Übersichtsarbeiten - OUP 04/2022

Vordere Kreuzband-Revision

Christian Eberle

Zusammenfassung:
Die Rerupturrate nach primärer VKB-Rekonstruktion liegt, abhängig vom Patientenalter und Aktivitätsniveau, zwischen 6 und 10 % innerhalb der ersten 10 Jahre. Die häufigsten Ursachen sind ein erneutes Trauma, technische OP-Fehler oder biologische Ursachen mit den entsprechenden Schnittmengen. Die VKB-Revision stellt immer ein komplexes Krankheitsbild dar, dessen Therapie nicht selten mehrere aufwendige operative Schritte, regelhaft sogar ein zweizeitiges Vorgehen, bedarf. Dementsprechend ist eine ausgedehnte präoperative Diagnostik erforderlich. In der operativen Therapie sind neben einem strukturierten Bohrkanalmanagement, das Adressieren eines signifikanten knöchernen Malalignements, der Begleitpathologien wie Meniskus- und Knorpelläsionen und der peripheren Instabilitäten essentiell.

Schlüsselwörter:
VKB-Reruptur, Bohrkanalmanagement, knöchernes Malalignement, periphere Instabilität,
Transplantatwahl

Zitierweise:
Eberle C: Vordere Kreuzband-Revision
OUP 2022; 11: 156–162
DOI 10.53180/oup.2022.0155-0162

Summary: The failure rate in the first 10 years after primary ACL-reconstruction lies between 6 and 10 % depending on patient age and activity level. The main reasons of failure are trauma, technical errors and failed biological healing with corresponding intersections. ACL-revision used to be a complex situation for patient and surgeon and commonly needs two stage surgery. Accordantly to this, ACL-revision necessarily needs intense preoperative diagnostic investigation. Structural tunnel management, correction of bony malalignement, addressing meniscal and chondral lesions and significant peripheral instability are essential within the surgical treatment of ACL-failure.

Keywords: ACL-reconstruction, ACL-failure, ACL-revision, tunnel management, bony malalignement, peripheral instability

Citation: Eberle C: ACL-revision
OUP 2022; 11: 156–162; DOI 10.53180/oup.2022.0155-0162

ARCUS Kliniken, Pforzheim

Einleitung

Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes im Rahmen eines Knieverdrehtraumas ist eine der häufigsten Verletzungen im Bereich des Kniegelenkes. Die Inzidenz dieser schwerwiegenden Verletzung hat in den letzten Jahrzenten vor allem in den Altersgruppen < 20-Jährigen und > 40-Jährigen und in der weiblichen Bevölkerung stetig zugenommen [1, 2, 6].

Orientierend an den aktuellen Leitlinien muss in den meisten Fällen eine operative Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (VKB) erfolgen, um eine ausreichende Funktionalität und Belastbarkeit des betroffenen Gelenkes wiederherzustellen und um mittel- und langfristig das Risiko für Schäden am Knorpel und den Menisken zu mindern [20–22]. So hat bspw. die Anzahl der VKB-Rekonstruktionen in den USA innerhalb der letzten Dekade um ca. 20 % zugenommen [9]. Die Reruptur-Rate liegt zwischen 3–4 % nach 2 Jahren und 6–10 % nach 10 Jahren [6, 8]. Junges Patientenalter und hohes Aktivitätsniveau sind auch hier als größter Risikofaktor zu nennen. In der Folge steigt auch die Rate der Rerupturen und der damit notwendigen Revisions-Operationen.

Im Gegensatz zur Behandlung der primären Verletzung des vorderen Kreuzbandes, besteht für die Therapie nach Reruptur oder Transplantversagen weder in der wissenschaftlichen Literatur, noch im klinischen Alltag ein Konsens. Alle klinischen Scores zeigen innerhalb der ersten 2 Jahre nach VKB- Revision signifikant schlechtere Ergebnisse als nach primärer Versorgung [25].

Nach erfolgter VKB-Revision wird innerhalb der ersten 2 Jahre die Versagensrate mit 15 % angegeben [24]. Lediglich 43 % der betroffenen Patienten erreichen wieder ihr sportliches Aktivitätsniveau [23]. Die rezidivierende oder persistierende Instabilität nach VKB-Rekonstruktion stellt somit immer ein komplexes Krankheitsbild dar, dessen Therapie nicht selten mehrere aufwendige operative Schritte, regelhaft sogar ein zweizeitiges Vorgehen, bedarf. Dies setzen eine besondere Expertise des behandelnden Arztes, hinsichtlich der Durchführung und Interpretation der Diagnostik und der eventuell notwendigen operativen Techniken voraus.

In diesem Artikel werden die unterschiedlichen Aspekte und Grundlagen zur Planung und Durchführung einer VKB-Revision zusammengefasst.

Diagnostik

Der Kern der strukturierten Diagnostik und der darauffolgenden Behandlung, stellt zunächst die Frage nach der Ursache des Versagens der VKB-Rekonstruktion dar.

Harner et al. nahmen bereits 2001 eine Einteilung der Versagensursachen nach VKB-Rekonstruktion vor. Diese 3 Hauptgruppen waren OP-Technik, Trauma und die biologische Einheilung des Transplantates mit den entsprechenden Schnittmengen [10].

Die MARS Gruppe fand im Rahmen der Versagensanalyse in 33 % eine traumatische Ursache, in 22 % technische Fehler (insbes. Fehlplatzierung des femoralen Bohrkanals) und in 8 % eine biologische Ursache mit zusätzlichen entsprechenden Schnittmengen [26].

Eine Einteilung der Ursachen bezogen auf den Patienten, den Operateur oder einen biologischen Hintergrund mit entsprechender Schnittmenge, wurde 2020 von Tapsvi und Shekhar vorgeschlagen [15].

Aufgrund der vielfältigen möglichen Ursachen einer VKB-Reruptur oder eines Transplantatversagens mit entsprechenden Schnittmengen, ist vor einer VKB-Revisionsoperation eine umfassende Diagnostik und Versagensanalyse notwendig.

Die Versagensanalyse und Diagnostik beinhalten:

1. Genaue Anamneseerhebung

2. Klinische Untersuchung

3. Bildgebende Diagnostik

4. Ggf. laborchemische Diagnostik

Nur nach vollständiger Durchführung der Versagensanalyse ist anhand der erhobenen Befunde eine Planung des weiteren therapeutischen Vorgehens möglich. Es muss insbesondere geklärt werden, welche operativen Schritte im Einzelnen notwendig sind, um die Stabilität und Funktionalität des betroffenen Gelenkes wiederherzustellen und ob dies ein ein- oder zweizeitiges Vorgehen bedarf.

Anamnese

Abzufragen sind:

Trauma Mechanismus der Erstverletzung

Zeitpunkt der Primärversorgung

Art der Primärversorgung

Verlauf der Rehabilitation

Infektionsgeschehen

Adäquates erneutes Trauma

aktuelle Beschwerden

sportlicher- und beruflicher Anspruch

uukünftiger Anspruch an die Funktionalität des betroffenen Kniegelenkes

Zur genauen Analyse der OP-Technik sollte im Idealfall der OP-Bericht der Primärversorgung vorhanden sein bzw. angefordert werden. Dadurch können die Wahl des Transplantates, die Bohrtechnik, femorale- und tibiale Verankerungstechnik, evtl. adressierte Meniskus-, Knorpel- oder ligamentäre periphere Schäden und die empfohlene Rehabilitation am ehesten evaluiert werden.

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