Arzt und Recht - OUP 09/2013

Strafrechtliches Verfahren und Approbation

Die Regierung von Oberbayern widerrief daraufhin die Approbation des Klägers nach § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung (BÄO) wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Die Klage des Arztes gegen den Bescheid hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Gegenseite hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil jedoch geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, bei dem Kläger liege der Widerrufsgrund der Unwürdigkeit vor. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass er im Zusammenwirken mit seiner Kollegin die ihm zur Last gelegten Fälle des versuchten Abrechnungsbetrugs begangen habe. Hierfür könnten die im Strafbefehl getroffenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zugrunde gelegt werden, weil gewichtige Anhaltspunkte, die ausnahmsweise für deren Unrichtigkeit sprächen, nicht ersichtlich seien. Es handele sich um schwerwiegende berufsbezogene Verfehlungen, aus denen sich die Unwürdigkeit des Klägers zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe.

Aus den Gründen

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO liegen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor.

Die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen:

„Ab welchem Schweregrad erfüllt ein Fehlverhalten, welches nicht unmittelbar die Ausübung der Heilkunde gegenüber Patienten betrifft, das Tatbestandsmerkmal der ’Unwürdigkeit’? Welche Rolle spielt dabei insbesondere der Umstand, dass (wie vorliegend)

  • lediglich eine Versuchsstrafbarkeit in Rede steht,
  • kein Betrug zulasten der gesetzlichen Krankenkasse in Rede steht, sondern der strafrechtliche Vorwurf ausschließlich den Bereich privatärztlicher Abrechnungen betrifft?“,

würden der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verleihen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass Anlass für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein kann, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.01.2003, Az. 3 B 149/02 und vom 27.01.2011, Az. 3 B 63/10). Hiervon sei auch das Berufungsgericht ausgegangen. Ob gemessen an diesen Voraussetzungen ein Fehlverhalten den Schluss auf eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs erlaubt, hänge entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab und entziehe sich einer weiteren fallübergreifenden Klärung. Ebenso wenig, wie sich ein Rechtssatz des Inhalts aufstellen ließe, dass das Merkmal der Berufsunwürdigkeit die Verhängung eines bestimmten Mindeststrafmaßes voraussetzt (BVerwG, Beschluss vom 18.08.2011, Az. 3 B 6/11; Beschluss vom 27.01.2011 s.o.), lasse sich feststellen, dass nur vollendete Straftaten – und nicht der Versuch eines Verbrechens oder eines Vergehens im Sinne von § 22, § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 StGB – den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit rechtfertigen können.

Die Frage, ob ein Abrechnungsbetrug zulasten privat versicherter Patienten und/oder zum Nachteil der entsprechenden Versicherungsunternehmen oder staatlichen Beihilfestellen Anlass für den Widerruf der Approbation sein kann, sei ohne Weiteres zu bejahen. Einen zusätzlichen „behandlungsrelevanten Aspekt“, wie von der Beschwerde geltend gemacht, müsse das Fehlverhalten in diesem Zusammenhang nicht aufweisen. Der Senat habe bereits entschieden, dass die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen selbstverständlich zu den Berufspflichten gehört und dass die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang eine gravierende berufliche Verfehlung darstellt (vgl. Urteil vom 26.09.2002, Az. 3 C 37/01; Beschluss vom 28.08.1995, Az. 3 B 7/95 = ArztR 1996, 229). Nichts anderes gelte für betrügerische Falschabrechnungen unmittelbar gegenüber Patienten. Es liege auf der Hand, dass die berufliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung der ärztlichen Leistungen unabhängig davon besteht, ob es sich um Kassenpatienten oder Privatpatienten handelt. Falschabrechnungen zum Nachteil von Privatpatienten verletzten nicht nur deren berechtigte Vermögensinteressen. Betrügereien im Bereich privatärztlicher Abrechnungen schädigten darüber hinaus das Gesundheitssystem, wenn die privaten Krankenversicherungen und staatlichen Beihilfestellen nach Vorlage der Rechnungen durch die Versicherten und Beihilfeberechtigten für Leistungen aufkommen, die nicht angefallen sind oder die nicht so, wie abgerechnet, erbracht worden sind (vgl. Urteile vom 26.09.2002 s.o. und vom 16.09.1997, Az. 3 C 12/95 = ArztR1998, 200). Ob ein solches Fehlverhalten im konkreten Fall einen Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit rechtfertigt, sei indes eine Frage des Einzelfalls, deren richtige Beantwortung nicht verallgemeinert werden könne, weil es hierfür auf die Gesamtumstände der Verfehlungen ankomme (Beschluss vom 28.08.1995 s.o.).

Grundsätzlicher Klärungsbedarf ergebe sich auch nicht, soweit die Beschwerde geltend macht, eine betrügerische Falschabrechnung im privatärztlichen Bereich sei mit einem Abrechnungsbetrug gegenüber gesetzlichen Krankenkassen nicht vergleichbar. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim habe zwar erwogen, dass bei einer persönlichen Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber dem Privatpatienten eine Rechnungskontrolle durch den Patienten prinzipiell möglich sei. Ungeachtet dessen habe er aber angenommen, dass damit die Gefahr des Abrechnungsbetrugs keineswegs gebannt oder zu relativieren ist; denn die ärztliche Abrechnung sei wegen ihrer vielfach nicht erläuterten Bezugnahme auf Vorschriften der Gebührenordnung nicht so überschaubar und transparent, dass sie durch den auf diesem Gebiet nicht besonders kundigen Patienten auch tatsächlich wirksam kontrolliert werden könnte (in diesem Sinne auch BGH, Beschluss vom 25.01.2012, Az. 1 StR 45/11 = ArztR 2012, 116).

Verwaltungsgericht Arnsberg,

Beschluss vom 06.12.2012,
Az. 7 L 790/12: Einleitung strafrechtliches Ermittlungsverfahren ausreichend

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