Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016

Sonografie-gesteuerte Iliosakral- und Facettengelenkinjektionen

Generell muss unterschieden werden zwischen den Komplikationen, welche durch die Nadellage, und solche, die durch die verabreichten Medikamente hervorgerufen werden. Geringfügige Komplikationen, wie eine lokale Schwellung, Schmerzen im Bereich des Punktionsareals, Schmerzen im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, temporäre Hypotension, vermehrte Perspiration, Nausea und Flush sind i.d.R. von sehr kurzer Dauer und selbstlimitierend. Zu den bedeutenderen Komplikationen, welche eine individuelle Therapie notwendig machen, zählen die subdurale Punktion und Injektion, Hämatombildungen und post-interventionelle Infektgeschehen, wie die Spondylodiscitis oder die bakterielle Meningitis. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Komplikationen, herbeigeführt durch die beiden hier beschriebenen Injektionstechniken, nach umfangreicher Studienanalyse und basierend auf den eigenen Erfahrungen, äußerst selten auftreten [6]. So beschreiben Manchikanti et al. [7] in Ihrer Arbeit zu 43.000 Facettenblockaden unter Fluoroskopie-Kontrolle keine bedeutende Komplikationen, 0,1 % lokale Hämatome, 1 % Nervenwurzelirritationen und vasovagale Reaktionen, 4 % intravaskuläre Punktionen und 10 % Hyperperspiration.

Voraussetzung

Aus Sicht der Verfasser sollte die Anwendung von wirbelsäulennahen Injektionen lediglich unter der prinzipiell gegebenen Voraussetzung zur Anwendung einer Notfallversorgung, inkl. ACLS, erfolgen. Eine Beachtung der DGAI-Leitlinie „Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thrombembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation“ ist empfehlend auszusprechen. Insbesondere aus gutachterlicher Sicht ist zudem die Kenntnis eines aktuellen laborchemischen Gerinnungs-, Infekt- und Blutbildstatus und einer nativradiologischen Darstellung der Lendenwirbelsäule ratsam, ggf. ergänzt durch eine radiologische Schnittbildgebung. Die Aufklärungsdokumentation und schriftliche Originaleinwilligung des Patienten zu der geplanten Intervention sind ebenso obligat, wie die Dokumentation von Schmerz-Scores und dem neurologischen Status im Vorfeld der Injektion und im Anschluss daran.

Lagerung

Verschiedene Lagerungsmöglichkeiten sind beschrieben. Die Autoren bevorzugen die Patientenposition in Bauchlage mit 20° Innenrotation der unteren Extremitäten, einer pelvinen Abstützung mittels eines weichen Kissens, einer Unterpolsterung im Bereich der Sprunggelenke mit einer Halbrolle und einer bequemen anatomischen Lagerung von Schädel, Halswirbelsäule und der oberen Extremitäten. Die Prozeduren finden Anwendung unter dauerhafter Ableitung und Dokumentation von Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und einem verbalen Monitoring. Um gegebenenfalls auftretende Komplikationen schnell beherrschen zu können, erfolgt vor der Injektion die Anlage einer Venen-Verweilkanüle. In Ausnahmefällen, zum Beispiel bei schmerzbedingter Unmöglichkeit zur Bauchlagerung, kann die Injektion auch in Seitenlage oder in sitzender Patientenposition durchgeführt werden.

Technik der sonografie-
gestützten Injektion
der Facettengelenke

Übersicht

Die lumbalen Facettengelenke sind Gelenkpaarungen, welche die Bewegungen der Wirbelsäule sowohl stabilisieren als auch führen [7] und sind als potenzieller Schmerzgenerator für den lumbalen Rückenschmerz mit teilweiser Ausstrahlung in die untere Extremität bestens belegt [1, 8, 9]. Die Innervation der Facettengelenke erfolgt durch die Rami dorsales der Spinalnerven, wobei jedes Gelenk aus 2 Nervenwurzeln versorgt wird. Unter dem Begriff „Facettensyndrom“ bzw. „Facettengelenkarthrose“ versteht man einen chronischen Schmerzzustand aufgrund einer Reizung der in der Facettengelenkkapsel liegenden Schmerzrezeptoren. Dieser wird hervorgerufen durch chronische Überlastungen bzw. Gelenkinkongruenzen als Folge von degenerativer Arthritis, Reizungen durch Hyperflexions- oder Extensionsverletzungen und anderen entzündlichen Erkrankungen. Klinisch-diagnostisch ist das Facettensyndrom schwer abgrenzbar. Typisch sind jedoch ein schmerzhafter Muskelhartspann und ein lokaler Druck- und Klopfschmerz über den Dornfortsätzen sowie ein bewegungsabhängiger Schmerz im Bereich der paravertebralen Muskulatur.

Prinzipiell sind an den lumbalen Facettengelenken sowohl aus diagnostischer als auch aus therapeutischer Sicht verschiedene Techniken der interventionellen Schmerztherapie anzuwenden. Dazu gehören der sog. Facettenblock, bei dem gezielt die Rami dorsales der innervierenden Spinalnerven blockiert werden; die intraartikuläre Injektion, bei der gezielt in den Gelenkspalt infiltriert wird und die periartikuläre Infiltration, bei der durch ein Medikamentendepot um die Gelenkkapsel herum platziert wird. Obwohl aus evidenzbasierter Sicht die intra- und periartikulären Injektionen gegenüber den Facettenblockaden und Facettenneurolysen (hier hochgradige Empfehlung in der Kurz- und Langzeitschmerzverbesserung [6]) nur limitiert zu empfehlen sind [10, 11], wird im Folgenden aus didaktischen Gründen Fokus auf die artikulären Techniken gelegt, um einen einfacheren Einstieg in diese sonografie-gesteuerte Technik zu vermitteln.

Patientenauswahl

Die Erklärung der Facettengelenkarthrose als Schmerzgenerator erfährt in den verschiedenen Fachkreisen eine kritische Betrachtung. Um die Schmerzgenese einzugrenzen, empfiehlt sich eine zusammenschauende Befundung von Anamnese, Schmerzart, körperlicher Untersuchung, radiologischer Bildgebung und kontrollierten diagnostischen LA-Injektionen [12]. Letztendlich ist eine direkte Korrelation von radiologischen Veränderungen der Facettengelenke, verglichen mit den klinischen Symptomen, nicht nachzuweisen [13]. Hancock et al. [8] konnten in einem systematischen Review zeigen, dass es keinen spezifischen klinischen Test zur Evaluation des Wirbelgelenks als Schmerzgenerator gibt. Sie postulierten kontrollierte LA-Blockaden zur Verifizierung des Facettengelenkschmerzes. Die Etablierung eines universell akzeptierten Gold-Standards zur Diagnostik des „Facettengelenksyndroms“ steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus.

Injektionstechnik

Die Autoren empfehlen insbesondere dem Anfänger dieser Technik, sich zu Beginn einen Überblick über die sonografische Anatomie des individuellen Patienten zu verschaffen. Dies geschieht unter nicht sterilen Kautelen und mit Anwendung des konvexen Transducers und eines Ultraschallgels. Im Rahmen dieser Maßnahme kann eine Markierung der anatomischen Landmarken erfolgen. Im Anschluss daran erfolgt die Desinfektion und sterile Abdeckung des Patienten und des Ultraschallkopfs. Folgend wird die Verwendung eines Desinfektionsmittels als Kontaktmedium zwischen Transducer und Patientenoberfläche angeraten. Zu rein diagnostischen Zwecken wird ein Lokalanästhetikum mit einem Volumen von 2 ml für jedes therapierte Gelenk verwendet, während bei der therapeutischen Injektion jeweils 5–10 mg eines Depotsteroids beigemengt werden. Für die Injektion kommt eine 0,7 x 80 mm ultraschallsichtbare Kanüle (22 GA, x 3 1/8 Inch) zum Einsatz, welche zum Spritzenkörper mit einem Injektionsschlauch verbunden ist. So ist es dem Therapeuten möglich, sowohl den Schallkopf als auch die Injektionsnadel steril zu führen, während das Assistenzpersonal unter Anleitung die eigentliche Injektion des Spritzenstempels am Spritzenkörper unter hygienischen, nicht sterilen Bedingungen durchführen kann. Im Rahmen der Lernkurve kann die simultane Nutzung einer Fluoroskopie unter Verwendung eines Kontrastmittels zur Lagekontrolle hilfreich sein (Abb. 1, 2).

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