Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Therapieoptionen bei implantatassoziierter Infektion nach distaler Humerusfraktur
Ein Fallbeispiel und aktuelle Literaturübersicht

David Weisweiler, Markus Rupp, Matthäus Budak, Volker Alt, Christian Heiß

Zusammenfassung:

Implantatassoziierte Infektionen sind eine der größten Herausforderungen in der Unfallchirurgie
und Orthopädie. Sie sind nicht nur mit der Funktionseinschränkung der betroffenen Extremität,
sondern auch mit eingeschränkter Lebensqualität der Patienten vergesellschaftet. Die chirurgische
Therapie ist oft langwierig, in manchen Fällen ist die Amputation der betroffenen Gliedmaße
notwendig und unvermeidbar.

Im vorgestellten Fall erlitt eine 84-jährige Patientin einen implantatassoziierten Spätinfekt nach initial 2-zeitiger Versorgung einer II° offenen distalen Humerusfraktur mit Fixateur externe und anschließender Plattenosteosynthese. Nach gescheitertem Versuch des Implantaterhalts folgte die Implantatentfernung mit Versuch der Infekteradikation. Bei Scheitern dessen wurde letztlich die Infektpseudarthrose des distalen Humerus reseziert und im Rahmen eines 2-zeitigen Vorgehens ein distaler Humerusersatz implantiert. Trotz langwierigen Verlaufs konnte so die Infektsanierung erfolgen und 3 Monate postoperativ ein für
die Patientin zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden.

Therapieempfehlungen für frühe (< 2 Wochen), verzögerte (2–10 Wochen) und späte (> 10 Wochen)
implantatassoziierte Infektionen werden am Beispiel des dargestellten Falls erörtert, die von Debridement, Implantaterhalt und antibiotischer Therapie bis hin zu Debridement, Implantatentfernung und mehrzeitiger Rekonstruktion des knöchernen Defekts reichen. Bei gelenknahen Defekten kann, wie im Fallbeispiel illustriert, abhängig von den anatomischen Verhältnissen und vom Alter sowie Morbidität der Patienten, der endoprothetische Ersatz des betroffenen Gelenks notwendig werden.

Schlüsselwörter:

distale Humerusfraktur, offene Fraktur, implantatassoziierte Infektion, Pseudarthrose, Infektpseudarthrose

Zitierweise:

Weisweiler D, Rupp M, Budak M, Alt V, Heiß C: Therapieoptionen bei implantatassoziierter Infektion nach distaler Humerusfraktur. Ein Fallbeispiel und aktuelle Literaturübersicht. OUP 2019; 8: 230–235

DOI 10.32.38/oup.2019.0230–0235

Summary: Implant-associated infections are one of the most challenging complications in trauma and orthopaedic surgery. Sequalae are both functional loss of the affected extremity and limited life quality of the patients. Surgical treatment is often protracted and arduous. In some cases, limb amputation is unavoidable. In the present case, an 84-year-old woman suffered from a late implant-associated infection which occurred after a two-stage procedure with external fixation followed by plate osteosynthesis for treatment of a grade II open distal humerus fracture. After a failed attempt of retaining the implant, implant removal and debridement was performed. After this approach failed, resection of the septic nonunion with implantation of a modular elbow endoprosthesis in a two-stage procedure was necessary. Finally, infect eradication could be achieved. During a 3 months follow-up satisfactory outcome could be determined in clinical examination.
Treatment recommendations for early (< 2 weeks), delayed (2–10 weeks) and late (> 10 weeks) implant-associated infections range from debridement, implant retention and antibiotic therapy to debridement, implant removal, and multi-stage reconstruction. In case of defects close to the joints, endoprosthetic replacement of the affected joint may be necessary. Anatomical location and patient characteristics such as age and comorbidities should be taken into account for treatment decision.

Keywords: distal humerus fracture, open fracture, implant-associated infection, nonunion, septic nonunion, fracture related infection

Citation: Weisweiler D, Rupp M, Budak M, Alt V, Heiß C: Therapeutic options for implant-associated infection after distal humerus fracture. A case report and review of the literature.
OUP 2019; 8: 230–235 DOI 10.32.38/oup.2019.0230–0235

Für alle Autoren: Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen

Einleitung

Die distale Humerusfraktur tritt mit 2 % aller Frakturen im Erwachsenenalter eher selten auf [2, 5]. Bei der Inzidenz ist ein biphasischer Verlauf mit einem vermehrten Auftreten im jungen Erwachsenenalter als Hochrasanztrauma sowie beim älteren an Osteoporose erkrankten Patienten zu beobachten [3]. Bei Letzterem stellt die operative Versorgung insbesondere bei komplexen mehrfragmentären distalen Humerusfrakturen eine Herausforderung dar. Üblich sind bei der operativen Behandlung die plattenosteosynthetische Versorgung mittels winkelstabiler Doppelplatten-osteosynthese oder y-förmiger Rekonstruktionsplatten sowie die endoprothetische Versorgung.

Die Kombination aus Osteoporose als Grunderkrankung, Alter über 65 Jahre, komplexer Frakturmorphologie sowie weiterer kompromittierender Nebenerkrankungen zeigt, dass postoperativ kurz- oder mittelfristig häufiger Komplikationen auftreten [5, 15, 17, 20]. Kurzfristige postoperative Komplikationen stellen Wundheilungsstörungen, Nachblutungen, Hämatome und Serome dar. Wundkomplikationen treten bei distalen Humerusfrakturen bei bis zu 15,7 % der Fälle auf [13]. Kommt es zu Infektionen nach Frakturversorgung, so ist von einer implantatassoziierten Infektion auszugehen. Die adäquate Behandlung ist für die zu erreichende Konsolidierung der Fraktur, der Vermeidung einer Osteomyelitis und der damit verbundenen Wiederherstellung der Bewegung, Belastbarkeit und letztlich der Lebensqualität der Patienten entscheidend. Anhand eines Fallbeispiels sollen die möglichen Therapiealternativen abhängig vom zeitlichen Auftreten der implantatassoziierten Infektion verdeutlicht werden.

Fallbeispiel

Eine 84-jährige Patientin war im August 2016 im Rahmen eines Stolpersturzes auf den linken Arm gefallen. Hierbei hatte sie sich eine II° offene distale Humerusfraktur zugezogen (Abb. 1a). Die initiale Versorgung erfolgte mittels Debridement, Spülung, Einlage von Septopal Miniketten (Zimmer Biomet Deutschland GmbH, Freiburg im Breisgau), Primärnaht der Wunde sowie Anlage eines gelenkübergreifenden Fixateur externe Typ Hoffmann II (Stryker, Kalamazoo, Michigan, USA). Zudem wurde eine intravenöse Antibiose mit Unacid (Sulbactam und Ampicillin, Pfizer, New York City, USA) für insgesamt 10 Tage appliziert.

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