Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Suprakondyläre Humerusfrakturen im Wachstumsalter

Francisco F. Fernandez1, Oliver Eberhard1, Thomas Wirth1

Zusammenfassung: Suprakondyläre Humerusfrakturen sind charakteristische knöcherne Verletzungen des wachsenden Skeletts. Die hohe Zahl der anerkannten Behandlungsfehler am Ellenbogengelenk des Kindes weist darauf hin, dass diese Verletzungen nach wie vor eine Herausforderung für alle behandelnden Chirurgen darstellen.

Zur Vermeidung von Behandlungsfehlern sollte man die Fraktur exakt analysieren. Dabei sind in der Diagnostik insbesondere der Strahlenschutz, in der Therapie die begrenzten physiologischen Ressourcen des Ellenbogengelenks sowie in der Entscheidungsfindung zur passenden Versorgung die typischen Frakturgeometrien im Kindesalter altersabhängig mit einzubeziehen.

Schlüsselwörter: suprakondyläre Humerusfraktur, Kind,
perkutane K-Draht-Oosteosynthese, Komplikationen

Citation
Fernandez FF, Eberhard O, Wirth: Suprakondyläre Humerusfrakturen im Wachstumsalter.
OUP 2016; 3: 140–145 DOI 10.3238/oup.2015.0140–0145

Summary: Supracondylar fractures of the humerus are characteristic osseous injuries of the growing skeleton. The high amount of acknowledged errors in treatment shows, that these injuries are still a challenge for every concerned surgeon.

For avoidance of errors in treatment each fracture should be analyzed exactly. In doing so special attendance should be given age-related to radiation protection in question of diagnostics, to restricted physiological resources of the elbow joint concerning therapeutic interventions and to typical fracture geometries of the child in decision making for the suitable treatment.

Keywords: supracondylar humerus fracture, child, percutaneous K-wire pinning, complications

Citation
Fernandez FF, Eberhard O, Wirth: Supracondylar fractures of the
humerus at growing age
OUP 2016; 3: 140–145 DOI 10.3238/oup.2015.0140–0145

Einleitung

Die suprakondylären Humerusfrakturen sind charakteristische knöcherne Verletzung des Ellenbogengelenks des Kindes. Das Ellenbogengelenk stellt aufgrund seiner Stellung in der Bewegungskette des Arms aus funktionellen Gesichtspunkten das wichtigste Gelenk dar. Die benachbarten Gelenke können nur bedingt Funktionseinschränkungen des Ellenbogens kompensieren.

Durch den Wandel in der Versorgung von der konservativen hin zur operativen Therapie konnten Komplikationen wie z.B. Cubitus varus reduziert und die Dauer der Hospitalisierung von Wochen auf wenige (2–4) Tage gesenkt werden.

Dennoch stellt der Ellenbogen die komplikationsträchtigste Region des wachsenden Skeletts dar, und man schätzt, dass ca. 90 % der Komplikationen iatrogen bedingt sind [1]. Die Frakturbehandlung erfordert Kenntnisse der Röntgenanatomie des sich ständig verändernden Skeletts sowie dessen spezifischer Frakturdynamik. Wachstumseigenschaften gesunder und verletzter Knochen sollten den Behandelnden bekannt sein. Die Zahlen der Schlichtungsstellen der Deutschen Ärztekammern weisen darauf hin, dass die Erkenntnis, dass Kinder keine „kleinen Erwachsenen“ sind, noch zu selten umgesetzt wird. Klagen im Zusammenhang mit der Frakturbehandlung im Kindesalter werden überdurchschnittlich häufig anerkannt. Insbesondere der Ellenbogen zeigte mit 77 % die höchste Fehleranerkennungsquote. Die anerkannten Behandlungsfehler betreffen meist Fehldeutungen des Röntgenbefunds, ungenaue klinische Befunderhebung, dem Frakturmuster nicht angemessene konservative oder operative Behandlung sowie unterlassene oder unzureichende Frakturkontrolle [2].

Häufigkeit

Die suprakondyläre Humerusfraktur ist eine sehr häufige Fraktur im Wachstumsalter und macht ca. 5–7 % aller Frakturen im Kindesalter aus. Mit einem Anteil von ca. 60 % stellt die suprakondyläre Humerusfraktur die häufigste knöcherne Ellenbogenverletzung im Wachstumsalter dar. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr [3, 4].

Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen, wobei in der neueren Literatur die Inzidenz bei Mädchen zunahm. Ipsilaterale Frakturen im Sinne von Kettenfrakturen treten in ca. 1 % der Fälle auf, dabei ist die häufigste Begleitverletzung die distale Radiusfraktur [5].

Radiologische Diagnostik

Die radiologische Diagnostik beinhaltet Röntgenaufnahmen des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen (a.-p. und seitliche Aufnahme) [5].

Achsfehlstellungen in der Frontalebene werden mit dem Baumann-Winkel, Fehlstellungen in der Sagittalebene am besten mit der Roger-Hilfslinie festgestellt. Ein Rotationssporn und ein Kalibersprung im seitlichen Bild weisen auf eine Fehlstellung in der 2. Ebene hin. Ist in der ersten Röntgenaufnahme bereits eine eindeutige OP-Indikation gegeben, muss die Aufnahme der 2. Ebene präoperativ nicht erzwungen werden.

Nicht dislozierte Frakturen sind im Unfallbild gelegentlich nicht zu erkennen, sondern nur durch ein Fettpolsterzeichen („fad pad sign“) als indirektes Zeichen zu vermuten.

Besteht anhand der Klinik und des Unfallmechanismus kein Hinweis auf eine andere mögliche Ellenbogenverletzung, dann ist ein NMR nicht indiziert. Bestehen jedoch Zweifel – insbesondere bei Kindern, bei denen Trochlea und Radiuskopf noch nicht radiologisch erkennbar sind – dann ist eine weitere Abklärung mittels einer Sonografie oder eines NMR sinnvoll, damit können der knorpelige Radiuskopf und die Trochlea humeri adäquat beurteilt werden. Die Deutung des NMR des Ellenbogens, welches in Beugung des Ellenbogens durchgeführt wird, kann schwierig sein.

Unfallmechanismus
und Frakturtypen

Die häufigsten Ursachen für suprakondyläre Humerusfrakturen sind banale Stürze beim Schul- oder Freizeitsport. In nur wenigen Fällen führen ein Verkehrsunfall oder ein Hochenergie-Trauma zu einer suprakondylären Humerusfraktur.

Es wird zwischen dem häufigen Extensionstyp (ca. 98 %) und dem sehr seltenen Flexionstyp (ca. 2 %) unterschieden [5, 6, 7].

Beim Extensionstyp stürzt das Kind auf den ausgestreckten Arm. Es kommt zu einer Krafteinleitung über den Unterarm in den Ellenbogen. Über die Bandstrukturen wird am Ellenbogen die Kraft in den Oberarm geleitet. Dabei tritt eine Überstreckung im Ellenbogen mit einem erhöhten Biegemoment auf, was bei ausreichender Kraft zu einer Fraktur am schwächsten Ort des Ellenbogengelenks führt, der supracondylären Region.

Beim Flexionstyp kommt es zu einem direkten Sturz auf das Olecranon, dabei wird das distale Fragment nach ventral geschoben.

Die Dislokationsrichtung ist abhängig von der Unterarmstellung. In ca. 75 % der Fälle kommt es aufgrund einer Pronationstellung des Unterarms zu einer posteromedialen Dislokation; bei einer supinierten Stellung tritt eine posterolaterale Dislokation ein.

Periphere Neuropraxie

Nervenläsionen treten im Wesentlichen bei Extensionsfrakturen auf, Flexionsfrakturen gehen selten mit Nervenschäden einher. Die Dislokationsrichtung des proximalen Fragments bestimmt den neurologischen Schaden. Bei einer posteromedialen Dislokation kommt es zu einer Schädigung des N. radialis, während die posterolaterale Dislokation zu einer Schädigung des N. medianus führt, insbesondere des N. interosseus ant. In einer Metaanalyse über 8361 Frakturen waren 7,7 % Nervenschäden aufgetreten, davon waren in 41,2 % der N. radialis, in 36 % der N. medianus und in 22,8 % der N. ulnaris betroffen [5].

Bei einer primären peripheren Neuropraxie ist in über 90 % mit einer Remission innerhalb von 3–4 Monaten zu rechnen [5, 8]. Aufgrund der hohen Remissionsrate ist eine primäre operative Revision nicht indiziert. Ist ein Nervenschaden eingetreten, ist jedoch eine elektrophysiologische Untersuchung im Sinne einer EMG- und NLG-Untersuchung in den ersten Wochen durchzuführen. Kommt es zu Reinnervationspotenzialen, ist ein weiteres Zuwarten sinnvoll, sind aber nach 3 Monaten noch keine Reinnervationspotenziale nachzuweisen, sollte eine Revision des Nerven erfolgen.

Eine iatrogene N. ulnaris-Schädigung durch den ulnarseitig eingebrachten Draht bei der gekreuzten K-Draht-Osteosynthese darf nicht belassen werden. Hier sollte eine Revision mit ggf. Neuplatzierung des K-Drahts erfolgen.

Spontankorrektur
des wachsenden Skeletts

Die Spontankorrektur des Ellenbogens ist aufgrund des geringen Wachstumspotenzials des distalen Humerus (ca. 20–30 %) deutlich eingeschränkt. Das Ellenbogengelenk hat im humeroulnaren Gelenkanteil die Funktion eines Scharniergelenks. Fehlstellungen, die in der Sagittalebene der Bewegungsachse des humeroulnaren Gelenks liegen, können sich bis zu einem Alter von ca. 7 Jahren spontan korrigieren [9, 10]. Eine vollständige Spontankorrektur ist nur bei jüngeren Kindern zu erwarten. Fehlstellungen in der Frontalebene, d.h. Cubitus varus oder valgus korrigieren sich in keinem Alter spontan (Abb. 1). Die entstandene Fehlstellung verbleibt. Eine Spontankorrektur eines Rotationsfehlers am Oberarm ist zwar theoretisch über die physiologische Oberarmdetorsion möglich, jedoch nicht beschrieben und wird kontrovers diskutiert. Der primär verbliebene Rotationssporn als Zeichen des Rotationsfehlers wird durch Resorption abgebaut.

Klassifikationen

Die suprakondylären Frakturen lassen sich nach dem Unfallmechanismus oder dem Dislokationsgrad klassifizieren. Die Klassifikationen nach dem Unfallmechanismus sind [6, 7]:

  • – Extensionstyp in 98 %
  • – Flexionstyp. in 2 %

Die gebräuchlichsten Klassifikationen haben den Dislokationsgrad der Fragmente zur Grundlage, da sie von Therapierelevanz sind.

Im deutschsprachigen Raum wird die AO-Klassifikation für Frakturen der langen Röhrenknochen im Kindesalter in Anlehnung an die Klassifikation nach von Laer am häufigsten eingesetzt [7, 11].

Die suprakondylären Humerusfrakturen werden dabei in 4 Grade eingeteilt (Abb. 2).

Grad I: Undislozierte Fraktur

Grad II: Dislozierte Fraktur ohne Rotation

Grad III: Dislozierte Fraktur mit Rotation

Grad IV: Vollständige Dislokation ohne knöchernen Kontakt der Fragmente

Im angloamerikanischen Schrifttum ist die Klassifikation nach Gartland am weitesten verbreitet [12].

Gartland I: keine Dislokation der Fraktur

Gartland II: Dislokation in einer Ebene

Gartland III: Komplett disloziert

Therapie

Therapieziele

  • 1. Ziel ist die Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse am Ellenbogen, um eine achsengerechte knöcherne Konsolidierung mit uneingeschränkter Beweglichkeit zu erreichen.
  • 2. Die durchzuführende operative Therapie sollte möglichst eine primäre, definitive und minimal-invasive Versorgung sein.

Konservative Therapie

Bei der suprakondylären Typ-I-Fraktur besteht Konsens darüber, dass sie keine Reposition benötigt, da es sich um eine nichtdislozierte Fraktur handelt. Sie erfordert eine Ruhigstellung in einem Oberarmgips mit 90–100° Beugung im Ellenbogengelenk, fakultativ kann dabei der Unterarm in Pronation eingestellt werden (Abb. 3). Eine ebenfalls etablierte Methode ist die Blount-Schlinge („cuff and collar“), bei der das Ellenbogengelenk bei ca. 110° gebeugt wird und der Unterarm gleichzeitig proniert ist [4, 6, 5, 10].

Die Typ-II-Fraktur, also jene Fraktur, die nur in einer Ebene verschoben ist, kann prinzipiell konservativ behandelt werden. Die Versorgung der Typ-II-Fraktur ist abhängig vom Ausmaß der Abkippung sowie vom Alter, da bei einer belassenen Antekurvationsfehlstellung (verminderter humerokondylärer Winkel), maximal bis zum 7. Lebensjahr mit einer gewissen Spontankorrektur gerechnet werden kann [9].

Die Dislokation in einer Ebene kann sowohl nach dorsal im Sinne einer Extensionsverletzung als auch selten nach ventral erfolgt sein. Frakturen mit einer Dislokation nach ventral verlieren meist nach der Reposition ihre Korrektur, sodass eine operative Stabilisierung notwendig ist. Mit einem Oberarmgips lassen sich diese Frakturen selten halten, da die Modellierung des Gipses eine Ventralabkippung des Fragments nicht verhindern kann. Diese Frakturen lassen sich auch nicht mit einer Blount-Schlinge halten, da die Stellung in der Schlinge die Ventralabkippung des Fragments unterstützt. Bei Kindern unter dem 6. Lebensjahr und einer Angulation von 10–20° kann in einer Analgosedierung eine geschlossene Reposition erfolgen und ein modellierter Oberarmgips angelegt werden (Abb. 4).

Mit der Blount-Schlinge kann über ein sukzessives mehrfaches Nachziehen die suprakondyläre Extensionsfraktur reponiert werden. Eine Röntgenkontrolle zur Überprüfung des Repositionsergebnisses ist nach ca. einer Woche zwingend erforderlich. Ist es jedoch zu keiner zufriedenstellenden Reposition gekommen, kann die Fraktur noch über eine geschlossene Reposition und Stabilisation ohne offenes Vorgehen versorgt werden.

Operative Versorgung

Die Indikationen für ein operatives Vorgehen sind:

drohendes Kompartmentsyndrom (sehr selten),

offene Frakturen,

Fraktur mit Nerven- oder Gefäßschäden,

dislozierte Flexionsfraktur,

dislozierte Extensionsfraktur, die nicht sicher retinierbar ist (Typ II),

sekundär dislozierte Fraktur,

Extensionsfraktur mit Achsabweichung und Rotationsabweichung (Typ III und Typ IV).

Die Operation kann in Rücken- oder Bauchlage durchgeführt werden. Vor der Operation kann zur Beurteilung der Repositionsmöglichkeit eine Probereposition durchgeführt werden, insbesondere bei V.a. einen Gefäßverschluss. Die Lagerung orientiert sich in diesem Fall an dem verletzten Gefäß. In Rückenlage kann, falls erforderlich, durch einen vorderen Zugang die Behandlung von Nerven- und Gefäßverletzungen erfolgen. Allerdings ist eine Gefäßverletzung selten und eine Nervenläsion noch seltener. In Rückenlage kann, falls gewünscht, das Repositionsergebnis durch ein Tape gehalten werden. In Bauchlage kann bei herabhängendem Arm eine Reposition leichter sein, dabei ist zu beachten, dass der Armtisch, über dem die Reposition stattfindet, nicht zu breit ist, damit eine Flexion gut möglich ist.

Nach der Reposition und Stabilisation ist es entscheidend, dass man den Bildwandler schwenkt, und nicht den verletzten Arm, um Aufnahmen der zweiten Ebene zu erhalten. Es sollte in den meisten Fällen gelingen, die Frakturen geschlossen zu reponieren und operativ zu stabilisieren.

Repositionsmanöver

Bei der geschlossenen Reposition der suprakondylären Fraktur sollte der Ellenbogen vorsichtig gestreckt werden. Nach erreichter Streckung kann es sinnvoll sein, unter Bildwandler die Stellung in der Frontalebene zu kontrollieren. Durch Unterstützung durch Pronation bzw. Supination kann die Reposition erleichtert werden. Es erfolgt eine sukzessive Beugung des Ellenbogens bis ca. 110–120°, mit leichtem Druck des Daumens auf den Ellenbogen kann die Reposition unterstützt werden. Vorsicht bei Hyperflexion, hier kann es zu einer Wandlung einer Extensionsfraktur in eine Flexionsfraktur kommen. Die Reposition wird mit einem Bildwandler immer in 2 Ebenen kontrolliert. Dabei sollte der Bildwandler so aufgestellt werden, dass Aufnahmen der sagittalen und frontalen Ebene durch Schwenkung des Geräts möglich sind. Damit wird verhindert, dass eine bereits erzielte Reposition nicht wieder durch Rotationsmanöver verloren geht. Zur operativen Stabilisierung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:

Kirschner-Draht-Osteosynthese,

Fixateur externe,

Elastische stabile intramedulläre Nagelung (ESIN).

Kirschner-Draht-Osteosynthese

Die K-Draht-Osteosynthese ist die am weitesten verbreitete Osteosynthese, sie stellt die Standardversorgung dar bzw. gilt als Goldstandard in der Literatur [4, 5, 10]. Die K-Draht-Osteosynthese kann in Rücken- oder Bauchlage durchgeführt werden. Auch ist die Osteosynthese unabhängig davon, ob offen oder geschlossen reponiert wird. Es werden variable Drahtkonfigurationen angegeben. Biomechanische Studien haben gezeigt, dass 2 gekreuzte Drähte eine weit größere Stabilität haben als 2 parallel liegende Drähte (Abb. 5). Die gekreuzten K-Drähte sollten sich nicht auf Frakturhöhe kreuzen, sondern darüber. Bei ausgeprägter Instabilität werden auch 3 K-Drähte zur Stabilisierung eingesetzt [13] (Abb. 6).

Der Vorteil der gekreuzten retrograden K-Drähte ist die einfache Fassung des distalen Fragments, sie bergen jedoch die Gefahr einer intraoperativen N.-ulnaris-Läsion, diese wird in bis zu 5 % angegeben [5]. Um dies zu verhindern, sollte im Zweifelsfall bei erheblicher Weichteilschwellung und nicht sicherer Identifikation des Epikondylus ulnaris der K-Draht offen über einen kleinen Schnitt eingebracht werden. Angegeben wird, dass zum Schutz des N. ulnaris das Ellenbogengelenk in maximaler Flexion gehalten werden sollte. Dies ist bei älteren Kindern zutreffend, bei Kindern unter 5 Jahren kann jedoch der N. ulnaris nach ventral rutschen. Darauf muss besonders geachtet werden [5]. Cave!!

Um dieses Risiko zu vermeiden, kann der 2. K-Draht von proximal radial nach distal ulnar eingebracht werden (Abb. 6). Dabei muss auf den N. radialis geachtet werden. In unserer Klinik stellt dies die Standardversorgung dar und wir haben bisher keine N.-radialis-Läsionen verzeichnet oder mussten einen N. radialis revidieren [14]. Je nach Präferenz können die Kirschner-Drähte perkutan belassen bzw. unter die Haut versenkt werden.

Die Nachbehandlung nach K-Draht-Osteosynthese erfordert eine Ruhigstellung im Oberarmgips für 3–4 Wochen. Die Entfernung der K-Drähte kann nach 3–6 Wochen erfolgen. Die Metallentfernung erfolgt ambulant. Nach der Freigabe der Funktion sollte nach 4 Wochen eine klinische Untersuchung durchgeführt werden. In den meisten Fällen ist nach 2–3 Monaten eine freie Beweglichkeit zu erwarten, sodass eine Physiotherapie nicht notwendig wird.

Elastische stabile intramedulläre Nagelung (ESIN)

Nachdem die ESIN-Versorgung von Frakturen der langen Röhrenknochen sehr erfolgreich angewandt wird, fand sie auch Einsatz in der suprakondylären Region [15]. Bei der ESIN-Technik werden 2 intramedulläre Nägel von lateral proximal in den Oberarm eingebracht. Die beiden Eintrittspunkte werden distal des Tuberculum deltoideum am besten mit einem Bohrer eröffnet. Die Nägel werden nacheinander bis kurz vor die Fraktur geführt, dabei sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht korkenzieherartig übereinander zu liegen kommen. Primär muss die Fraktur jedoch reponiert werden, danach können die Nägel in das distale Fragment eingebracht werden und dieses stabilisieren. Einer der Nägel wird in den radialen Pfeiler, der zweite in den ulnaren Pfeiler eingebracht. Der ulnarseitige Nagel muss nach ventral ausgerichtet werden, um eine dorsale Perforation zu vermeiden. Eine Reposition der Fraktur über die Nägel, so wie wir es bei der Radiushalsfraktur oder der subcapitalen Oberarmfraktur beim Jugendlichen kennen, ist nicht möglich.

Bei dieser Methode ist eine verbandsfreie Nachsorge mit dem Vorteil einer früheren Mobilisation des Ellenbogens möglich. Die Methode ist im Unterschied zur K-Draht-Osteosynthese jedoch technisch bedeutend schwieriger, sodass sie 2 erfahrene Operateure braucht.

Fixateur-externe-Versorgung

Die Indikation für den radialseitigen Fixateur externe besteht für Frakturen mit einer lateralen Trümmerzone. Auch bei Frakturen, die geschlossen nicht zu reponieren sind, kann über den Fixateur externe eine Reposition und Retention erzielt werden. Eine frühe Mobilisation ist auch hier möglich [16].

Interessenskonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. Francisco F. Fernandez

Orthopädische Klinik

Olgahospital

Klinikum Stuttgart

Kriegsbergstr. 62

70174 Stuttgart

f.fernandez@klinikum-stuttgart.de

Literatur

1. Laer L von. Ellenbogen In: von Laer L. (Hrsg.). Das verletzte Kind, Stuttgart: Thieme Verlag, 2007: 49–59

2. Kraus R, Wessel L: The treatment of upper limb fractures in children and adolescents. Dtsch Arztebl Int 2010; 107: 903–910

3. Landin LA: Danielsson LG. Elbow fractures in children: an epidemiological analysis of 589 cases. Acta Orthop Scand 1986; 57: 309–312

4. Weinberg A et al. Die supracondyläre Oberarmfraktur im Kindesalter – eine Effizienzstudie. Teil I. Unfallchirurg 2002;105: 208–216

5. Kasser JR, Beaty JH. Supracondylar fractures of the distal Humerus. In Rockwood and Wilkins (ed.): Fractures in Children, 6th edition, Baltimore: Lippincott, Williams & Wilikins, 2006: 543–590

6. Wessel L. Suprakondyläre Humerusfraktur. In: Marzi I (Hrsg.) Kindertraumatologie, 2. Aufl., Berlin: Springer Verlag, 2009: 143–156

7. Laer L von, Kraus R, Linhart WE. Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter, 4. Aufl., Stuttgart: Thieme, 2001; 126–142

8. Louahem DM, Nebunescu A, Canavese F et al. Neurovascular complications and severe displacement in supracondylar humerus fractures in children: defensive or offensive strategy? J Pediatr Orthop B 2006; 15: 51–57

9. Wessel LM, Günter SM, Jablonski M et al. Wie lässt sich die Wachstumsprognose nach kindlicher suprakondylärer Humerusfraktur erfassen? Orthopäde 2003; 32: 824–32

10. Gercek E, Nusselt T, Rothenbach E , Hartmann F. Suprakondyläre Humerusfrakturen im Wachstumsalter. Trauma Berufskrankheit 2015; 17; 260–264

11. Slongo T, Audigé L and the AO Pediatric Classification Group. AO Paediatric Comprehensive Classification of long bone Fractures. Brochure and poster AO Education, AO Publishing, Switzerland, 2007.

12. Gartland JJ. Management of supracondylar fractures of the humerus in children. Surg Gynecol Obstet 1959; 109: 145–154

13. Zionts LE, Mckellop HA, Hathaway R. Torsional strength of pin configurations used to fix supracondylar fractures of the humerus in children. J Bone Joint Surg Am 1994; 76: 253–256

14. Eberhardt O, Fernandez F, Ilchmann T, Parsch K. Cross pinning of supracondylar fractures from a lateral approach. Stabilization achieved with safety. J Child Orthop. 2007; 1: 127–33

15. Prévot J, Lascombes P, Métaizeau JP, Blanquart D. Supracondylar fractures of the humerus in children – treatment by downward pinning. Rev Chir Orthop 1990; 76: 191–197

16. Slongo T, Schmid T, Wilkins K et al. Lateral external fixation – a new surgical technique for displaced unreducible supracondylar humeral fractures in children. J Bone Joint Surg Am, 2008; 90: 1690–1697

Fussnoten

1 Orthopädische Klinik, Olgahospital, Klinikum Stuttgart

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