Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017
Vertiefende Trochleaplastik – Indikation, Technik, Ergebnisse
Zur exakten Beurteilung des Schweregrads der Dysplasie ist präoperativ eine sorgfältige Analyse der femoralen Eingangsebene erforderlich (Abb.1). Deshalb sollte präoperativ ein axiales MRT mit Darstellung des gesamten distalen Femurs auch proximal der knorpeligen Trochlea angefertigt werden [26]. Mehrere Studien belegen die guten klinischen Ergebnisse der Trochleaplastik ohne Reluxation der Patella [4, 16, 17, 18, 22, 27, 29].
Die operative Korrektur einer schweren Trochleadysplasie ist aufgrund der möglichen Fugenverletzung erst nach Verschluss der Wachstumsfugen im späteren Jugendalter möglich. Bei retropatellaren und vor allem trochlearen Knorpelschäden ist die Indikation zur Trochleaplastik zurückhaltender zu stellen. In Einzelfällen ist jedoch auch bei diesen Patienten die operative Korrektur indiziert und führt zu befriedigenden bis guten Ergebnissen. Kontraindikationen stellen noch weit offene Wachstumsfugen, ein isolierter patellofemoraler Schmerz ohne Instabilität sowie das Vorliegen einer Arthrose des Patellofemoralgelenks dar.
Operationstechnik
Die Operation erfolgt in Allgemein- oder Regionalanästhesie in Rückenlagerung und Oberschenkelblutsperre. Das Bein wird auf einer Tuchrolle in ca. 10–20°-Beugung gelagert. Die Benutzung eines Bildwandlers ist vor allem bei gleichzeitiger Durchführung einer MPFL Rekonstruktion unerlässlich. Präoperativ erfolgt eine diagnostische Arthroskopie. Ein zusätzliches supero-laterales Portal eignet sich zur Beurteilung der proximalen Trochlea und des Patellatrackings [20]. Über einen anterolateralen Hautschnitt (Länge ca. 6 cm) erfolgt die laterale Arthrotomie. Bei kontraktem lateralen Retinakulum und nicht reponibler Luxation ist meist eine Z-förmige Verlängerung des Retinakulums erforderlich. Anschließend wird die Patella mit einem Hohmann Haken nach medial weggehalten und die Trochlea dargestellt (Abb. 2a).
Typischerweise findet sich eine Erhöhung des Sulcus trochleae im Vergleich zur ventralen Kortikalis (Bump) und dadurch fehlender Konkavität der Eingangsebene (Abb.2). Die laterale Trochleafacette ist zu kurz und flach mit dadurch fehlender Auffahrrampe [3]. Die Synovialis wird am Übergang zum Knorpel semizirkulär inzidiert. Mit einem gebogenen Meißel wird nun die osteochondrale Lamelle vorsichtig von proximal nach distal abgelöst. Die Ablösung erfolgt bis ca. 1 cm oberhalb der Fossa intercondylaris. Mit dem Acromionizer erfolgt unter ständiger Spülung anschließend die Feinmodellierung der Knochenschuppe, bis eine elastische Modellierung in die vorgeformte Rinne möglich ist. Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass es nicht zur Fraktur der Lamelle kommt. Im zweiten Schritt wird mit dem Meißel die trochleare Rinne vertieft. Das Zentrum der Rinne kann hierbei individuell nach lateral verschoben werden, wodurch sich der TT-TG Abstand verkleinert. Der Sulcus trochleae sollte nach Vertiefung in gleicher Höhe wie die ventrale Kortikalis des Femurs sein (Abb. 3). Die abgelöste Lamelle wird nun in die vorgeformte Rinne modelliert und anschließend mit einem 3 mm Vicrylband Verlängerung des tiefsten Punkts der Neorinne fixiert. Proximal des interkondylären Bogens wird ein Knochenanker mit dem Vicrylfaden eingeführt, nach proximal ausgeleitet und mit einem zweiten Knochenanker direkt proximal des kranialen Endes der Lamelle fixiert (Abb. 2). Es besteht die Möglichkeit, die Lamelle zusätzlich mit dem zweiten Ende des Vicrylfadens, der über den lateralen Kondylus ausgeleitet wird, zu fixieren. Anschließend wird die Synovialis mit resorbierbaren Nähten refixiert. Nach Spülung und Einlage einer Redondrainage wird das laterale Retinakulum in 20–30° Kniebeugung spannungsfrei verschlossen oder bei Verkürzung des lateralen Retinakulums Z-förmig verlängert. Im Anschluss an die Trochleaplastik erfolgt die Rekonstruktion des MPFL. Im Sinne einer Therapie „à la carte“ mit dem Ziel der Korrektur der zugrunde liegenden Pathologien kann die Trochleaplastik gegebenenfalls auch mit einer Medialisierung der Tuberositas tibiae oder einer Torsionskorrektur kombiniert werden.
Postoperative Behandlung
Sofortige Mobilisation und Quadrizepsinnervation ab erstem postoperativen Tag. Erlaubte Flexion bis zum Ende der 6. postoperativen Woche 90° unter 20 kg Teilbelastung für 3 Wochen. Ab der 3. Woche postoperativ Steigerung der Belastung über das halbe Körpergewicht und 4-Punkte-Gang. Ab der 6. Woche postoperativ Freigabe der Beweglichkeit, Koordinationstraining, Beinachsentraining im Stand und auf instabilen Unterlagen. Zusätzlich Beginn mit sportspezifischen Übungen zur Kräftigung der Quadrizepsmuskulatur.
Ergebnisse
Zwischen 2007 und 2017 wurde vom Autor bei insgesamt 147 Patienten mit patellofemoraler Instabilität und hochgradiger Trochleadysplasie eine vertiefende Trochleaplastik durchgeführt. Im Rahmen einer prospektiven Studie wurden die zwischen 2007 und 2010 operierten Patienten nach vertiefender Trochleaplastik und Rekonstruktion des MPFL mit Grazilissehne mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 2,5 Jahren nachuntersucht [18]. 95 % der Patienten waren zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Operationsergebnis. Reluxationen der Patella traten während des Nachuntersuchungszeitraums nicht auf. Der Kujala-Score verbesserte sich von 76 auf 96, der IKDC Score verbesserte sich von 72 auf 88. Die Untersuchung der Aktivitäts-Scores zeigte keine Veränderung von prä- nach postoperativ. Die meisten Patienten übten prä- und postoperativ risikoarme Sportarten aus. Fast alle Patienten konnten ihre sportliche Aktivität auf einem vergleichbaren Niveau wie präoperativ ausüben. Angst vor erneuten Verletzungen und die ärztliche Empfehlung, Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko zu vermeiden, waren die häufigsten Gründe dafür, dass die Patienten postoperativ keine Sportarten auf höherem Niveau ausübten. Lediglich 3 Patienten erhöhten postoperativ das Sportniveau. Zwei Patienten kehrten postoperativ zum Wettkampf auf internationalem Niveau zurück (Ski alpin und Judo). Insgesamt 6 Patienten übten postoperativ schwere körperliche berufliche Tätigkeiten aus. Auf die Frage, was der Hauptunterschied zwischen dem prä- und postoperativen Zustand sei, war die häufigste Antwort, dass sich das betroffene Kniegelenk „stabil anfühle“.