Arzt und Recht - OUP 09/2013

Strafrechtliches Verfahren und Approbation

Die angegriffene Entscheidung der Bezirksregierung werde sich voraussichtlich auch nicht als ermessensfehlerhaft erweisen. Die Behörde habe – wie sich aus der Begründung des Bescheides ergibt – erkannt, dass es sich bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 BÄO um eine Ermessensentscheidung handelt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Entscheidung sachwidrige Erwägungen zugrunde liegen.

Die Bezirksregierung habe insbesondere zu Recht darauf abgestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ein frühes Eingreifen der Aufsichtsbehörde auch vor Abschluss eines Strafverfahrens ermöglichen soll; die Regelung diene dem Schutz der Patienten vor den Gefahren, die mit der Berufsausübung eines möglicherweise unzuverlässigen bzw. unwürdigen Arztes verbunden sind, und zugleich dem Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Ärzteschaft. Demgegenüber habe im vorliegenden Fall das Interesse des Arztes an der vorläufigen Fortsetzung seiner Berufstätigkeit zurückzustehen, weil er schon aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses als unwürdig und unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs angesehen werden könne.

Diese Erwägungen seien sachgerecht. Auch wenn die Ermittlungen im Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sind und weder die Bezirksregierung noch das erkennende Gericht bislang die in der Praxis des Antragstellers vorgefundenen Unterlagen eingesehen hat, spreche aufgrund der in der Akte der Staatsanwaltschaft enthaltenen Unterlagen alles dafür, dass sich der Arzt in mindestens 6 Fällen strafbar gemacht hat.

Hiervon ausgehend sei das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten als das Interesse des Arztes daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben. Dies gelte auch angesichts der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei berufsrechtlichen Maßnahmen (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 08.04.2010, Az. 1 BvR 2709/09; vom 19.12.2007, Az. 1 BvR 2157/07 = ArztR 2009, 41 und vom 13.08.2003, Az. 1 BvR 1594/03).

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der Approbation sei als Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und -wahl zu qualifizieren. Sie stelle einen selbstständigen Eingriff dar, der eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm erfordert. Ein präventives Berufsverbot sei nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die zugrunde liegende Verfügung rechtmäßig ist und das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reiche dabei für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setze vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hänge dabei von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter bzw. für Dritte befürchten lässt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 13 B 228/12 = ArztR 2012, 144; BVerfG, Beschluss vom 04.10.2006, Az. 1 BvR 2403/06).

Dies ist hier nach Auffassung des Verwaltungsgerichts der Fall:

Eine Wiederholungsgefahr bestehe unter anderem vor dem Hintergrund, dass der Arzt seine Praxis aufgegeben hat und dass am Ort seiner bisherigen Praxis durch Presseberichte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weitgehend bekannt geworden sind. Wenn der Antragsteller vorübergehend im Besitz der Approbation bliebe, könnte er ohne Weiteres beispielsweise in einer anderen Region, in der er nicht bekannt ist, erneut ärztlich tätig werden.

Fazit

Die oben dargestellte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zeigt einmal mehr, dass bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen (genauso wie bei der übrigen ärztlichen Tätigkeit) höchste Sorgfalt geboten ist. Die Abrechnung sollte im Zweifelsfall mit Hilfe oder durch Abrechnungsspezialisten erstellt werden. Wegen der schwer durchschaubaren Abrechnungsregelungen kann auch jedem unbescholtenen Arzt die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und hiermit eng verknüpft das Ruhen und sogar der Widerruf der Approbation drohen. Solche im Gegensatz zu übrigen berufsgerichtlichen Maßnahmen existenzbedrohliche Verfahren können, erforderlichenfalls mit anwaltlicher Hilfe, häufig vermieden oder im Anfangsstadium ohne Sanktionen beendet werden, wenn bereits bei der Abrechnung die gebotene Sorgfalt angewendet wurde.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

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