Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Suprakondyläre Humerusfrakturen im Wachstumsalter

Die Indikationen für ein operatives Vorgehen sind:

drohendes Kompartmentsyndrom (sehr selten),

offene Frakturen,

Fraktur mit Nerven- oder Gefäßschäden,

dislozierte Flexionsfraktur,

dislozierte Extensionsfraktur, die nicht sicher retinierbar ist (Typ II),

sekundär dislozierte Fraktur,

Extensionsfraktur mit Achsabweichung und Rotationsabweichung (Typ III und Typ IV).

Die Operation kann in Rücken- oder Bauchlage durchgeführt werden. Vor der Operation kann zur Beurteilung der Repositionsmöglichkeit eine Probereposition durchgeführt werden, insbesondere bei V.a. einen Gefäßverschluss. Die Lagerung orientiert sich in diesem Fall an dem verletzten Gefäß. In Rückenlage kann, falls erforderlich, durch einen vorderen Zugang die Behandlung von Nerven- und Gefäßverletzungen erfolgen. Allerdings ist eine Gefäßverletzung selten und eine Nervenläsion noch seltener. In Rückenlage kann, falls gewünscht, das Repositionsergebnis durch ein Tape gehalten werden. In Bauchlage kann bei herabhängendem Arm eine Reposition leichter sein, dabei ist zu beachten, dass der Armtisch, über dem die Reposition stattfindet, nicht zu breit ist, damit eine Flexion gut möglich ist.

Nach der Reposition und Stabilisation ist es entscheidend, dass man den Bildwandler schwenkt, und nicht den verletzten Arm, um Aufnahmen der zweiten Ebene zu erhalten. Es sollte in den meisten Fällen gelingen, die Frakturen geschlossen zu reponieren und operativ zu stabilisieren.

Repositionsmanöver

Bei der geschlossenen Reposition der suprakondylären Fraktur sollte der Ellenbogen vorsichtig gestreckt werden. Nach erreichter Streckung kann es sinnvoll sein, unter Bildwandler die Stellung in der Frontalebene zu kontrollieren. Durch Unterstützung durch Pronation bzw. Supination kann die Reposition erleichtert werden. Es erfolgt eine sukzessive Beugung des Ellenbogens bis ca. 110–120°, mit leichtem Druck des Daumens auf den Ellenbogen kann die Reposition unterstützt werden. Vorsicht bei Hyperflexion, hier kann es zu einer Wandlung einer Extensionsfraktur in eine Flexionsfraktur kommen. Die Reposition wird mit einem Bildwandler immer in 2 Ebenen kontrolliert. Dabei sollte der Bildwandler so aufgestellt werden, dass Aufnahmen der sagittalen und frontalen Ebene durch Schwenkung des Geräts möglich sind. Damit wird verhindert, dass eine bereits erzielte Reposition nicht wieder durch Rotationsmanöver verloren geht. Zur operativen Stabilisierung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:

Kirschner-Draht-Osteosynthese,

Fixateur externe,

Elastische stabile intramedulläre Nagelung (ESIN).

Kirschner-Draht-Osteosynthese

Die K-Draht-Osteosynthese ist die am weitesten verbreitete Osteosynthese, sie stellt die Standardversorgung dar bzw. gilt als Goldstandard in der Literatur [4, 5, 10]. Die K-Draht-Osteosynthese kann in Rücken- oder Bauchlage durchgeführt werden. Auch ist die Osteosynthese unabhängig davon, ob offen oder geschlossen reponiert wird. Es werden variable Drahtkonfigurationen angegeben. Biomechanische Studien haben gezeigt, dass 2 gekreuzte Drähte eine weit größere Stabilität haben als 2 parallel liegende Drähte (Abb. 5). Die gekreuzten K-Drähte sollten sich nicht auf Frakturhöhe kreuzen, sondern darüber. Bei ausgeprägter Instabilität werden auch 3 K-Drähte zur Stabilisierung eingesetzt [13] (Abb. 6).

Der Vorteil der gekreuzten retrograden K-Drähte ist die einfache Fassung des distalen Fragments, sie bergen jedoch die Gefahr einer intraoperativen N.-ulnaris-Läsion, diese wird in bis zu 5 % angegeben [5]. Um dies zu verhindern, sollte im Zweifelsfall bei erheblicher Weichteilschwellung und nicht sicherer Identifikation des Epikondylus ulnaris der K-Draht offen über einen kleinen Schnitt eingebracht werden. Angegeben wird, dass zum Schutz des N. ulnaris das Ellenbogengelenk in maximaler Flexion gehalten werden sollte. Dies ist bei älteren Kindern zutreffend, bei Kindern unter 5 Jahren kann jedoch der N. ulnaris nach ventral rutschen. Darauf muss besonders geachtet werden [5]. Cave!!

Um dieses Risiko zu vermeiden, kann der 2. K-Draht von proximal radial nach distal ulnar eingebracht werden (Abb. 6). Dabei muss auf den N. radialis geachtet werden. In unserer Klinik stellt dies die Standardversorgung dar und wir haben bisher keine N.-radialis-Läsionen verzeichnet oder mussten einen N. radialis revidieren [14]. Je nach Präferenz können die Kirschner-Drähte perkutan belassen bzw. unter die Haut versenkt werden.

Die Nachbehandlung nach K-Draht-Osteosynthese erfordert eine Ruhigstellung im Oberarmgips für 3–4 Wochen. Die Entfernung der K-Drähte kann nach 3–6 Wochen erfolgen. Die Metallentfernung erfolgt ambulant. Nach der Freigabe der Funktion sollte nach 4 Wochen eine klinische Untersuchung durchgeführt werden. In den meisten Fällen ist nach 2–3 Monaten eine freie Beweglichkeit zu erwarten, sodass eine Physiotherapie nicht notwendig wird.

Elastische stabile intramedulläre Nagelung (ESIN)

Nachdem die ESIN-Versorgung von Frakturen der langen Röhrenknochen sehr erfolgreich angewandt wird, fand sie auch Einsatz in der suprakondylären Region [15]. Bei der ESIN-Technik werden 2 intramedulläre Nägel von lateral proximal in den Oberarm eingebracht. Die beiden Eintrittspunkte werden distal des Tuberculum deltoideum am besten mit einem Bohrer eröffnet. Die Nägel werden nacheinander bis kurz vor die Fraktur geführt, dabei sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht korkenzieherartig übereinander zu liegen kommen. Primär muss die Fraktur jedoch reponiert werden, danach können die Nägel in das distale Fragment eingebracht werden und dieses stabilisieren. Einer der Nägel wird in den radialen Pfeiler, der zweite in den ulnaren Pfeiler eingebracht. Der ulnarseitige Nagel muss nach ventral ausgerichtet werden, um eine dorsale Perforation zu vermeiden. Eine Reposition der Fraktur über die Nägel, so wie wir es bei der Radiushalsfraktur oder der subcapitalen Oberarmfraktur beim Jugendlichen kennen, ist nicht möglich.

Bei dieser Methode ist eine verbandsfreie Nachsorge mit dem Vorteil einer früheren Mobilisation des Ellenbogens möglich. Die Methode ist im Unterschied zur K-Draht-Osteosynthese jedoch technisch bedeutend schwieriger, sodass sie 2 erfahrene Operateure braucht.

Fixateur-externe-Versorgung

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