Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018

Vergleich des humeralen Offsets von drei verschiedenen inversen Schulterprothesen-Designs

Jörg Jerosch1, Mathias Herwig1

Zusammenfassung: In Deutschland werden etwa 25.000 Schulterendoprothesen pro Jahr implantiert; bei guten Ergebnissen auch zunehmend inverse Prothesenmodelle. Diese zeigen im Vergleich zu anatomischen Varianten erhöhte Luxationsraten. In unserem Patientengut zeigten sich in den letzten Jahren keine Luxationen von Tess-invers-Prothesen und auch nicht von Comprehensive-Prothesen. Delta-Xtend-Prothesen zeigten hingegen Luxationsereignisse.

Fragestellung: Unsere Fragestellung verfolgte das Ziel,
herauszufinden, inwiefern sich das humerale Offset zwischen den Prothesentypen unterscheidet und ob ein Zusammenhang mit der Luxationstendenz besteht.

Methode: Es wurden 3 unterschiedliche inverse Prothesenmodelle anhand der postoperativen Röntgenbilder ausgewertet. Hierbei wurden jeweils 21 Tess-invers-, 19 Delta-Xtend- sowie 12 Comprehensive-Prothesen untersucht. Dabei wurde insbesondere das humerale Offset bestimmt.

Ergebnisse: Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Tess invers (Offset MW: 40,33 mm) zur Delta Xtend (MW: 35,21 mm) und von der Comprehensive (MW: 41,75 mm) zur Delta Xtend. Die Tess-invers- und die Comprehensive-Prothese zeigten keinen signifikanten Unterschied im humeralen Offset.

Schlussfolgerung: Im Vergleich zu der Delta-Xtend-Prothese fällt bei den Röntgenparametern ein signifikant geringeres humerales Offset auf. Dies kann ein Hinweis auf die Relevanz dieses Parameters in der Stabilität einer inversen Prothese sein, sodass bei der Implantation nicht nur auf die Distalisierung und Medialisierung des Rotationszentrums geachtet werden sollte, sondern auch auf das humerale Offset.

Schlüsselwörter: inverse Schulterprothese, Instabilität, humerales Offset

Zitierweise
Jerosch J, Herwig M: Vergleich des humeralen Offsets von 3 verschiedenen inversen Schulter Prothesendesigns.
OUP 2018; 7: 330–337 DOI 10.3238/oup.2018. 0330–0337

Summary: In Germany about 25.000 shoulder replacements are performed each year. The number of reverse designs is also increasing, however, the design have a higher dislocation rate. Our patients do not show any instability with Tess invers or Comprehensive replacements. However, we had dislocations with Delta Xtend shoulder replacement

Purpose: The purpose of the study was to document the humeral offset in the different shoulder designs

Method: In 3 different reverse shoulder replacement designs the humeral offset was documented on the postoperative x-rays. There were 21 Tess invers, 19 Delta Xtend and 12 Comprehensive replacements

Results: There were significant differences between the Tess invers (Offset MW: 40.33 mm) compared to the Delta Xtend (Mean: 35.21 mm) and the Comprehensive (Mean: 41.75 mm) compared to the Delta Xtend. The Tess invers and the Comprehensive showed no differences in the offset.

Conclusion: The Delta Xtend design has a significant smaller humeral offset compared to the other designs. This may be one possible reason for higher dislocation rate.

Keywords: reverse shoulder replacement, instability, humeral
offset

Citation
Jerosch J, Herwig M: Comparison of the humeral offset in 3 different reverse shoulder replacement designs.
OUP 2018; 7: 330–337 DOI 10.3238/oup.2018. 0330–0337

1 Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Neuss

Einleitung

Je nachdem, wie man das Scapula-Notching klassifiziert, ist die Dislokation die Komplikation mit der höchsten Inzidenz nach inverser Prothese; die Dislokationsrate wird zwischen 2,4 und 31 % angegeben [3, 4, 11, 15, 29].

Die Richtung der Luxation ist üblicherweise nach vorne und erfolgt durch Extension, Adduktion und Innenrotation. Faktoren, die zu einer postoperativen Instabilität beitragen, sind die Weichteilspannung, der Glenosphärendurchmesser, mechanisches Impingement, knöcherne Defizite, falsche Versionen oder Torsionen von Schaft oder Glenoid, N.-axillaris-Schäden, Deltadysfunktion sowie die Konformität der humeralen Konvexität.

Die adäquate Weichteilspannung ist ein entscheidender Punkt, um eine Instabilität zu vermeiden. Erhöhung der Kompressionskräfte im Bereich der Prothesenartikulation ist der wichtigste Parameter, um eine adäquate Stabilität zu erreichen [16]. Die Funktion kann verbessert werden durch die Rekonstruktion der Spannung der Weichteile und der Rekonstruktion der Länge der verbleibenden Rotatorenmanschetten-Muskeln. Die Rekonstruktion der anatomischen Position des Humerus bezüglich des lateralen Offsets der Tuberositas-Glenoid-Distanz und des vertikalen Offsets hinsichtlich der Acromion-Tuberculus-majus-Distanz scheint effektiv zur Rekonstruktion der anatomischen Weichteilspannung zu sein. Bei Patienten mit humeralem Knochenverlust ist eine Rekonstruktion im Bereich des Humerus mit einem Knochentransplantat eine adäquate Technik [21].

Verschiedene Faktoren hinsichtlich des Prothesendesigns und der Operationstechnik haben einen Einfluss auf die Weichteilspannung; hierzu zählen insbesondere die Glenosphären-Offsets und die Glenosphären-Größe, der Humerusschaft-Hals-Winkel (Varus- oder Valgus- Einbringung der Komponente) und die Dicke des humeralen Inlays [16].

Variationen im Bereich der Operationstechnik bieten sich durch die Höhe der humeralen Osteotomie, der Offset-Gestaltung der humeralen Komponente und durch die Positionsänderung der Glenosphäre.

Beim Grammont-Typ mit inferiorer Platzierung der Glenosphäre, einer großen Glenosphäre und einem valgischen Schaft-Hals-Winkel kommt es zu einer adäquaten Spannung der Weichteile. Bei Prothesendesigns mit lateralem Offset der Glenosphäre, erhöhter Weichteilspannung in horizontaler Richtung (medial/lateral) benötigt man nicht eine so große Spannung der Weichteile in vertikaler Richtung (superior/inferior), was eine mehr anatomische Zugrichtung der verbleibenden Subscapularis und Außenrotatoren ermöglicht. Die Größe der Glenosphäre bestimmt auch die Weichteilspannung. Patienten mit laxen Weichteilen sollte man eine größere Glenosphäre implantieren, um eine entsprechende Weichteilspannung zu erreichen. Eine kleine Weichteilspannung kann bei weiblichen Patienten nötig werden. Bei Patienten mit großem humeralen Knochenverlust ist wiederum eine größere Glenosphäre indiziert, um den Todraum entsprechend auszufüllen [21].

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