationen zur jeweiligen Intervention als individuell anzusehen sind, gibt es generelle Kontraindikationen. Dazu zählen – neben akuten oder rasch progredienten Paresen – Allergien gegen die zu verwendenden Wirkstoffe, lokale injektionsnahe Wundheilungsstörungen, lokale oder systemische Infekte, ein reduzierter Immunstatus sowie Gerinnungsstörungen, welche mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen. Mit Einschränkungen ist eine wirbelsäulennahe Injektion individuell bei Patienten mit schweren ZNS- oder Herz-Kreislauferkrankungen abzuwägen.

Komplikationen

Generell muss unterschieden werden zwischen den Komplikationen, welche durch die Nadellage, und solche, die durch die verabreichten Medikamente hervorgerufen werden. Geringfügige Komplikationen, wie eine lokale Schwellung, Schmerzen im Bereich des Punktionsareals, Schmerzen im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, temporäre Hypotension, vermehrte Perspiration, Nausea und Flush sind i.d.R. von sehr kurzer Dauer und selbstlimitierend. Zu den bedeutenderen Komplikationen, welche eine individuelle Therapie notwendig machen, zählen die subdurale Punktion und Injektion, Hämatombildungen und post-interventionelle Infektgeschehen, wie die Spondylodiscitis oder die bakterielle Meningitis. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Komplikationen, herbeigeführt durch die beiden hier beschriebenen Injektionstechniken, nach umfangreicher Studienanalyse und basierend auf den eigenen Erfahrungen, äußerst selten auftreten [6]. So beschreiben Manchikanti et al. [7] in Ihrer Arbeit zu 43.000 Facettenblockaden unter Fluoroskopie-Kontrolle keine bedeutende Komplikationen, 0,1 % lokale Hämatome, 1 % Nervenwurzelirritationen und vasovagale Reaktionen, 4 % intravaskuläre Punktionen und 10 % Hyperperspiration.

Voraussetzung

Aus Sicht der Verfasser sollte die Anwendung von wirbelsäulennahen Injektionen lediglich unter der prinzipiell gegebenen Voraussetzung zur Anwendung einer Notfallversorgung, inkl. ACLS, erfolgen. Eine Beachtung der DGAI-Leitlinie „Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thrombembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation“ ist empfehlend auszusprechen. Insbesondere aus gutachterlicher Sicht ist zudem die Kenntnis eines aktuellen laborchemischen Gerinnungs-, Infekt- und Blutbildstatus und einer nativradiologischen Darstellung der Lendenwirbelsäule ratsam, ggf. ergänzt durch eine radiologische Schnittbildgebung. Die Aufklärungsdokumentation und schriftliche Originaleinwilligung des Patienten zu der geplanten Intervention sind ebenso obligat, wie die Dokumentation von Schmerz-Scores und dem neurologischen Status im Vorfeld der Injektion und im Anschluss daran.

Lagerung

Verschiedene Lagerungsmöglichkeiten sind beschrieben. Die Autoren bevorzugen die Patientenposition in Bauchlage mit 20° Innenrotation der unteren Extremitäten, einer pelvinen Abstützung mittels eines weichen Kissens, einer Unterpolsterung im Bereich der Sprunggelenke mit einer Halbrolle und einer bequemen anatomischen Lagerung von Schädel, Halswirbelsäule und der oberen Extremitäten. Die Prozeduren finden Anwendung unter dauerhafter Ableitung und Dokumentation von Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und einem verbalen Monitoring. Um gegebenenfalls auftretende Komplikationen schnell beherrschen zu können, erfolgt vor der Injektion die Anlage einer Venen-Verweilkanüle. In Ausnahmefällen, zum Beispiel bei schmerzbedingter Unmöglichkeit zur Bauchlagerung, kann die Injektion auch in Seitenlage oder in sitzender Patientenposition durchgeführt werden.

Technik der sonografie-
gestützten Injektion
der Facettengelenke

Übersicht

Die lumbalen Facettengelenke sind Gelenkpaarungen, welche die Bewegungen der Wirbelsäule sowohl stabilisieren als auch führen [7] und sind als potenzieller Schmerzgenerator für den lumbalen Rückenschmerz mit teilweiser Ausstrahlung in die untere Extremität bestens belegt [1, 8, 9]. Die Innervation der Facettengelenke erfolgt durch die Rami dorsales der Spinalnerven, wobei jedes Gelenk aus 2 Nervenwurzeln versorgt wird. Unter dem Begriff „Facettensyndrom“ bzw. „Facettengelenkarthrose“ versteht man einen chronischen Schmerzzustand aufgrund einer Reizung der in der Facettengelenkkapsel liegenden Schmerzrezeptoren. Dieser wird hervorgerufen durch chronische Überlastungen bzw. Gelenkinkongruenzen als Folge von degenerativer Arthritis, Reizungen durch Hyperflexions- oder Extensionsverletzungen und anderen entzündlichen Erkrankungen. Klinisch-diagnostisch ist das Facettensyndrom schwer abgrenzbar. Typisch sind jedoch ein schmerzhafter Muskelhartspann und ein lokaler Druck- und Klopfschmerz über den Dornfortsätzen sowie ein bewegungsabhängiger Schmerz im Bereich der paravertebralen Muskulatur.

Prinzipiell sind an den lumbalen Facettengelenken sowohl aus diagnostischer als auch aus therapeutischer Sicht verschiedene Techniken der interventionellen Schmerztherapie anzuwenden. Dazu gehören der sog. Facettenblock, bei dem gezielt die Rami dorsales der innervierenden Spinalnerven blockiert werden; die intraartikuläre Injektion, bei der gezielt in den Gelenkspalt infiltriert wird und die periartikuläre Infiltration, bei der durch ein Medikamentendepot um die Gelenkkapsel herum platziert wird. Obwohl aus evidenzbasierter Sicht die intra- und periartikulären Injektionen gegenüber den Facettenblockaden und Facettenneurolysen (hier hochgradige Empfehlung in der Kurz- und Langzeitschmerzverbesserung [6]) nur limitiert zu empfehlen sind [10, 11], wird im Folgenden aus didaktischen Gründen Fokus auf die artikulären Techniken gelegt, um einen einfacheren Einstieg in diese sonografie-gesteuerte Technik zu vermitteln.

Patientenauswahl

Die Erklärung der Facettengelenkarthrose als Schmerzgenerator erfährt in den verschiedenen Fachkreisen eine kritische Betrachtung. Um die Schmerzgenese einzugrenzen, empfiehlt sich eine zusammenschauende Befundung von Anamnese, Schmerzart, körperlicher Untersuchung, radiologischer Bildgebung und kontrollierten diagnostischen LA-Injektionen [12]. Letztendlich ist eine direkte Korrelation von radiologischen Veränderungen der Facettengelenke, verglichen mit den klinischen Symptomen, nicht nachzuweisen [13]. Hancock et al. [8] konnten in einem systematischen Review zeigen, dass es keinen spezifischen klinischen Test zur Evaluation des Wirbelgelenks als Schmerzgenerator gibt. Sie postulierten kontrollierte LA-Blockaden zur Verifizierung des Facettengelenkschmerzes. Die Etablierung eines universell akzeptierten Gold-Standards zur Diagnostik des „Facettengelenksyndroms“ steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus.

Injektionstechnik

Die Autoren empfehlen insbesondere dem Anfänger dieser Technik, sich zu Beginn einen Überblick über die sonografische Anatomie des individuellen Patienten zu verschaffen. Dies geschieht unter nicht sterilen Kautelen und mit Anwendung des konvexen Transducers und eines Ultraschallgels. Im Rahmen dieser Maßnahme kann eine Markierung der anatomischen Landmarken erfolgen. Im Anschluss daran erfolgt die Desinfektion und sterile Abdeckung des Patienten und des Ultraschallkopfs. Folgend wird die Verwendung eines Desinfektionsmittels als Kontaktmedium zwischen Transducer und Patientenoberfläche angeraten. Zu rein diagnostischen Zwecken wird ein Lokalanästhetikum mit einem Volumen von 2 ml für jedes therapierte Gelenk verwendet, während bei der therapeutischen Injektion jeweils 5–10 mg eines Depotsteroids beigemengt werden. Für die Injektion kommt eine 0,7 x 80 mm ultraschallsichtbare Kanüle (22 GA, x 3 1/8 Inch) zum Einsatz, welche zum Spritzenkörper mit einem Injektionsschlauch verbunden ist. So ist es dem Therapeuten möglich, sowohl den Schallkopf als auch die Injektionsnadel steril zu führen, während das Assistenzpersonal unter Anleitung die eigentliche Injektion des Spritzenstempels am Spritzenkörper unter hygienischen, nicht sterilen Bedingungen durchführen kann. Im Rahmen der Lernkurve kann die simultane Nutzung einer Fluoroskopie unter Verwendung eines Kontrastmittels zur Lagekontrolle hilfreich sein (Abb. 1, 2).

Es wird eine systematische Standardtechnik in 3 Einzelschritten empfohlen:

  • Schritt 1: Im Mittellinienniveau der Longitudinalebene erfolgt die Darstellung der Dornfortsätze von kaudal mit dem ersten Sakralwirbel beginnend (Abb. 3). Dies empfiehlt sich zur Segmentlokalisation.
  • Schritt 2: Nach Identifikation der beiden Dornfortsätze des zu therapierenden Facettengelenks wird nun der Schallkopf in der selben Ausrichtung 3–4 cm in die Paramedianebene bewegt, um die Querfortsätze darzustellen. Eine Tiefeneinstellung von 7–8 cm ist dabei in der Regel ausreichend, um das sogenannte Neptun-Dreizack-Zeichen zu visualisieren. Die Querfortsätze erscheinen als in der Reihe gelegene echoreiche halbrunde Schallschatten (Abb. 4).
  • Schritt 3: Der Transducer wird jetzt zurück in Richtung Mittellinie bewegt, bis im sagittalen Blick die superiore und inferiore Gelenkfläche dargestellt sind. In dieser Projektion präsentieren sich die Gelenkflächen als „echoreiche Hügel und Täler“. Die Verbindung der oberen und unteren Facette wird als Injektionsziel lokalisiert (Abb. A5). Ggf. kann der endgültig anzugehende Gelenkspalt durch eine 90°-Drehung des Schallkopfs in die transversale Ebene unterstützend dargestellt werden, während dann die eigentliche Injektion jedoch wieder kontrolliert in der Sagittalebene erfolgen sollte. Die Kanüle wird nun von kaudal nach kranial mit einem Winkel von 45° zur Patientenoberfläche langsam unter sonografischer Echtzeitdarstellung im sagittalen Blick bis zum Knochenkontakt in das Facettengelenk vorgeschoben. Nach dem Zurückziehen der Nadel um 1–2 mm erfolgt die sternförmige Aspirationskontrolle und dann die eigentliche Injektion. Die Kanüle kann entfernt werden. Es empfiehlt sich im unmittelbaren Anschluss die mechanische Kompression der Punktionsstelle zur Vorbeugung eines Postpunktionshämatoms, bevor abschließend die Auflage eines sterilen Wundpflasters erfolgt [14].

Technik der sonografie-
gestützten Injektion der
Iliosakralgelenke

Übersicht

Auch das Iliosakralgelenk ist in seiner potenziellen Funktion als Schmerzgenerator für einen tiefsitzenden lumbalen Kreuzschmerz mit einer möglichen pseudoradikulären Ausstrahlung in die kranialen Anteile der unteren Extremität identifiziert [15]. Innerviert aus den lumbosakralen Nervenwurzeln konnten hier sowohl nozizeptive als auch propriozeptive afferente Nervenfasern nachgewiesen werden [16, 17]. In seinem Grundaufbau formiert sich das ISG als ein bikondyläres Synovialgelenk. Während die Gelenkfläche des Sakrums von einer hyalinen Knorpelschicht bedeckt ist, überzieht die Gelenkfläche des Iliums eine Bindegewebsknorpelschicht. Neben dem Gelenk selbst spielt auch der iliolumbale Bandapparat, ausgehend von den Querfortsätzen des fünften Lendenwirbelknochens, zu den medialen Anteilen des dorsalen Beckenkamms ziehend, als Schmerzgenerator eine gewichtige Rolle. Dieser Bandkomplex ist von entscheidender Bedeutung in der Verankerung der Lendenwirbelsäule mit dem Beckenring und dient zudem der Stabilisierung des Iliosakralgelenks [18].

Patientenauswahl

Ebenso wie bei den Facettengelenken steht auch in der Diagnostik des ISG-Schmerzes die Festlegung eines allgemein anerkannten Gold-Standards noch aus. In verschiedenen Studien konnte keinem vorliegenden klinischen Tests eine ausreichende Spezifität nachgewiesen werden [8]. Daraus postulieren Rubinstein und van Toulder in ihrer Review-Arbeit den diagnostischen Block des Iliosakralgelenks als vielversprechendes Instrument in der Evaluation des tiefsitzenden Kreuzschmerzes [19]. Trotz limitierter Evidenz [6] für die peri- und intraartikulären Injektionen des ISG, belegen diese interventionellen schmerztherapeutischen Techniken in der alltäglichen Praxis einen gewichtigen Stellenwert und werden somit im Folgenden unter Sonografiesteuerung näher betrachtet.

Injektionstechnik

Es existiert inzwischen eine Vielzahl von verschiedenen umschriebenen Techniken der sonografie-gesteuerten Injektionen der Ilioskaralgelenke. Die Autoren empfehlen auch bei dieser Form der interventionellen Schmerztherapie eine systematische Standardtechnik in 3 Einzelschritten. Die Maßnahmen zur Kenntnis der sonografischen Anatomie und das hygienische Setting entsprechen 1:1 der oben beschriebenen Referenz bei der Injektion der Facettengelenke. Zu Bedenken gilt die anatomische Nähe zur Gesäßfalte, die ein besonders hygienisches Vorgehen erfordert. Es empfiehlt sich eine gründliche Auspolsterung der Rima ani, z.B. mit einer sterilen Kompresse im Rahmen der Abdeckungsmaßnahme, um einen Kontakt des alkoholhaltigen Desinfiziens mit den Schleimhäuten des Patienten unbedingt zu vermeiden. Zu rein diagnostischen Zwecken kommt ein Volumen von 5 ml Lokalanästhetikum pro Gelenk zum Einsatz, während bei therapeutischen Injektionen zu 10 ml LA 20–40 mg eines Depotsteroids beigemengt werden kann. In Anbetracht des häufig erhöhten BMI der betroffenen Patienten wird die Anwendung einer 0,7 x 120 mm ultraschallsichtbaren Kanüle (22 GA, 4 6/8 Inch) mit Injektionsschlauchverlängerung angeraten (Abb. 6, 7).

  • Schritt 1: In der Transversalebene erfolgt die Darstellung des Hiatus sakralis und der begrenzenden sakralen Cornue. Diese haben eine sehr charakteristische sonografische Anatomie und lassen sich auch beim adipösen Patienten, bedingt durch eine dünne Weichteildeckung, in der Regel sehr gut visualisieren (Abb. 8).
  • Schritt 2: Sodann wird der Transducer in der Transversalebene langsam nach kranial geführt, um den obersten sakralen Processus spinosus des Sakrums in seinem medialen Scheitelbereich darzustellen. Dieser hat eine sehr spitze echoreiche Struktur und wird daher im englischen Sprachgebrauch auch als „batman’s head“ beschrieben [20] (Abb. 9).
  • Schritt 3: Anschließend wird der Schallkopf nach lateral geleitet und es zeigt sich die Spina iliaca posterior superior (SIPS) bzw. der mediale Rand des Os Iliums. Die echoarme Spalte zwischen dem lateralen Rand des Sakrums und der medialen Begrenzung des Os iliums ist im iliosakralen Gelenkspalt das Ziel der Injektion (Abb. 10). Die Kanüle wird nun in einem Winkel von 45° zur Patientenoberfläche in Ausrichtung von medial nach lateral und gleichzeitig in einem 45° Winkel von kranial nach kaudal unter sonografischer Echtzeitdarstellung eingebracht. Es erfolgt das Vorschieben bis zum Knochenkontakt im Gelenk, und dann wird die Nadel um ca. 1–2 mm zurückgezogen. Nach der sternförmigen Aspirationskontrolle sollte die Injektion nun ohne größeren Widerstand möglich sein. Bei einer extraartikulären Nadellage zeigt sich das Injektat medial das Sakrum flutend [21]. Dies ist besonders gut zu sehen bei Verwendung eines Depotsteroids, welches sich häufig als leicht echoreiche Flüssigkeit darstellt. In diesem Fall sollte die Modifikation der Kanülenlage erfolgen. Die Autoren empfehlen gegen Ende der Injektion ca. ein Viertel des Injektats an die iliacal knöchernen Ansätze des iliolumbalen Bandkomplexes zu infiltrieren, um diesem anatomischen Komplex als Co-Schmerzgenerator gerecht zu werden. Der Abschluss der Injektion ist mit der Technik der Facettengelenke zu vergleichen. Die Kanüle wird entfernt, es erfolgt eine temporäre mechanische Kompression und die Auflage eines sterilen Wundpflasters.

  • Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Patrick A. Weidle

Sektion Wirbelsäulentherapie

Krankenhaus Neuwerk
„Maria von den Aposteln”

Dünner Straße 214–216

41066 Mönchengladbach

p.weidle@kh-neuwerk.de

Literatur

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2. The National Uniform Claims Committee: Specialty Designation for Interven- tional Pain Management 2009

3. Cork RC, Kryc JJ, Vaughan RW: Ultrasonic localization of the lumbar epidural space. Anesthesiology 1980; 52: 513–6

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6. Manchikanti L, Abdi S, Atluri S et al.: An Update of Comprehensive Evidence-Based Guidelines for Interventional Techniques in Chronic Spinal Pain. Pain Physician 2013; 16: 49–283

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11. Bogduk N: A narrative review of intraarticular corticosteroid injections for low back pain. Pain Med 2005; 6: 287–296

12. Schaible HG, Grubb BD: Afferent and spinal mechanisms of joint pain. Pain 1993; 55: 5–54

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15. Hansen H, Manchikanti L, Simopoulous TT et al.: A systematic evaluation of the therapeutic effectiveness of sacroiliac joint interventions. Pain Physi- cian 2012; 15:E247–E278

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21. Harmon D, O’Sullivan H: Ultrasound-Guided Sacroiliac Joint Injection Technique. Pain Physician 2008; 11: 543–7

22. Harmon D, Alexiev V. Sonoanatomy and Injection Technique oft he iliolumbar Ligament. Pain Physician 2011; 14: 469–74

Fussnoten

1 Chefarzt der Sektion Wirbelsäulentherapie, Krankenhaus Neuwerk „Maria von den Aposteln“, Mönchengladbach

2 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Essen

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