Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Ursachen für das Versagen intramedullärer Osteosynthesen bei proximalen Femurfrakturen

Die operative Therapie hüftgelenknaher Frakturen erfordert eine korrekte Indikationsstellung und operative Therapie. Insbesondere die Frakturbehandlung des älteren Patienten mit osteoporotischem Knochen erfordert ein interdisziplinäres Akutkonzept, das die Therapie von Nebenerkrankungen beinhaltet. Biologische Faktoren wie die Durchblutung der Frakturfragmente und biomechanische Faktoren wie die Knochenqualität, die Frakturkonfiguration und die Analyse der Möglichkeit einer anatomischen Reposition müssen beachtet werden. Die Identifizierung des individuell geeigneten Implantats für den jeweiligen Patienten muss unter Berücksichtigung der Frage erfolgen, ob der Patient postoperativ auch in der Lage sein wird, das vorgesehene Nachbehandlungsschema durchzuführen. Somit sollte das vordringliche Ziel der operativen Behandlung insbesondere beim älteren Patienten die Vermeidung einer längeren Immobilisierung sein. Beim jüngeren Patienten geht die Zielsetzung dagegen in Richtung der Wiedererlangung der Sportfähigkeit und der damit verbundenen Bewältigung eines zum Teil sehr anspruchsvollen Anforderungsprofils an das Implantat hinsichtlich Funktion und Belastbarkeit.

Als biomechanisch überlegen gegenüber dem extramedullären Kraftträger DHS zur Stabilisierung instabiler proximaler Femurfrakturen hat sich die cephalomedulläre Marknagelung erwiesen [31–33]. Wenngleich die Versagensrate dieses Implantats sehr gering ist, so lohnt sich dennoch eine genaue Analyse der wenigen dokumentierten Fälle mit dem Ziel der weiteren Verbesserung der operativen Therapie mit diesem Osteosyntheseverfahren [34].

Die Analyse unserer vorhandenen Daten ergab ein Implantatversagen durchschnittlich 6 Monate postoperativ; dies deckt sich mit den verfügbaren Angaben in der Literatur. Alle bisher dokumentierten Fälle traten nach einem Intervall von mehreren Monaten durchgeführter Vollbelastung auf. Das impliziert, dass die Ursache für das Implantatversagen eine verzögerte Knochenbruchheilung oder eine Pseudarthrose war. Diese kann durch verschiedene Faktoren verursacht worden sein:

  • 1. die initiale inkorrekte Reposition mit Varusabweichung des proximalen Fragments als Hauptursache für den Nagelbruch [35],
  • 2. die Auswahl eines kurzen cephalomedullären Nagels für instabile trochantäre Frakturen mit subtrochantärem Ausläufer, subtrochantäre Frakturen oder reverse intertrochantäre Frakturen,
  • 3. die offene Reposition mit ausgedehnter Devaskularisation der Fragmente oder die vollständige Entfernung des osteoinduktiv wirksamen Frakturhämatoms [34–36],
  • 4. die Nutzung von Cerclagen, welche die Durchblutung des Periosts lageabhängig möglicherweise stören [36–38],
  • 5. ein inkorrekter Eintrittspunkt des Nagels: Die Auswahl des korrekten Eintrittspunkts an der Spitze des Trochanter major vermeidet eine Varusabweichung genauso wie Scherkräfte. Wenn diese neutralisiert werden können, ist eine sekundäre Dislokation im Grunde ausgeschlossen. Daher ist die Auswahl des korrekten Eintrittspunkts eine eminent wichtige Voraussetzung, um ein Implantatversagen zu vermeiden [38, 39].
  • 6. Die Beschädigung des Nagels durch inkorrektes Bohren des Lochs für die Schenkelhalsschraube (Abb. 2) mit Schwächung des Implantats im Bereich der kritischen sog. Roten Zone, die als Schwachpunkt des Implantats bei Stresskonzentrationen mit Kräften über 1800 Newton identifiziert wurde (Abb. 3) [40].
  • 7. Die Wahl einer zu kurzen Schenkelhalsschraube, die sich nicht an der lateralen Kortikalis abstützt und so zu einem Schwingen mit nachfolgender Auslockerung des Konstrukts führen kann (Abb. 4).
  • 8. Die inkorrekte Insertion der Madenschraube zur Verblockung der Schenkelhalsschraube, die zu einer Dislokation der Schenkelhalsschraube führen kann (Abb. 5).
  • 9. Die Zerstörung des Implantats durch Anwenderfehler als Folge der vorgenannten Punkte [29].

Fazit

Das Versagen intramedullärer Osteosynthesen bei trochantären und subtrochantären Frakturen des Femurs stellt eine schwere Komplikation dar. Im Falle einer verzögerten Frakturheilung oder Pseudarthrose sind zusätzliche operative Maßnahmen wie die Dynamisierung des einliegenden Implantats oder die konsequente operative Revision mit Nagelwechsel und/oder auxiliärer Plattenosteosynthese erforderlich. Die Analyse unserer Patientendaten der letzten 10 Jahre ergab, dass die operative Revision grundsätzlich gute klinische und radiologische Kurzzeitresultate zeigt.

Der Nagelbruch ist meist ein Zeichen für ausbleibende knöcherne Konsolidierung und kann in der Regel auf einen Anwenderfehler und fehlende operative Sorgfalt im Detail zurückgeführt werden. Daher erfordert das Einsetzen dieses Implantats eine akkurate präoperative Planung, chirurgische Erfahrung und eine präzise Technik mit anatomischer Reposition der Fragmente, um ein Versagen des Implantats zu vermeiden.

Interessenkonflikte: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Peter Augat

Institut für Biomechanik

BG Unfallklinik Murnau

Professor-Küntscher-Str. 8

82418 Murnau

biomechanik@bgu-murnau.de

Literatur

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2. Bouxsein ML, Seeman E: Quantifying the material and structural determinants of bone strength. Best Pract Res Clin Rheumatol 2009; 23: 741–753

3. Trabelsi N, Yosibash Z, Wutte C, Augat P, Eberle S: Patient-specific finite element analysis of the human femur – a double-blinded biomechanical validation. J Biomech 2011; 44: 1666–1672

4. Lang TF, Keyak JH, Heitz MW, Augat P, Lu Y, Mathur A, Genant HK: Volumetric quantitative computed tomography of the proximal femur: precision and relation to bone strength. Bone 1997; 21: 101–108

5. Silva MJ: Biomechanics of osteoporotic fractures. Injury 2007; 38 Suppl 3: S69–76

6. Consensus development conference: prophylaxis and treatment of osteoporosis. Am J Med 1991; 90: 107–110

7. Raisz LG: Pathogenesis of osteoporosis: concepts, conflicts, and prospects. J Clin Invest 2005; 115: 3318–3325

8. Nyman JS, Roy A, Tyler JH, Acuna RL, Gayle HJ, Wang X: Age-related factors affecting the postyield energy dissipation of human cortical bone. J Orthop Res 2007; 25: 646–655

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