Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Therapiemöglichkeiten bei chronischen, degenerativen Knorpelschäden

Lars Victor von Engelhardt1, 2, Gunter Spahn3, Jörg Jerosch4

Zusammenfassung: In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden die derzeitigen Methoden und Erkenntnisse zur operativen Therapie bei chronisch degenerativen Knorpelschäden an Knie, Hüfte und Sprunggelenk dargestellt. Unseres Erachtens ist ein anhaltender Gelenkerhalt hierbei nur erfolgreich, wenn die dem Knorpelschaden zugrunde liegenden Ursachen auch konsequent adressiert werden. Für die Therapie tiefer Knorpelschäden werden neben dem einfachen Debridement auch knochenmarkstimulierende Techniken, osteochondrale Autografts, die autologe Knorpelzelltransplantation sowie Kollagenmatrix-basierte, zellbasierte und zellfreie Knorpelverfahren dargestellt. Die zellfreien Verfahren mit einer Kollagenmatrix vermeiden einen Entnahmedefekt, ermöglichen anstelle von 2 Operationen ein einzeitiges Vorgehen und ermöglichen einen minimal-invasiven Eingriff mittels CO2-Arthrokopie. Nachteile dieser Methode sind insbesondere das Fehlen von Langzeitbeobachtungen, größerer MRT-basierter Verlaufsuntersuchungen sowie größere prospektiv randomisierte Studien.

Schlüsselwörter: Knorpelschaden; Knorpeldegeneration; Knorpeltherapie; Hüfte; Knie; Sprunggelenk

Zitierweise
von Engelhardt LV, Spahn G, Jerosch J: Therapiemöglichkeiten bei chronischen, degenerativen Knorpelschäden.
OUP 2018; 7: 382–387 DOI 10.3238/oup.2018.0382–0387

Summary: The present review describes current methods for a surgical treatment of chronic, degenerative cartilage damage at the knee, hip and ankle joint. We expect that a lasting joint preservation might only be successful when the underlying causes for the cartilage damage are consistently addressed during the procedure. Besides the surgical debridement, bone marrow-stimulating techniques, osteochondral autografting, the autologous chondrocyte transplantation as well as collagen matrix-assisted techniques including cell-based and cell-free methods are described for the treatment of deep cartilage defects. Cell-free techniques for a collagen matrix avoid a donor side defect and the necessity of a second surgery. Moreover, a minimal-invasive procedure by using CO2 arthroscopy is feasible. Disadvantages are that long-term observations, larger MRI monitored follow-up examinations and prospective randomized studies are still lacking for this method.

Keywords: cartilage damage; cartilage degeneration; cartilage treatment; knee; hip; ankle joint

Citation
von Engelhardt LV, Spahn G, Jerosch J: Treatment possibilities for chronic, degenerative cartilage damage.
OUP 2018; 7: 382–387 DOI 10.3238/oup.2018.0382–0387

1 Private Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, 2 Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin, Katholisches Karl-Leisner Klinikum Kleve

3 Praxisklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Eisenach

4 Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

Einleitung

Knorpel ist nicht innerviert, sodass entsprechende Schäden nicht unbedingt mit Schmerzen einhergehen müssen. Vielmehr können chronisch degenerative Knorpelschäden lange klinisch stumm verlaufen. Erst nachdem die dämpfende Funktion des Knorpels nachlässt und der vergleichsweise harte subchondrale Knochen vermehrt biomechanischen Stress aufnehmen muss, kommt es zu dem Kardinalsymptom „belastungsabhängiger Schmerz“ [16].

Sollten sich Schäden mit teilweise abgelösten Knorpellappen finden, so kommt es zu mechanischen Symptomen wie Einklemmungen, einem Klicken oder Schnappen. Knorpelschäden sollten behandelt werden, weil sie letztlich nicht nur persistieren, sondern vielmehr voranschreiten und die Gelenkhomöostase in Richtung einer katabolen Dynamik verändern. Somit kommt es im Verlauf zu einer inflammatorischen Reaktion und einer fortschreitenden Gelenkdestruktion [6, 34]. Klinisch entsteht eine synoviale Reizung mit oder ohne Ergussbildung. Gelegentlich erscheint das Gelenk geschwollen und neben der geringen Belastbarkeit kann auch die Beweglichkeit abnehmen.

In Anbetracht der doch deutlich erschwerten klinischen Diagnostik sollten uns die diagnostischen Möglichkeiten zur Detektion von Knorpelschäden bewusst sein. Bei der Beurteilung des Ausmaßes akut traumatischer Knorpelschäden zeigt die MRT sowohl bei geringfügigen als auch bei fortgeschrittenen Schäden einen vergleichsweise hohen diagnostischen Nutzen [39]. Bei degenerativen Schäden ist der Nutzen hingegen insbesondere für eine dezidierte Beurteilung bzw. ein Grading der Knorpelschäden deutlich limitiert [40].

Am sichersten lässt sich ein Knorpelschaden arthroskopisch diagnostizieren. Die Chance, den Knorpel während einer Arthroskopie dezidiert zu beurteilen, sollte daher niemals verpasst werden. Tierexperimentelle, aber auch klinische Langzeituntersuchungen zeigen, dass bereits kleine Knorpelschäden zu fortschreitenden Gelenkschäden bis hin zur Arthrose des betroffenen Gelenks führen können [23, 24]. Mittlerweile stehen zahlreiche Verfahren zur Therapie von Knorpelschäden zur Verfügung, die im Folgenden dargestellt werden.

Knorpelschäden sind meist
sekundär

Am Beginn eines jeden Therapieverfahrens steht die Analyse bestehender Ursachen. Knorpelschäden entstehen zum einem aufgrund einer akut traumatischen Schädigung wie bspw. bei einer Knorpel-Knochen-Kontusion, Kreuzbandverletzungen, Patellaluxationen, akuten Rissen am Hüftlabrum etc. [2, 29, 40].

Häufiger entwickelt sich ein Knorpelschaden allerdings infolge von anhaltenden Gelenkschäden. So können bereits ein Teilverlust des Meniskus, eine anhaltende Instabilität, ein Malalignement bspw. des Patellagleitwegs, ein Beinachsenfehler, ein chronisches Anschlagen wie bspw. beim Hüftimpingement etc. zu einer fortschreitenden Schädigung und Degeneration des Knorpels führen [9, 20, 21, 35]. In solchen Fällen kommt es zu chronisch degenerativen Knorpelschäden.

Welche Form der Knorpelreparatur wir auch vornehmen, uns sollte stets bewusst sein, dass auch das perfekt abgeheilte Knorpelkonstrukt niemals so stabil ist wie der zuvor bestandene intakte Gelenkknorpel. Es liegt somit auf der Hand, dass hier die Ursache adressiert werden sollte [27]. Ein solitäres Arbeiten am Gelenkknorpel ohne Behebung der Ursache erscheint vergleichsweise sinnlos (Tab. 1).

Hingegen zeichnen sich die die Ursache behebenden Verfahren wie bspw. Trochleaplastiken, Umstellungsosteotomien, Beseitigung der Konturstörungen am Schenkelhals-Kopf-Übergang und/oder am Pfannenrand häufig durch äußerst erfolgreiche Therapieergebnisse aus [13, 36, 41]. Bei beginnenden Knorpelschäden am Labrum-Knorpel-Übergang, der sog. junction zone, die sich arthroskopisch als sog. wave sign mit einer Knorpellösung von der subchondralen Grenzlamelle darstellen, kann eine Labrumrefixierung mit oder ohne Pinzer-Resektion den in diesem Bereich gelösten Knorpel bereits effektiv erhalten (Abb. 1) [7].

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