Übersichtsarbeiten - OUP 12/2014

Vergleich einer Standardtherapie mit einer individuell betreuten Therapie bei Patienten mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Betreuung durch einen festen Bezugstherapeuten in diesem Fall keinen entscheidenden Einfluss hatte. Beide Vergleichsgruppen zeigten hohe Zufriedenheitswerte bei Reha-Ende und der Rückgang der Zufriedenheit zu 6 Monaten später war in beiden Gruppen zu sehen, sodass dies nicht auf die Art der Betreuung zurückgeführt werden kann. Die weitere Auswertung des modifizierten ZUF-8 ergab, dass die Auswahl des Therapeuten durchaus einen Einfluss auf die Zufriedenheit haben kann. Obwohl die Gruppe mit wechselnden Therapeuten und die Gruppe mit Bezugstherapeut angegeben hatten, dass die Therapeutenauswahl die subjektive Zufriedenheit beeinflusst, waren die Ergebnisse bzgl. der übrigen Outcome-Variablen in beiden Gruppen ähnlich. Diese Tatsache bestätigt wiederum die Unabhängigkeit der Organisationsform.

Ein Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und allgemeinem Gesundheitszustand, wie er von Richter et al. [11] in der psychosomatischen Rehabilitation nachgewiesen werden konnte, zeigte sich auch in der vorliegenden Untersuchung. Sowohl zu t2 als auch zu t3 war die Zufriedenheit umso höher, je besser der psychische und körperliche Zustand war. Vergleicht man die psychischen und körperlichen Summenskalen mit den Normwerten nach Nübling et al. [12], so lagen die Ergebnisse im körperlichen Bereich jeweils unter, im psychischen Bereich an der Grenze oder leicht darüber.

Neben dem subjektiven Gesundheitsempfinden und der Schmerzstärke war auch bei der Beurteilung der Funktionskapazität (FFbH-R) eine positive Entwicklung zu erkennen. Auch wenn die Verbesserungen der beiden Gruppen bis zum 3. Befragungszeitpunkt nicht ganz aufrechterhalten werden konnten, so waren die Werte 6 Monate nach dem Aufenthalt besser als zu Beginn der Maßnahme. Im Vergleich mit der Einteilung nach Kohlmann und Raspe [6] erreichten beide Gruppen bei t1 eine „mäßige“ Funktionskapazität. Zu t2 und t3 konnten diese Werte in Kontroll- und Interventionsgruppe gesteigert werden, sodass sie in einem „normalen“ Bereich lagen.

In der Therapie von chronischen Rückenschmerzen kann eine verbesserte muskuläre Stabilität eine Reduzierung von Schmerzen oder eine Minderung von funktionellen Einschränkungen bewirken. Im Vergleich mit den Normwerten für die Bauchmuskulatur (vgl. Spring et al.) [3] waren sowohl die Frauen als auch die Männer überdurchschnittlich gut, d.h., die altersentsprechenden Vorgaben wurden in beiden Gruppen übertroffen. Im Zuge der gesteigerten Muskelkraft konnte eine Reduzierung der Schmerzen bzw. eine Verbesserung der Alltagsfunktionen beobachtet werden. Durch eine gezielte Kräftigung der Rumpfmuskulatur oder auch durch Hinweise zu einer rückenschonenden Haltung und Hebetechnik kann einer Einschränkung in Beruf und Alltag entgegengewirkt werden. Bei der Überprüfung der Hebekapazität (PILE-Test) konnte sich ein Großteil aller Probanden verbessern (Ausnahme: Die Frauen der Interventionsgruppe verschlechterten sich bei den Werten für die Arbeit und Leistung lumbal sowie für die Leistung zervikal), wobei dies weder bei den Männern noch bei den Frauen in einem signifikanten Ausmaß der Fall war. Um einen wirklichen Effekt nachzuweisen, wird laut Küster [13] eine notwendige Steigerung von durchschnittlich + 6 kg (Frauen) bzw. + 7 kg (Männer) angegeben. Dies wurde in der vorliegenden Studie in keiner Gruppe erreicht, wobei die Ergebnisse aber eine positive Tendenz in der Entwicklung der Hebekapazität zeigten.

Eine Atrophie der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur ist häufig die Folge von langwierigen Rückenbeschwerden. Veränderte Gelenkstellungen und Schonhaltungen beeinflussen das posturale System und die propriozeptiven Fähigkeiten. Oftmals sind damit auch die Koordination und die Gleichgewichtsfähigkeit eingeschränkt. In der vorliegenden Studie konnten sich beide Gruppen bei dem angewandten Gleichgewichts-/Koordinationstest (Biodex Stability System) deutlich verbessern, ohne dass speziell in diese Richtung trainiert wurde. Das allgemeine Sport- und Bewegungsprogramm konnte diese wichtigen konditionellen Fähigkeiten bereits positiv beeinflussen.

Um die Beweglichkeit der Lenden-Becken-Hüft-Region zu überprüfen, wurde mit dem Finger-Boden-Abstand ein Test gewählt, der in der Therapie von chronischen Rückenschmerzen häufig Anwendung findet. Wenn ein Finger-Boden-Abstand von 0–20 cm als normal angesehen wird [14], so lagen beide Gruppen in diesem Normbereich. Eine Ausnahme bildeten die Frauen der Kontrollgruppe mit einem Durchschnittswert von + 25,5 (± 21,6) cm zu t1. Zum Ende der Rehabilitation verbesserten sich diese Teilnehmerinnen auf + 12,0 (± 13,3) cm.

Die Tatsache, dass sich in fast allen Bereichen sowohl die Interventions- als auch die Kontrollgruppe verbesserte, lässt vermuten, dass eine Therapeutenkonstanz in der Therapie von chronisch unspezifischen Rückenschmerzen nicht entscheidend ist. Diese Erkenntnisse können aber aufgrund der geringen Probandenzahl nicht ohne Weiteres auf eine größere Population übertragen werden. Die positive Entwicklung in beiden Vergleichsgruppen bestätigt jedoch die Effekte einer stationären Rehabilitation bei chronisch unspezifischen Rückenschmerzen.

Fazit

In therapeutischen Gruppen spielen immer auch die persönlichen Eigenschaften sowohl von Therapeuten- als auch von Patientenseite eine Rolle. Wenn ein Patient mit einem Therapeuten überhaupt nicht zurechtkommt und keine erfolgreiche Therapeut-Patient-Beziehung aufgebaut werden kann, ist es fraglich, ob die Motivation während der Therapieeinheiten dann ausreicht, um zum gewünschten Erfolg zu kommen. Ebenso kann die allgemeine Zufriedenheit mit der Rehabilitation aus den genannten persönlichen Gründen zusätzlich in eine positive oder negative Richtung beeinflusst werden. Auf der anderen Seite sind aber auch gruppendynamische Aspekte vorstellbar, die zu einer höheren Motivation und dadurch zu einem besseren Therapieergebnis führen könnten.

Um eindeutigere Auswirkungen einer individuellen Betreuung in der Rehabilitation von chronisch unspezifischen Rückenschmerzen aufzeigen zu können, sind weitere Untersuchungen zu diesem Thema mit einer größeren Probandenzahl notwendig [vgl. 15]. Sollten sich wirklich eindeutige Effekte zeigen, wäre ein nächster Schritt der Versuch, eine derartige Therapieorganisation in den klinikinternen Ablauf zu integrieren. Ob allerdings die therapeutischen Erfolge diesen nicht unerheblichen Aufwand aufwiegen können, bleibt abzuwarten.

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