Arzt und Recht - OUP 09/2013

Strafrechtliches Verfahren und Approbation

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Seit jeher müssen sich Ärzte mit Patienten, Krankenversicherungen und der KV auseinandersetzen, die die Richtigkeit einer vom Arzt erstellten Leistungsabrechnung infrage stellen. Diese Unannehmlichkeit gehört mittlerweile leider zum Alltagsgeschäft, weil die Abrechnung sowohl im privatärztlichen als auch im vertragsärztlichen Bereich zahlreiche Fallstricke bereithält.

Eine ganz andere und unter Umständen existenzbedrohliche Qualität erreicht die Auseinandersetzung, wenn nicht lediglich über die Zahlungspflicht von Patienten, Krankenversicherungen und der KV gestritten wird, sondern wegen der falschen Abrechnung Sanktionen gegen den Arzt wegen Verstößen gegen Berufs- oder Strafrecht verhängt werden sollen:

Zum einen droht auf Antrag der Ärztekammer eine Maßnahme des Berufsgerichts wegen Verstoßes gegen Berufsrecht. Da die Konsequenzen wie Warnung/Verweis oder Geldbuße (in Baden-Württemberg bis 50.000 €) in den seltensten Fällen existenziell sind, wäre diese Konsequenz zu ertragen.

Zum anderen droht jedoch bei gewisser Intensität (Wiederholung, Ausmaß) das Ruhen oder gar der Widerruf der Approbation durch die Approbationsbehörde. Gemäß § 5 der Bundesärzteordnung hat der Widerruf zu erfolgen, wenn sich der Arzt als unwürdig oder unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen hat. Unwürdigkeit betrifft Verhalten in der Vergangenheit, Unzuverlässigkeit eine Prognose für die Zukunft.

Des Weiteren droht ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat. Auch wenn solch ein Ermittlungsverfahren in den überwiegenden Fällen nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt, gehört es zu den Berufserfahrungen eines Arztes, die tunlichst zu vermeiden sind. In Betracht kommt insbesondere der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs gemäß § 263 StGB. Wenn der Arzt in seiner Rechnung eine Abrechnungsziffer (EBM-Ä, GOÄ) aufführt und eine Leistung bezeichnet, die er nicht oder nicht vollständig (selbst) erbracht hat, wendet er nach der Rechtsprechung des BGH (Kassenarzt: Urteil vom 10.03.1993, Az. III StR 461/92 = ArztR 1993, 313 / Privatarzt: Beschluss vom 25.01.2012, Az. 1 StR 45/11 = ArztR 2012, 116) nicht nur das Recht falsch an. Er spiegelt vielmehr wie ein Betrüger falsche Tatsachen vor. Für den betrugsrelevanten Irrtum beim Rechnungsempfänger reicht dann bereits die allgemeine Fehlvorstellung aus, die Abrechnung sei in Ordnung. Sogar wenn der Arzt eine fachgerechte Leistung erbracht hat, kann ein betrugsrelevanter Schaden vorliegen, da allein die materiell-rechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit der Leistung (GOÄ, EBM-Ä) deren wirtschaftlichen Wert bestimmen, sodass eine erbrachte ärztliche Leistung im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung keinen wirtschaftlichen Wert hat, wenn der Arzt nach den einschlägigen Abrechnungsregelungen keinen Zahlungsanspruch hat. Auch der erforderliche Vorsatz mit Bereicherungsabsicht und die Schuld des Arztes entfallen nicht automatisch, wenn der Arzt von den Vorgängen in seiner Praxis/seiner Krankenhausabteilung bzw. von der Strafbarkeit seiner Abrechnungsweise nichts gewusst hat; der Strafrichter müsste davon überzeugt werden, dass die Vorgänge tatsächlich nicht bekannt/nicht erkennbar waren und der Irrtum über die Strafbarkeit trotz erfolgter fachlicher Beratung (!) nicht vermeidbar war.

Auch von der Presse motiviert, kommt es immer häufiger vor, dass Patienten bei vermeintlicher Falschabrechnung unverzüglich die Ärztekammer einschalten oder gar Strafanzeige gegen den Arzt wegen des Verdachts des (versuchten) Abrechnungsbetrugs erstatten. Unter Umständen meldet die KV zudem entsprechend ihrer gesetzlichen Pflicht (§ 81a Abs. 4 SGB V) Abrechnungsungereimtheiten in der Kassenpraxis des niedergelassenen Vertragsarztes (richtiger eigentlich: vertragsärztlichen Praxis) bzw. in der Ermächtigungsambulanz eines Krankenhausarztes der Staatsanwaltschaft. Deshalb wird im Folgenden auf 2 Entscheidungen der Verwaltungsgerichte hingewiesen, die die enge Verknüpfung von strafrechtlichem Ermittlungsverfahren und Gefährdung der Approbation aufzeigen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2012,
Az. 3 B 7/12: kein Mindeststrafmaß, keine Vollendung der Straftat erforderlich

Zum Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts wurde er wegen versuchten Betrugs im besonders schweren Fall in 364 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 280 Tagessätzen zu je 50 € (insgesamt 14.000,00 €) verurteilt. Dem Kläger wurde zur Last gelegt, im Zeitraum von 3,5 Jahren im Zusammenwirken mit einer Kollegin, mit der er seinerzeit eine Gemeinschaftspraxis für ganzheitliche Medizin mit den Schwerpunkten Naturheilverfahren, Homöopathie, Akupunktur und Sportmedizin betrieb, gegenüber 33 Patienten in 364 Fällen ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet zu haben, obwohl er wusste, dass die Leistungen nicht oder nicht in der bezeichneten Art erbracht worden waren. Nach den Feststellungen im Strafbefehl spiegelte der Kläger sowohl gegenüber der Bayerischen Beamtenkrankenkasse AG, bei der die Patienten privat versichert waren, als auch bei den Patienten vor, dass die von ihm durchgeführten Leistungen nach der GOÄ abrechnungsfähig und damit erstattungsfähig seien; er nahm zumindest billigend in Kauf, dass die abgerechneten Leistungspositionen von der Krankenkasse nicht erstattet worden wären, wenn die tatsächlich erbrachten Behandlungen in den Rechnungen korrekt bezeichnet worden wären; hierbei handelte der Kläger in der Absicht, Einnahmen von nicht geringer Dauer und nicht geringem Umfang zu erzielen. Der Verurteilung wegen versuchter Tat lag zugrunde, dass dem Kläger nicht nachgewiesen werden konnte, ob die tatsächlich durchgeführten Leistungen bei korrekter Kennzeichnung von der Krankenkasse nicht erstattet worden wären und diese um die ausbezahlte Summe (46.879,27 €) geschädigt wurde. Der Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft beruhte auf einer Absprache mit den Strafverteidigern des Klägers, in deren Rahmen der Kläger den Tatvorwurf des versuchten Abrechnungsbetrugs mit schriftlichem Geständnis eingeräumt hatte.

Die Regierung von Oberbayern widerrief daraufhin die Approbation des Klägers nach § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung (BÄO) wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Die Klage des Arztes gegen den Bescheid hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Gegenseite hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil jedoch geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, bei dem Kläger liege der Widerrufsgrund der Unwürdigkeit vor. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass er im Zusammenwirken mit seiner Kollegin die ihm zur Last gelegten Fälle des versuchten Abrechnungsbetrugs begangen habe. Hierfür könnten die im Strafbefehl getroffenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zugrunde gelegt werden, weil gewichtige Anhaltspunkte, die ausnahmsweise für deren Unrichtigkeit sprächen, nicht ersichtlich seien. Es handele sich um schwerwiegende berufsbezogene Verfehlungen, aus denen sich die Unwürdigkeit des Klägers zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe.

Aus den Gründen

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO liegen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor.

Die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen:

„Ab welchem Schweregrad erfüllt ein Fehlverhalten, welches nicht unmittelbar die Ausübung der Heilkunde gegenüber Patienten betrifft, das Tatbestandsmerkmal der ’Unwürdigkeit’? Welche Rolle spielt dabei insbesondere der Umstand, dass (wie vorliegend)

  • lediglich eine Versuchsstrafbarkeit in Rede steht,
  • kein Betrug zulasten der gesetzlichen Krankenkasse in Rede steht, sondern der strafrechtliche Vorwurf ausschließlich den Bereich privatärztlicher Abrechnungen betrifft?“,

würden der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verleihen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass Anlass für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein kann, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.01.2003, Az. 3 B 149/02 und vom 27.01.2011, Az. 3 B 63/10). Hiervon sei auch das Berufungsgericht ausgegangen. Ob gemessen an diesen Voraussetzungen ein Fehlverhalten den Schluss auf eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs erlaubt, hänge entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab und entziehe sich einer weiteren fallübergreifenden Klärung. Ebenso wenig, wie sich ein Rechtssatz des Inhalts aufstellen ließe, dass das Merkmal der Berufsunwürdigkeit die Verhängung eines bestimmten Mindeststrafmaßes voraussetzt (BVerwG, Beschluss vom 18.08.2011, Az. 3 B 6/11; Beschluss vom 27.01.2011 s.o.), lasse sich feststellen, dass nur vollendete Straftaten – und nicht der Versuch eines Verbrechens oder eines Vergehens im Sinne von § 22, § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 StGB – den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit rechtfertigen können.

Die Frage, ob ein Abrechnungsbetrug zulasten privat versicherter Patienten und/oder zum Nachteil der entsprechenden Versicherungsunternehmen oder staatlichen Beihilfestellen Anlass für den Widerruf der Approbation sein kann, sei ohne Weiteres zu bejahen. Einen zusätzlichen „behandlungsrelevanten Aspekt“, wie von der Beschwerde geltend gemacht, müsse das Fehlverhalten in diesem Zusammenhang nicht aufweisen. Der Senat habe bereits entschieden, dass die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen selbstverständlich zu den Berufspflichten gehört und dass die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang eine gravierende berufliche Verfehlung darstellt (vgl. Urteil vom 26.09.2002, Az. 3 C 37/01; Beschluss vom 28.08.1995, Az. 3 B 7/95 = ArztR 1996, 229). Nichts anderes gelte für betrügerische Falschabrechnungen unmittelbar gegenüber Patienten. Es liege auf der Hand, dass die berufliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung der ärztlichen Leistungen unabhängig davon besteht, ob es sich um Kassenpatienten oder Privatpatienten handelt. Falschabrechnungen zum Nachteil von Privatpatienten verletzten nicht nur deren berechtigte Vermögensinteressen. Betrügereien im Bereich privatärztlicher Abrechnungen schädigten darüber hinaus das Gesundheitssystem, wenn die privaten Krankenversicherungen und staatlichen Beihilfestellen nach Vorlage der Rechnungen durch die Versicherten und Beihilfeberechtigten für Leistungen aufkommen, die nicht angefallen sind oder die nicht so, wie abgerechnet, erbracht worden sind (vgl. Urteile vom 26.09.2002 s.o. und vom 16.09.1997, Az. 3 C 12/95 = ArztR1998, 200). Ob ein solches Fehlverhalten im konkreten Fall einen Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit rechtfertigt, sei indes eine Frage des Einzelfalls, deren richtige Beantwortung nicht verallgemeinert werden könne, weil es hierfür auf die Gesamtumstände der Verfehlungen ankomme (Beschluss vom 28.08.1995 s.o.).

Grundsätzlicher Klärungsbedarf ergebe sich auch nicht, soweit die Beschwerde geltend macht, eine betrügerische Falschabrechnung im privatärztlichen Bereich sei mit einem Abrechnungsbetrug gegenüber gesetzlichen Krankenkassen nicht vergleichbar. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim habe zwar erwogen, dass bei einer persönlichen Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber dem Privatpatienten eine Rechnungskontrolle durch den Patienten prinzipiell möglich sei. Ungeachtet dessen habe er aber angenommen, dass damit die Gefahr des Abrechnungsbetrugs keineswegs gebannt oder zu relativieren ist; denn die ärztliche Abrechnung sei wegen ihrer vielfach nicht erläuterten Bezugnahme auf Vorschriften der Gebührenordnung nicht so überschaubar und transparent, dass sie durch den auf diesem Gebiet nicht besonders kundigen Patienten auch tatsächlich wirksam kontrolliert werden könnte (in diesem Sinne auch BGH, Beschluss vom 25.01.2012, Az. 1 StR 45/11 = ArztR 2012, 116).

Verwaltungsgericht Arnsberg,

Beschluss vom 06.12.2012,
Az. 7 L 790/12: Einleitung strafrechtliches Ermittlungsverfahren ausreichend

Zum Sachverhalt

Die Bezirksregierung hatte das Ruhen der Approbation des Arztes wegen der Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Arzt unter sofortiger Vollziehung angeordnet. Gegen diese Anordnung erhob der Arzt Klage beim Verwaltungsgericht und stellte zudem den Antrag, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben, äußerst hilfsweise die sofortige Vollziehung auszusetzen.

Aus den Gründen

Der Antrag des Arztes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in der Sache unbegründet:

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten des Arztes aus, weil bei summarischer Prüfung derzeit alles dafür spreche, dass seine Klage gegen die Anordnung des Ruhens seiner Approbation als Arzt erfolglos bleiben wird, und weil das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten sei als das Interesse des Antragstellers daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben.

Die Anordnung des Ruhens der Approbation sei materiell rechtmäßig. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung (BÄO). Hiernach kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage seien erfüllt.

Gegen den Arzt sei ein Strafverfahren eingeleitet worden. Hierfür genüge ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, das als erster Verfahrensabschnitt Teil des Strafverfahrens ist. Es sei nicht erforderlich, dass bereits Anklage erhoben ist.

Allerdings würden sich vielfach erst mit der Anklageerhebung hinreichende Umstände dafür ergeben, dass die Ruhensanordnung gerechtfertigt ist. Deshalb habe die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob sie das Ruhen der Approbation bereits in einem verhältnismäßig frühen Stadium des Strafverfahrens ausspricht oder ob sie zunächst weitere Ermittlungen und deren Ergebnisse und ggf. sogar die Anklageerhebung abwartet (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.07.2007, Az. 13 B 929/07).

An der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung der Einleitung eines Strafverfahrens ändere dies nichts. Bei der Anordnung des Ruhens der Approbation handele es sich um eine vorübergehende Maßnahme, die dazu bestimmt sei, in unklaren Fällen oder Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz von Patienten geboten ist. Sie erfasse insbesondere die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht. Dementsprechend sei die Anordnung des Ruhens der Approbation, wenn sie den ihr zugedachten Zweck einer Präventivmaßnahme zur Abwehr von Gefahren für einen unbestimmten Patientenkreis und damit zum Schutz der Allgemeinheit erfüllen soll, von ihrer Natur her insofern auf einen schnellen Vollzug angelegt, als es sich um eine vorläufige Berufsuntersagung und um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die nach § 6 Abs. 2 BÄO aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Ruhensanordnung mit den begrenzten Auswirkungen in zeitlicher Hinsicht diene letztlich dem Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, bei der es sich um ein hochrangiges Gut der Allgemeinheit handelt, und speziell dem Schutz der Patienten/Patientinnen vor einem Tätigwerden von Personen, deren Eignung zur Ausübung des Arztberufs zweifelhaft (geworden) ist. Der Schutz des Gesundheitssystems und letztlich der Patienten und die diesen Schutz bezweckende Anordnung des Ruhens der Approbation rechtfertigten es demnach auch, die Ruhensanordnung kurzfristig wirksam werden zu lassen, um so ihrem Charakter als Präventivmaßnahme schnellstmöglich gerecht zu werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 13 B 228/12 = ArztR 2012, 144).

Damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Ruhensanordnung erst ausgesprochen werden könnte, wenn im Strafverfahren bereits Anklage erhoben ist.

Aus den Straftaten, derer der Arzt verdächtig ist, könne sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben. Es bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller sich nach Strafgesetzbuch in zahlreichen Fällen strafbar gemacht hat.

Unwürdigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO liege vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar erforderlich ist. Diese Definition knüpfe die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt. Dieser Entziehungstatbestand stelle nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend sei vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 28.01.2003, Az. 3 B 149/02 und vom 14.04.1998, Az. 3 B 95/97).

Eine Unzuverlässigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO sei dann zu bejahen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Abzustellen sei für die somit anzustellende Prognose auf die jeweilige Situation des Arztes im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, sowie auf seinen vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordenen Charakter. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit sei die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1997, Az. 3 C 12/95 = ArztR 1998, 200).

Die angegriffene Entscheidung der Bezirksregierung werde sich voraussichtlich auch nicht als ermessensfehlerhaft erweisen. Die Behörde habe – wie sich aus der Begründung des Bescheides ergibt – erkannt, dass es sich bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 BÄO um eine Ermessensentscheidung handelt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Entscheidung sachwidrige Erwägungen zugrunde liegen.

Die Bezirksregierung habe insbesondere zu Recht darauf abgestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ein frühes Eingreifen der Aufsichtsbehörde auch vor Abschluss eines Strafverfahrens ermöglichen soll; die Regelung diene dem Schutz der Patienten vor den Gefahren, die mit der Berufsausübung eines möglicherweise unzuverlässigen bzw. unwürdigen Arztes verbunden sind, und zugleich dem Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Ärzteschaft. Demgegenüber habe im vorliegenden Fall das Interesse des Arztes an der vorläufigen Fortsetzung seiner Berufstätigkeit zurückzustehen, weil er schon aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses als unwürdig und unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs angesehen werden könne.

Diese Erwägungen seien sachgerecht. Auch wenn die Ermittlungen im Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sind und weder die Bezirksregierung noch das erkennende Gericht bislang die in der Praxis des Antragstellers vorgefundenen Unterlagen eingesehen hat, spreche aufgrund der in der Akte der Staatsanwaltschaft enthaltenen Unterlagen alles dafür, dass sich der Arzt in mindestens 6 Fällen strafbar gemacht hat.

Hiervon ausgehend sei das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten als das Interesse des Arztes daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben. Dies gelte auch angesichts der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei berufsrechtlichen Maßnahmen (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 08.04.2010, Az. 1 BvR 2709/09; vom 19.12.2007, Az. 1 BvR 2157/07 = ArztR 2009, 41 und vom 13.08.2003, Az. 1 BvR 1594/03).

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der Approbation sei als Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und -wahl zu qualifizieren. Sie stelle einen selbstständigen Eingriff dar, der eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm erfordert. Ein präventives Berufsverbot sei nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die zugrunde liegende Verfügung rechtmäßig ist und das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reiche dabei für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setze vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hänge dabei von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter bzw. für Dritte befürchten lässt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 13 B 228/12 = ArztR 2012, 144; BVerfG, Beschluss vom 04.10.2006, Az. 1 BvR 2403/06).

Dies ist hier nach Auffassung des Verwaltungsgerichts der Fall:

Eine Wiederholungsgefahr bestehe unter anderem vor dem Hintergrund, dass der Arzt seine Praxis aufgegeben hat und dass am Ort seiner bisherigen Praxis durch Presseberichte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weitgehend bekannt geworden sind. Wenn der Antragsteller vorübergehend im Besitz der Approbation bliebe, könnte er ohne Weiteres beispielsweise in einer anderen Region, in der er nicht bekannt ist, erneut ärztlich tätig werden.

Fazit

Die oben dargestellte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zeigt einmal mehr, dass bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen (genauso wie bei der übrigen ärztlichen Tätigkeit) höchste Sorgfalt geboten ist. Die Abrechnung sollte im Zweifelsfall mit Hilfe oder durch Abrechnungsspezialisten erstellt werden. Wegen der schwer durchschaubaren Abrechnungsregelungen kann auch jedem unbescholtenen Arzt die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und hiermit eng verknüpft das Ruhen und sogar der Widerruf der Approbation drohen. Solche im Gegensatz zu übrigen berufsgerichtlichen Maßnahmen existenzbedrohliche Verfahren können, erforderlichenfalls mit anwaltlicher Hilfe, häufig vermieden oder im Anfangsstadium ohne Sanktionen beendet werden, wenn bereits bei der Abrechnung die gebotene Sorgfalt angewendet wurde.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

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