Arzt und Recht - OUP 09/2013

Strafrechtliches Verfahren und Approbation

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Seit jeher müssen sich Ärzte mit Patienten, Krankenversicherungen und der KV auseinandersetzen, die die Richtigkeit einer vom Arzt erstellten Leistungsabrechnung infrage stellen. Diese Unannehmlichkeit gehört mittlerweile leider zum Alltagsgeschäft, weil die Abrechnung sowohl im privatärztlichen als auch im vertragsärztlichen Bereich zahlreiche Fallstricke bereithält.

Eine ganz andere und unter Umständen existenzbedrohliche Qualität erreicht die Auseinandersetzung, wenn nicht lediglich über die Zahlungspflicht von Patienten, Krankenversicherungen und der KV gestritten wird, sondern wegen der falschen Abrechnung Sanktionen gegen den Arzt wegen Verstößen gegen Berufs- oder Strafrecht verhängt werden sollen:

Zum einen droht auf Antrag der Ärztekammer eine Maßnahme des Berufsgerichts wegen Verstoßes gegen Berufsrecht. Da die Konsequenzen wie Warnung/Verweis oder Geldbuße (in Baden-Württemberg bis 50.000 €) in den seltensten Fällen existenziell sind, wäre diese Konsequenz zu ertragen.

Zum anderen droht jedoch bei gewisser Intensität (Wiederholung, Ausmaß) das Ruhen oder gar der Widerruf der Approbation durch die Approbationsbehörde. Gemäß § 5 der Bundesärzteordnung hat der Widerruf zu erfolgen, wenn sich der Arzt als unwürdig oder unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen hat. Unwürdigkeit betrifft Verhalten in der Vergangenheit, Unzuverlässigkeit eine Prognose für die Zukunft.

Des Weiteren droht ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat. Auch wenn solch ein Ermittlungsverfahren in den überwiegenden Fällen nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt, gehört es zu den Berufserfahrungen eines Arztes, die tunlichst zu vermeiden sind. In Betracht kommt insbesondere der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs gemäß § 263 StGB. Wenn der Arzt in seiner Rechnung eine Abrechnungsziffer (EBM-Ä, GOÄ) aufführt und eine Leistung bezeichnet, die er nicht oder nicht vollständig (selbst) erbracht hat, wendet er nach der Rechtsprechung des BGH (Kassenarzt: Urteil vom 10.03.1993, Az. III StR 461/92 = ArztR 1993, 313 / Privatarzt: Beschluss vom 25.01.2012, Az. 1 StR 45/11 = ArztR 2012, 116) nicht nur das Recht falsch an. Er spiegelt vielmehr wie ein Betrüger falsche Tatsachen vor. Für den betrugsrelevanten Irrtum beim Rechnungsempfänger reicht dann bereits die allgemeine Fehlvorstellung aus, die Abrechnung sei in Ordnung. Sogar wenn der Arzt eine fachgerechte Leistung erbracht hat, kann ein betrugsrelevanter Schaden vorliegen, da allein die materiell-rechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit der Leistung (GOÄ, EBM-Ä) deren wirtschaftlichen Wert bestimmen, sodass eine erbrachte ärztliche Leistung im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung keinen wirtschaftlichen Wert hat, wenn der Arzt nach den einschlägigen Abrechnungsregelungen keinen Zahlungsanspruch hat. Auch der erforderliche Vorsatz mit Bereicherungsabsicht und die Schuld des Arztes entfallen nicht automatisch, wenn der Arzt von den Vorgängen in seiner Praxis/seiner Krankenhausabteilung bzw. von der Strafbarkeit seiner Abrechnungsweise nichts gewusst hat; der Strafrichter müsste davon überzeugt werden, dass die Vorgänge tatsächlich nicht bekannt/nicht erkennbar waren und der Irrtum über die Strafbarkeit trotz erfolgter fachlicher Beratung (!) nicht vermeidbar war.

Auch von der Presse motiviert, kommt es immer häufiger vor, dass Patienten bei vermeintlicher Falschabrechnung unverzüglich die Ärztekammer einschalten oder gar Strafanzeige gegen den Arzt wegen des Verdachts des (versuchten) Abrechnungsbetrugs erstatten. Unter Umständen meldet die KV zudem entsprechend ihrer gesetzlichen Pflicht (§ 81a Abs. 4 SGB V) Abrechnungsungereimtheiten in der Kassenpraxis des niedergelassenen Vertragsarztes (richtiger eigentlich: vertragsärztlichen Praxis) bzw. in der Ermächtigungsambulanz eines Krankenhausarztes der Staatsanwaltschaft. Deshalb wird im Folgenden auf 2 Entscheidungen der Verwaltungsgerichte hingewiesen, die die enge Verknüpfung von strafrechtlichem Ermittlungsverfahren und Gefährdung der Approbation aufzeigen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2012,
Az. 3 B 7/12: kein Mindeststrafmaß, keine Vollendung der Straftat erforderlich

Zum Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts wurde er wegen versuchten Betrugs im besonders schweren Fall in 364 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 280 Tagessätzen zu je 50 € (insgesamt 14.000,00 €) verurteilt. Dem Kläger wurde zur Last gelegt, im Zeitraum von 3,5 Jahren im Zusammenwirken mit einer Kollegin, mit der er seinerzeit eine Gemeinschaftspraxis für ganzheitliche Medizin mit den Schwerpunkten Naturheilverfahren, Homöopathie, Akupunktur und Sportmedizin betrieb, gegenüber 33 Patienten in 364 Fällen ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet zu haben, obwohl er wusste, dass die Leistungen nicht oder nicht in der bezeichneten Art erbracht worden waren. Nach den Feststellungen im Strafbefehl spiegelte der Kläger sowohl gegenüber der Bayerischen Beamtenkrankenkasse AG, bei der die Patienten privat versichert waren, als auch bei den Patienten vor, dass die von ihm durchgeführten Leistungen nach der GOÄ abrechnungsfähig und damit erstattungsfähig seien; er nahm zumindest billigend in Kauf, dass die abgerechneten Leistungspositionen von der Krankenkasse nicht erstattet worden wären, wenn die tatsächlich erbrachten Behandlungen in den Rechnungen korrekt bezeichnet worden wären; hierbei handelte der Kläger in der Absicht, Einnahmen von nicht geringer Dauer und nicht geringem Umfang zu erzielen. Der Verurteilung wegen versuchter Tat lag zugrunde, dass dem Kläger nicht nachgewiesen werden konnte, ob die tatsächlich durchgeführten Leistungen bei korrekter Kennzeichnung von der Krankenkasse nicht erstattet worden wären und diese um die ausbezahlte Summe (46.879,27 €) geschädigt wurde. Der Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft beruhte auf einer Absprache mit den Strafverteidigern des Klägers, in deren Rahmen der Kläger den Tatvorwurf des versuchten Abrechnungsbetrugs mit schriftlichem Geständnis eingeräumt hatte.

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