Übersichtsarbeiten - OUP 11/2019

Sonografie-gesteuerte Injektionen der LWS
Der Facettenblock und die epidural-sakrale Injektion

Während die Indikationen zur jeweiligen Intervention als individuell anzusehen sind, gibt es generelle Kontraindikationen. Dazu zählen neben akuten oder rasch progredienten Paresen, Allergien gegen die zu verwendenden Wirkstoffe, lokale injektionsnahe Wundheilungsstörungen oder -verzögerungen, lokale oder systemische Infekte, ein reduzierter Immunstatus sowie Gerinnungsstörungen, welche mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen. Mit Einschränkungen ist eine wirbelsäulennahe Injektion individuell bei Patienten mit schweren ZNS- oder Herz-Kreislauferkrankungen abzuwägen.

Komplikationen

Generell muss unterschieden werden zwischen den Komplikationen, welche durch die Nadellage, und solchen, die durch die verabreichten Medikamente hervorgerufen werden. Geringfügige Komplikationen, wie eine lokale Schwellung, Schmerzen im Bereich des Punktionsareals, Schmerzen im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, temporäre Hypotension, vermehrte Perspiration, Nausea und Flush, sind i.d.R. sehr kurzweilig und selbstlimitierend. Zu den bedeutenderen Komplikationen, welche eine individuelle Therapie notwendig machen, zählen die subdurale Punktion und Injektion, die Hämatombildung und post-interventionelle Infektgeschehen, wie die Spondylodiscitis oder die bakterielle Meningitis. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Komplikationen, herbeigeführt durch die beiden hier beschriebenen Injektionstechniken, nach umfangreicher Studienanalyse und basierend auf den eigenen Erfahrungen äußerst selten auftreten [25]. So beschreiben Manchikanti et al. [26] in ihrer Arbeit zu 43.000 Facettenblockaden unter Fluoroskopie-Kontrolle 0 % bedeutende Komplikationen, 0,1 % lokale Hämatome, 1 % Nervenwurzelirritationen und vasovagale Reaktionen, 4 % intravaskuläre Punktionen und 10 % Hyperperspiration.

Voraussetzung

Aus Sicht der Verfasser sollte die Anwendung von wirbelsäulennahen Injektionen lediglich unter der prinzipiell gegebenen Voraussetzung zur Anwendung einer Notfallversorgung, inkl. ACLS, erfolgen. Eine Beachtung der DGAI-Leitlinie „Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thrombembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation“ ist empfehlend auszusprechen. Insbesondere aus gutachterlicher Sicht ist zudem die Kenntnis eines aktuellen laborchemischen Gerinnungs-, Infekt- und Blutbildstatus und einer nativradiologischen Darstellung der Lendenwirbelsäule, ergänzt durch eine radiologische Schnittbildgebung, ratsam. Die Aufklärungsdokumentation und schriftliche Originaleinwilligung des Patienten zu der geplanten Intervention sind ebenso obligat wie die Dokumentation von Schmerzscore und dem neurologischen Status im Vorfeld und im Anschluss der Injektion.

Lagerung

Verschiedene Lagerungsmöglichkeiten zur Injektion der lumbalen Schmerzgeneratoren sind beschrieben. Während die Bauchlage bei der epidural-sakralen Injektion obligat ist, können die Facettenblockierungen auch problemlos in sitzender Patientenposition durchgeführt werden. Die Autoren bevorzugen die Patientenposition in Bauchlage mit 20°-Innenrotation der unteren Extremitäten, einer pelvinen Abstützung mittels eines weichen Kissens, einer Unterpolsterung im Bereich der Sprunggelenke mit einer Halbrolle und einer bequemen anatomischen Lagerung von Schädel, HWS und der oberen Extremitäten. Die Prozeduren finden Anwendung unter dauerhafter Ableitung und Dokumentation von Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung und verbalem Monitoring. Um ggf. auftretende Komplikationen schnell beherrschen zu können, erfolgt insbesondere bei den epiduralen Techniken vor der Injektion die Anlage einer Venenverweilkanüle nebst Infusion.

Technik der Sonografie-gestützten Facettenblockierungen

Übersicht

Die lumbalen Facettengelenke sind Gelenkpaarungen, welche die Bewegungen der Wirbelsäule stabilisieren und führen [11] und als potenzieller Schmerzgenerator für den lumbalen Rückenschmerz mit teilweiser pseudoradikulärer Ausstrahlung in die untere Extremität bestens belegt [11, 14, 27]. Die Innervation der Facettengelenke erfolgt durch die Rami dorsales der Spinalnerven, wobei jedes Gelenk aus 2 Nervenwurzeln versorgt wird. Während der kaudale Nervenast aus dem Spinalnerven desselben Segments entspringt, versorgt der kraniale Ast von seinem Ursprung aus den kranial angrenzenden Spinalnerven (Abb. 1). Unter dem Begriff „Facettensyndrom“ bzw. „Facettengelenkarthrose“ versteht man einen chronischen Schmerzzustand aufgrund einer Reizung der in der Facettengelenkkapsel liegenden Schmerzrezeptoren, hervorgerufen durch chronische Überlastungen bzw. Gelenkinkongruenzen als Folge von degenerativer Arthritis, vaskulären Kollagenerkrankungen, Reizungen durch Hyperflexions- oder Extensionsverletzungen und anderen entzündlichen Erkrankungen. Klinisch-diagnostisch ist das Facettensyndrom schwer abgrenzbar. Typisch sind jedoch ein schmerzhafter Muskelhartspann und ein lokaler Druck- und Klopfschmerz über den Dornfortsätzen sowie ein bewegungsabhängiger Schmerz im Bereich der paravertebralen Muskulatur.

Prinzipiell sind an den lumbalen Facettengelenken sowohl aus diagnostischer als auch aus therapeutischer Sicht verschiedene Techniken der interventionellen Schmerztherapie anzuwenden. Dazu gehören der sogenannte Facettenblock, bei dem gezielt die Rami dorsales der innervierenden Spinalnerven blockiert werden, die intraartikuläre Injektion, bei der gezielt in den Gelenkspalt infiltriert wird, und die periartikuläre Infiltration, bei der das Medikamentendepot um die Gelenkkapsel herum platziert wird. Gestützt wird die Anwendung dieser Technik der Facettenblockierungen von der Tatsache, dass dieses Vorgehen aus evidenzbasierter Sicht als „gut“ empfohlen wird, während die peri- und intra-artikulären Techniken nur „limitiert“ anzuraten sind [25]. Zudem konnte wissenschaftlich belegt werden, dass der akurat durchgeführte Facettenblock der LWS in der diagnostischen Ausarbeitung des Schmerzgenerators der intra- oder periartikulären Injektion in seiner Spezifität überlegen ist [9].

Patientenauswahl

Die Erklärung der Facettengelenkarthrose als Schmerzgenerator erfährt in den verschiedenen Fachkreisen eine kritische Betrachtung. Um die Schmerzgenese einzugrenzen, empfiehlt sich eine zusammenschauende Befundung von Anamnese, Schmerzart, körperlicher Untersuchung, radiologisch bildgebenden Verfahren und kontrollierten diagnostischen LA-Injektionen [31]. Letztendlich ist eine direkte Korrelation von radiologischen Veränderungen der Facettengelenke, verglichen mit den klinischen Symptomen, nicht nachzuweisen [6]. Hancock et al. [14] konnten via eines systematischen Reviews nachweisen, dass es keinen spezifischen klinischen Test zur Evaluation des Wirbelgelenks als Schmerzgenerator gebe, und postulierten kontrollierte LA-Blockaden zur Verifizierung des Facettengelenkschmerzes. Die Etablierung eines universell akzeptierten Gold-Standards zur Diagnostik des Facettengelenksyndroms steht zum jetzigen Zeitpunkt dementsprechend noch aus.

Injektionstechnik

Die Autoren empfehlen insbesondere dem Anfänger in der Anwendung dieser Technik, sich zu Beginn in Ruhe einen Überblick über die sonografische Anatomie des individuellen Patienten zu verschaffen, unter der unsterilen Anwendung des konvexen Transducers und Ultraschallgels. Im Rahmen dieser Maßnahme kann eine anzeichnende Markierung der anatomischen Landmarken erfolgen. Im Anschluss daran erfolgen die Desinfektion und die sterile Abdeckung des Patienten und des Ultraschallkopfs. Folgend wird die Verwendung eines Desinfektionsmittels als Kontaktmedium zwischen Transducer und Patientenoberfläche angeraten. Zu rein diagnostischen Zwecken wird ein Lokalanästhetikum mit einem Volumen von 0,5 ml für jeden Ramus dorsalis verwendet, während bei der therapeutischen Injektion in jeweils 1–1,5 ml-Gesamtlösung pro Ramus ein Steroid beigemengt wird. Für die Injektion kommt eine 0,7 x 80 mm (22 GA, x 3 1/8 Inch) ultraschallsichtbare Kanüle zum Einsatz, welche zum Spritzenkörper mit einem Injektionsschlauch verbunden ist. So ist es dem Therapeuten möglich, sowohl den Schallkopf als auch die Injektionsnadel steril zu führen, während das Assistenzpersonal unter Anleitung die eigentliche Injektion des Spritzenstempels am Spritzenkörper unter unsterilen Kautelen durchführen kann. In der Regel erfolgt die Visualisierung der Injektionsnadel in der sogenannten „in plane“-Technik. Dies bezeichnet die Führung und damit die sonografische Darstellung der kompletten Punktionsnadel in der bildgebenden Ebene. In der sogenannten „out of plane“-Ebene erfolgt i.d.R. lediglich die Kontrolle der Nadellage. Hier wird die Punktionsnadel quer zur Schallebene geführt und die Nadelspitze im Querschnitt sonografisch visualisiert. Im Rahmen der Lernkurve kann die simultane Nutzung einer Fluoroskopie unter Verwendung eines Kontrastmittels zur Lagekontrolle hilfreich sein.

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