Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Ursachen für das Versagen intramedullärer Osteosynthesen bei proximalen Femurfrakturen

Verschiedene Techniken der geschlossenen oder offenen Reposition und internen Fixation sind für Frakturen des gesunden Knochens entwickelt worden. Die gleichen Techniken finden auch im osteoporotischen Knochen – zum Teil mit einigen notwendigen Modifizierungen – Anwendung. Diese können erforderlich sein, um ein Osteosyntheseversagen zu vermeiden und eine zufriedenstellende Heilung zu erzielen. Die Frakturbehandlung durch geschlossene bzw. offene Reposition und interne Fixierung zielt ab auf:

  • 1. die Primärstabilität der Fraktur, um die Frakturheilung unter einer frühzeitigen funktionellen Beweglichkeit zu ermöglichen,
  • 2. die Sekundärstabilität der Fraktur, um die knöcherne Konsolidation zu ermöglichen und die Entwicklung einer verzögerten Knochenheilung oder Pseudarthrose zu verhindern [14],
  • 3. die achsgerechte Frakturreposition, um Achsabweichungen oder Drehfehler und dadurch auch eine inadäquate Belastung angrenzender Gelenke zu vermeiden.

Ursachen für
Osteosyntheseversagen am
proximalen Femur

Hüftgelenknahe Frakturen haben eine Morbidität und Mortalität in der älteren Bevölkerung von bis zu 30 % innerhalb des ersten Jahres nach Operation [15]. Das Versagen einer Osteosynthese in osteoporotischem Knochen basiert typischerweise auf dem Versagen der knöchernen Strukturen und nicht auf einem Implantatversagen [16]. Der Abbau kortikaler und trabekulärer Strukturen mit zunehmendem Alter und Ausprägung der Osteoporose geht mit einer bemerkenswerten Verminderung der Stabilität eines Implantats einher, was am proximalen Femur sowohl für die Dynamische Hüftschraube (DHS) als auch für den cephalomedullären Nagel nachgewiesen werden konnte [17, 18]. Frühere Untersuchungen haben außerdem ergeben, dass im Vergleich zu einer dicken, knochengesunden Kortikalis die Haltekraft um 1000 Newton (oder 50 %) pro 1 mm Verlust an Kortikalisbreite abnimmt, was Unterschiede in der Haltekraft von Kortikalisschrauben von bis zu 2000 Newton hervorruft. Dies belegt, wie wichtig es ist, dass Kortikalisschrauben im Knochen möglichst dort platziert werden, wo die Kortikalis dick ist [19, 20].

Intrakapsuläre undislozierte oder impaktierte Frakturen werden normalerweise durch geschlossene Reposition und interne Fixation mit modernen, winkelstabilen Schrauben-Platten-Systemen oder mit einer DHS behandelt [21]. Obwohl ein großes technisches Problem in der sekundären Frakturimpaktierung besteht, erlaubt die DHS genau dies entlang der Achse der Schenkelhalsschraube. Die korrekte Ausrichtung der Schenkelhalsschraube in der sog. Center-Center-Position zentral subkortikal im Femurkopf ermöglicht die optimale Wirkung dieses Implantats.

Das operative Management von dislozierten extrakapsulären Frakturen ist dagegen deutlich umstrittener. Frakturen des AO-Typs 31-A1 und 31-A2 können sowohl durch eine extramedulläre als auch durch eine intramedulläre Osteosynthese ohne einen generellen Vorteil für eines der Implantate stabilisiert werden. Instabile trochantäre und subtrochantäre Frakturen, speziell Frakturen des AO-Typs 31-A3, erfordern eine präzise anatomische Reposition und stabile interne Fixation. Obwohl eine überzeugende klinische Evidenz nach wie vor fehlt [22], erscheinen cephalomedulläre Nägel für diese instabilen Frakturtypen gegenüber den extramedullären Implantaten überlegen (Abb. 1 a–b) [23, 24]. Cephalomedulläre Nagelsysteme kombinieren die biomechanischen Vorteile der DHS mit denen der intramedullären Nagelung. Die Schenkelhalsschraube ermöglicht eine kontrollierte Stauchung der Fraktur, die zu einer erhöhten Frakturstabilität, einer verminderten Neigung zum Kollabieren des Hüftkopfs und zu einer verkürzten Zeitspanne bis zur Knochenheilung führt [25]. Die biomechanische Überlegenheit des intramedullären Kraftträgers gegenüber der extramedullär angebrachten DHS für die Stabilisierung instabiler proximaler Femurfrakturen wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen [26–28]. In der klinischen Literatur wurden bislang nur wenige Fälle des Versagens cephalomedullärer Nagelsysteme beschrieben [29]. Das Implantatversagen trat durchschnittlich 6 Monate postoperativ auf. Dies implizierte als Ursache für das Implantatversagen eine verzögerte Knochenbruchheilung bzw. eine Pseudarthrosebildung.

Eigene Datenlage 2005–2015

Die Analyse der Jahre 2005–2015 aus unserem eigenen Kollektiv trochantärer und subtrochantärer Femurfrakturen erbrachte 13 mit einem cephalomedullären Nagel behandelte Patienten mit sekundärem Implantatversagen (Nagelbruch oder Dislokation der Schenkelhalsschraube). Dies entsprach einer Versagensrate von 3 %. Die klinische und radiologische Nachuntersuchung erfolgte 4 Wochen, 3 und 6 Monate nach der Revisionsoperation. Zur Messung des Outcomes diente der Harris Hip Score 6 Monate nach operativer Revision bei 11 von 13 Patienten, die für eine Nachuntersuchung verfügbar waren [30].

Das Implantatversagen trat durchschnittlich 6 (1–19) Monate postoperativ auf. In 10 Fällen war dafür eine verzögerte Knochenbruchheilung bzw. eine Pseudarthrose ursächlich. In 2 Fällen wurde eine sekundäre Dislokation der Schenkelhalsschraube beobachtet. Die operative Revision wurde bei 9 von 13 Patienten mit einem langen Gammanagel durchgeführt. Dabei erhielten 3 dieser Patienten einen langen Gammanagel allein, ein Patient einen langen Gammanagel mit zusätzlicher Applikation von rekombinantem humanem Bone Morphogenetic Protein-7 (OP1, Stryker Biotech, Kalamazoo, MI, USA) sowie autologer Beckenkammspongiosa und ein Patient wurde mit einem langen cephalomedullären Nagel mit einer auxillären Plattenosteosynthese versorgt. Bei einem weiteren Patienten wurde ein langer Nagel mit zusätzlicher Applikation von rhBMP-7 verwendet und die verbliebenen 3 Patienten wurden mit zusätzlicher Applikation von rhBMP-7 und außerdem einer auxillären Platte behandelt, 2 dieser 3 Patienten erhielten zudem autologe Beckenkammspongiosa. Eine sekundäre Endoprothetik erhielten 3 der 13 Patienten. In einem Fall war der Nagelbruch erst bei der elektiven Metallentfernung sichtbar, die Fraktur war ausgeheilt. Die vollständige radiologische Knochenheilung wurde innerhalb von 6 Monaten nach Revision bei 10 Patienten ermittelt. Der durchschnittliche klinische Outcome gemäß Harris Hip Score lag bei 84 % (sehr gut bei 5 Patienten, gut bei 3 Patienten, mittelmäßig bei 2 Patienten und schlecht bei 1 Patienten). Es verstarben 2 Patienten innerhalb des ersten Monats nach Revisionsoperation infolge einer fulminanten Pneumonie.

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