Originalarbeiten - OUP 07-08/2013

Strategien zur Vermeidung von Nervenläsionen infolge von
Hüftendoprothesen-Implantationen
Aus der Praxis für die PraxisPractical hints

Nervus ischiadicus

Am Beginn der Operation wird oft ein Hohmann-Hebel dorsal der Trochanter-major-Region bzw. am proximalen Femur eingesetzt, um die Weichteile nach unten zu drücken. Besonders bei schlanken Individuen liegt etwas medial davon direkt der Nervus ischiadicus, sodass dieser von dem Hebel gequetscht werden kann, wenn dieser zu profund eingesetzt wird. Dieser Hohmann, wobei regelhaft ein stumpfer ausreicht, soll sich also nur ganz knapp hinter dem dorsalen Trochantermassiv verhaken. Alternativ ist auch der Femurretraktor-Hebel möglich, bei dem die Gefahr geringer ist, dass er zu weit nach medial eingesetzt wird. Allerdings muss dieser, bedingt durch die beiden Spitzen, sehr sorgfältig am Knochen eingehakt werden.

Eine 2. Verletzungsgefahr des N. ischiadicus besteht durch den Einsatz eines Hebels am kaudalen Rand des Acetabulums, die Region, wo die Fossa acetabuli in das Ligamentum transversum ausläuft. Hier ist zur größeren Sicherheit auch ein stumpfer Hohmann anzuwenden, der wesentlich risikoärmer als der doppelt gewinkelte oder spitze Hohmann eingesetzt werden kann. Es gibt 2 Positionsmöglichkeiten, kranial oder kaudal des Ligamentum transversum. Dieser Retraktor sollte sich auch nur ganz zart hinter dem knöchernen Rand verankern und nicht zu weit hinein gesteckt werden.

Bei der Lagerung des Patienten in Rückenlage muss besonders bei schlanken Individuen beachtet werden, dass die leichte Schräglagerung auf einem Sandsack den Ischiasnerven direkt druckschädigen kann, vor allem, wenn die OP etwas länger dauert. Aus diesem Grunde wird empfohlen, die Schräglagerung mit Tüchern durchzuführen, die den Druck etwas flächiger aufbauen. Bei besonders gefährdeten kachektischen Personen ist die Verwendung eines Gelkissens dringend empfehlenswert.

Bei dorsalen Zugängen zum Hüftgelenk in Seitenlage ist insbesondere der Nervus ischiadicus durch direkte Verletzung auch durch das Skalpell gefährdet, weil er oft sichtbar durch den dorsalen Bereich des Situs verläuft. Es muss ständig beim Operieren und Hantieren mit allen Instrumenten daran gedacht werden, dass der Nerv dort sehr vulnerabel liegt und durch verschiedene Manöver im direkten Kontakt kompromittiert werden kann.

Nervus gluteus superior

Der Verlauf dieses Nervens ist unregelmäßig, er hat auch rasch verschiedene Aufzweigungen [7]. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass 3 cm proximal der Trochanterspitze ein wesentlicher Nervenast verlaufen kann, der durch Druck beim Aufspreizen der Muskulatur gedehnt wird, insbesondere beim transglutealen anterolateralen Zugang nach Bauer, wenn zur besseren Übersicht in das laterale Ileum ein spitzer Hohmann-Haken in den Knochen eingeschlagen und somit die Muskulatur stark elongiert wird [8]. Eine weitere, wohl noch häufigere Verletzungsgefahr besteht darin, dass man mit dem Diathermiemesser die Muskulatur nach proximal hin spaltet, und somit den Nerven direkt thermisch schädigt. Wenn man nach kranial hin Platz braucht, wie es z.B. bei einer Acetabulo-Plastik der Fall ist, ist es in jedem Falle günstig, die Muskulatur stumpf zu spreizen, und nicht das elektrische Messer zu verwenden.

Periphere Nervenläsion

Hier ist in erster Linie der Nervus peroneus durch die Auslagerung des Beins gefährdet, besonders bei verlängerten OP-Zeiten und schwieriger Übersicht, wie bei adipösen Patienten, weil der 2. Assistent bei Rückenlagen den Bereich des Fibulaköpfchens mit dem dort darunter liegenden Nerven auf die Kniescheibe des kontralateralen Beines drückt und somit manchmal über viele Minuten während der Präparation des Femurschafts den Nerven komprimieren kann. Diese Gefahr wird akzentuiert, wenn vorher eine elastische Binde als Thromboseprophylaxe mit relativer Spannung über das Kniegelenk gewickelt wird und somit beim Beugen des Kniegelenks dort ein Wulst entsteht, der zusätzlich Druck ausübt. Durch einen ähnlichen Mechanismus können auch Ausläufer am Fußrücken druckgeschädigt werden, wenn die elastische Wicklung dort zu fest erfolgt, z.B. durch starken Zug bei der Wicklung über die Ferse. Dieses kann übrigens auch zu Drucknekrosen an der Ferse führen, die nur sehr zögerlich abheilen und den Patienten über lange Zeit belästigen. In Seitenlagerung ist das unten liegende Kniegelenk lateral mit einem Gelkissen vor Druckbeeinträchtigung zu schützen.

Nerven im kleinen Becken

Möglich ist eine direkte Verletzung durch zu tiefes Bohren durch die Lamina interna zur Platzierung von Pfannenschrauben. Häufiger dürfte die Druckwirkung eines Hämatoms vorkommen in Kombination mit einer Nervenschädigung durch lipoproteolytische Enzyme bei der Resorption einer retroperitonealen Blutansammlung. Bei jüngeren Patienten führt das Herausrupfen des Ligamentum capitis femoris mit dem Luer zu einem Zurückschappen der elastischen und oft noch offenen A. capitis femoris, die dann unbemerkt in das kleine Becken bluten kann. Vorsicht ist auch geboten bei der Entfernung der caudalen Gelenkkapselanteile, hier findet sich oft ein größeres Gefäß. Nervenschädigungen im kleinen Becken betreffen die zartkalibrigen Ausläufer des lumbosakralen Plexus mit unangenehmer perineal-genitaler Sensibilitätsstörung.

N. cutaneus femoris lateralis

Falls man bei der autologen Spongiosaplastik von azetabulären Defekten auf die Entnahme aus der Spina iliaca anterior superior zurückgreifen muss, ist zu beachten, dass der oben genannte Nerv am meisten gefährden ist, je weiter medial der Zugang zum Beckenkamm erfolgt. Die resultierenden Sensibilitätsstörungen am lateralen Oberschenkel werden oft erst nach gezieltem Nachfragen aufgedeckt.

Schlussfolgerung

In dem Bewusstsein, dass Nervenlähmungen den Erfolg der schönsten implantierten Endoprothese für den Patienten zunichte machen, sollte man als Operateur, aber auch als Assistent und Hakenhalter unter Kenntnis der möglichen Gefährdung von nervalen Strukturen eine entsprechende Vorsicht walten lassen. Es ist unbedingt der Aspekt zu beherzigen, dass unter heutigen Gesichtspunkten die Schnelligkeit des operativen Eingriffs nicht Vorrang vor der Sorgfalt haben darf, um ein optimales Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

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