Informationen aus der Gesellschaft - OUP 12/2013

Zu Gast bei orthopädischen Exzellenzzentren in England, USA und Kanada
Die Austrian-Swiss-German (ASG) Fellowship-Tour 2013

Das diesjährige ASG-Fellowship wurde erstmals mit dem AOA-Meeting und der kurz darauf folgenden Jahrestagung
der kanadischen Orthopädiegesellschaft (COA) verbunden, sodass der Reisezeitraum der ASG-Fellowship-Tour 2013
zwischen Mai und Juli lag. Aus dem Bewerberkreis wählten die nationalen Stipendienkommissionen für 2013 PD Dr. Rainer
Biedermann, Universitätsklinik Innsbruck, Prof. Dr. Andreas Niemeier, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, PD Dr. Fabian von Knoch, Schulthessklinik, Zürich und PD Dr. Tobias Renkawitz, Universitätsklinik Regensburg.

Am 27. Mai 2013 trafen sich alle 4 Fellows zum Start ihrer Reise in London. Die britische Hauptstadt begrüßte sie mit strahlendem Sonnenschein und einem Banking Holiday und so wurde der erste Tag für eine Sightseeing-Tour im Zentrum Londons genutzt. Am darauf folgenden Morgen begrüßte Prof. Fares Haddad, Direktor der orthopädischen Abteilung am University College of London, die Fellows in den OP-Sälen des privatärztlichen Princess Grace Hospital und demonstrierte in schneller Abfolge eine Reihe von VKB-Rekonstruktionen und meniskusadressierenden OP-Techniken (Abb. 1). Der Nachmittag bot Gelegenheit zu weiterem fachlichem Dialog über periazetabuläre Osteotomien und Hüftarthroskopien, diesmal allerdings mit einem zeitlich eher entspannten OP-Ablauf im öffentlichen University College Hospital (UCL). Es folgte im neu eröffneten Londoner „Institute of Sport, Exercise & Health“ ein intensiver, bis in die Abendstunden reichender wissenschaftlicher Austausch mit den englischen Kollegen der orthopädischen Abteilung, wobei die Fellows erstmals Gelegenheit hatten, ihre eigenen Forschungsergebnisse zu präsentieren, was sich im Laufe der nächsten 6 Wochen zu einer Routine entwickeln sollte. Als aktueller Editor-in-Chief des Bone and Joint Journals (BJJ; vormals JBJS [Br]) hatte Fares Haddad am folgenden Tag eine beeindruckende Führung durch das Head Office des BJJ in der Buckingham Street in London Downtown organisiert. Eine besondere Freude war es dabei, in einer exklusiven Besprechungsrunde mit Editor Emeritus James Scott, Redaktionsleiterin Emma Vodden und Fares Haddad, Näheres über die Geschichte, aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und die zukünftige Ausrichtung des BJJ als eine der global bedeutendsten orthopädischen Fachzeitschriften zu erfahren.

Die 2. Station der Englandreise war Nottingham, das die Fellows mit der British Railway erreichten (Abb. 2). In der Heimat Robin Hoods beeindruckten neben dem seit 1189 bestehenden ältesten Pub Englands (Ye Old Jerusalem) auch die beiden Gastgeber Prof. Angus Wallace und Mr. Peter James durch ihre im OP demonstrierte Expertise im schulter- bzw. knieendoprothetischen Bereich. Das Queens Hospital ist ein hoch spezialisiertes Zentrum, in dem jährlich über 900 Polytraumapatienten und ca. 16.000 unfallchirurgische Eingriffe durchgeführt werden. Damit stellt es ein Beispiel für die im Vereinigten Königreich zunehmend weit gefasste Zentralisierung der Versorgung von traumatologischen Patienten dar. Im Gegensatz dazu werden im baulich etwas veralteten City Hospital nahezu ausschließlich elektive orthopädische Eingriffe durchgeführt. In dem historischen Gebäude reflektiert das Fortbestehen von sog. Nightingale Wards, auf denen bis zu 20 Patienten in einer großen Patientenhalle ohne Trennwände liegen, einen gewissen Investitionsstau im englischen Krankenhaussystem. Das fungierte für die Fellows durchaus als „eye-opener“, zumal diese Verhältnisse für Patienten der ASG-Länder schlichtweg nicht mehr vorstellbar sind. Die offensichtliche hohe Motivation und das durchweg gepflegte Erscheinungsbild des orthopädischen Pflegepersonals erschienen im Gegensatz dazu überdurchschnittlich. Auch erfuhren die Fellows in den historischen Räumen, dass die Anrede „Mr.“, das traditionellerweise Chirurgen vorbehalten ist, sich von den Barbieren ableitet, die ihre chirurgische Tätigkeit und Lehre vom herkömmlichen „Dr.“ abgrenzten und sich auch als hierarchisch übergeordnet ansehen. Eine Fahrt im 70 Fuß langen „narrow boat“ mit Angus Wallace in den traditionellen Kanälen der Midlands war ein abschließendes soziales Highlight eines herausragenden Aufenthalts in England, der den Fellows einen tiefen Einblick in ein System gewährte, das vergleichsweise weniger in die Infrastruktur, dafür umso mehr in die Ausbildung junger orthopädisch-traumatologischer Kollegen zu investieren scheint.

Nach einem ruhigen Transatlantikflug von Birmingham nach Chicago begrüßte Prof. Terrance Peabody, Chairman der Orthopädischen Abteilung an der Northwestern University Chicago und zu der Zeit amtierender Präsident der AOA die Fellows am Flughafen (Abb. 3). Terry Peabody’s großes zeitliches Engagement, seine charismatische und gleichzeitig sehr nahbare Persönlichkeit, das hohe fachliche und wissenschaftliche Niveau der orthopädischen Abteilung und der beeindruckende, für Chicago typischerweise mehr vertikal als horizontal ausgerichtete Campus der Northwestern University und Feinberg School of Medicine ließ die Fellows sehr schnell zu der Überzeugung kommen, dass es sich hier um eine zukunftsorientierte Abteilung handelt und dieser Besuch eines der Highlights der Reise werden würde. Für die mitteleuropäischen Gäste ungewöhnlich und für jeden Besucher an Ehrentafeln der Sponsoren erkenntlich, war der große Anteil privater Spender am Bau des Krankenhauskomplexes, der im Falle vom Ann & Robert H. Lurie durch einen Beitrag von über 100 Millionen US$ zur Namensgebung des Children’s Hospital of Chicago führte, in dem auch die beeindruckende kinderorthopädische Abteilung in 3 parallelen Sälen operiert (Abb. 4). Beispielgebend für die noch folgenden Erfahrungen ihrer Reise erfuhren die Fellows, wie groß der Stellenwert des akademischen Austauschs und auch die Wertschätzung gegenüber den deutschsprachigen Gästen ist, als nahezu die gesamte orthopädische Fakultät einschließlich der Fellows, Residents und Studenten bei der akademischen ASG-Sitzung in Chicago anwesend war. Zumindest ein Teil der Neugierde dürfte bei den Kollegen auch durch den im Vorfeld von Terrance Peabody ausgesandten Flyer entstanden sein, in dem neben den Lebensläufen der Fellows und dem akademischen Programm des Abends auch die Geschichte des ASG-Fellowships beschrieben wurde.

Nach einem Abend in der Skybar mit Aussicht aus dem 94. Stockwerk über die Skyline Chicagos änderte sich die Sicht auf Amerika schlagartig aus dem Oberdeck des Amtrak-Zugs über die Kornfelder des Mittleren Westens nach Springfield, IL. Der Abstecher in die Heimat des Bürgerkriegspräsidenten Lincoln war in erster Linie ein akademischer. Den Fellows wurde die Ehre zuteil, als diesjährige „E. Shannon Stauffer Visiting Professors“ des Departments ausgezeichnet zu werden: ein besonderes Event mit Vorträgen der Fellows, sowie im Rahmen des darauf folgenden Galadinners die Überreichung der Abschlussdiplome durch den Gastgeber Prof. Khaled Saleh an die orthopädischen Graduierten des Jahrgangs der Southern Illinois University School of Medicine sowie die Visting-Professor-Urkunden an die Fellows.

Erneut über Chicago erreichten die Fellows anschließend die politische Heimat des 42. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, William Jefferson „Bill“ Clinton in Little Rock, Arkansas. Am Abend der Anreise wurde den europäischen Gästen ein herzlicher und sehr persönlicher Empfang im Hause des Chairman Prof. Richard Nicholas gemeinsam mit Fakultätsmitgliedern und Ehepartnern bereitet. Der folgende Samstag war dem akademischen Austausch gewidmet. Bei dem eigens organisierten Symposium war in mittlerweile gewohnter Manier nahezu die gesamte orthopädische Abteilung anwesend. Begleitet von den Residents der Abteilung, bestiegen die ASG-Fellows am nächsten Tag den 1000 Fuß hohen „Pinnacle Mountain“, der eine fantastische Aussicht auf den Michigan River und die hügelige bewaldete Region um Little Rock bot, bevor der Sonntagnachmittag auf einer Anlage mit Schießübungen mit großkalibrigen Waffen einen für europäische Verhältnis eher ungewöhnlichen Ausklang fand. Einer der amerikanischen Kollegen prägte den Ausspruch „If you don’t know the Midwest, you don’t know the United States“, und es war spätestens hier, als dies gelebte Realität wurde. Auch in Arkansas gab es danach zu Beginn der neuen Woche für die Fellows ausreichend Gelegenheit zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch im OP bei James Aronson/Dale Blasier im Arkansas Childen’s Hospital, sowie bei dem revisionsendoprothetisch geprägtem Präsidenten der Orthopaedic Society of Arkansas Larry Barnes im St. Vincent’s Hospital.

Die diesjährige Jahrestagung der American Orthopedic Association (AOA) fand am Fuße der Rocky Mountains, in Denver, Colorado statt. Dabei trafen die ASG-Fellows bereits bei der Ankunft am Flughafen auf die Reisegruppe der Japanese Orthopaedic Association (JOA). Gemeinsam waren beide Fellowship-Gruppen Gäste an der University of Colorado bei Prof. Evelina Burger und Chairman Prof. Robert d´Ambrosia. Ein eintägiges wissenschaftliches Symposium unter Beteiligung von insgesamt 6 Fachgesellschaften (AOA/AAOS/ASG/JOA), intensive Gespräche mit den Kollegen vor Ort und die Vielzahl der gesehenen OP-Verfahren (Wirbelsäulen-Navigation, Oberflächenersatz, Hüftrevisionen, Knierevisionen) machte auch den Aufenthalt in Denver zu einem einzigartigen Erlebnis. (http:// www.ucdenver.edu/academics colleges/medicalschool/departments/ Orthopaedics/Pages/pressrelease-AOSSM.aspx).

Das darauf folgende AOA-Meeting in Downtown Denver stellte für die Fellows eine bisher in dieser Form unbekannte Art eines Kongresses dar. Am besten ist es wohl durch sein Motto „leadership elevated“ charakterisiert und auf Politik, Networking und „leadership development“ ausgerichtet. Sämtliche in der US-amerikanischen Orthopädie politisch aktiven Protagonisten waren anwesend, ebenso wie fast alle „residency program directors“ und die Präsidenten der britischen, der südafrikanischen, der neuseeländischen und der australischen orthopädischen Fachgesellschaften. Wissenschaftliche Papers und Posters nahmen nur einen kleinen Teil im Programm ein. Der eigentliche Austausch besteht vor allem in Form von „key lectures“ von „stakeholders“ zu den „hot topics“ in der Orthopädie und ein gewichtiger Teil des Programms ist den Herausforderungen von orthopädischen Chirurgen in Führungspositionen gewidmet. Flankierend werden zukünftige Chefärztinnen und Chefärzte von Top-Referenten aus den gesamten USA im Zeit-, Personal- und „work-life“-Management geschult. Auch an diesen ganz praktischen Unterweisungen abseits der klassischen Fachmedizin nahmen die Fellows mit Begeisterung teil. Wissenschaftliche Kernthemen des AOA-Kongresses 2013 waren die Integrität in der Wissenschaft, Standardisierungen in der Orthopädie, die Assistentenausbildung und das grundlegende Verhältnis zwischen Arzt und Industrie. Auch bei dem AOA-Meeting in Denver wurde den ASG-Fellows besondere Wertschätzung entgegengebracht. Neben einer namentlichen und individuellen Begrüßung im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung gab es, organisiert von dem AOA-ASG-Fellowship-Koordinator aus New York, Prof. Richard Iorio, eine Vielzahl offizieller Fellowship-Empfänge mit der Möglichkeit zum persönlichen Austausch mit dem Vorstand der AOA und Meinungsbildnern aus den gesamten USA.

Gemeinsam mit der Kinderorthopädin und US-amerikanischen ASG-Alumna Prof. Susan Scherl flogen die Fellows dann zu ihrer nächsten Station in Omaha, Nebraska. Mit dem dortigen orthopädischen Chair und Vorstandsmitglied der amerikanischen Hip Society, Prof. Kevin Garvin, besuchten die Fellows am Folgetag ein Baseballspiel der „College World Series“ und bekamen vor großer Kulisse unmittelbar am Spielfeldrand einen einzigartigen Eindruck von dieser amerikanischen Volkssportart. Am folgenden Montag präsentierten die Fellows in mittlerweile schon gewohnter Manier vor der gesamten Faculty im Rahmen der „grand rounds“ ihre Forschungsergebnisse und teilten sich in Folge auf, um ihrer Spezialisierung entsprechend die „attending surgeons“ in die Operationssäle zu begleiten. Eine abschließende Tour durch das Biomechaniklabor in Omaha bot die Gelegenheit, tribologische Testverfahren und Forschungsentwicklungen in orthopädischen Navigationsverfahren im Detail kennenzulernen. Wie an allen Stationen, so bot auch hier ein abendliches Fakultätsdinner die Möglichkeit zu einem persönlichen Kennenlernen und vertiefenden Gesprächen.

Der nächste Tag führte die Fellows in einer 5-stündigen Autofahrt nach Iowa City. Die orthopädische Abteilung genießt aufgrund ihres engagierten akademischen Ausbildungsprogramms einen hervorragenden Ruf unter den US-amerikanischen Assistenzärzten. Für die jährliche Neuaufnahme von 4 neuen Assistenzärzten liegen zumeist mehr als 400 Bewerbungen vor. Gegründet wurde die orthopädische Abteilung Iowas von dem Wiener Arthur Steindler, der 1915 zum ersten Professor für orthopädische Chirurgie in Iowa bestellt wurde. Er leitete die Abteilung über 34 Jahre und war auch ein Lehrer von Ignacio Ponseti. Mit dem ASG-Alumni und Gastgeber Professor Larry Marsh sowie Professor Stuart L. Weinstein, die sich beide bereits in den Anfangsjahren des Fellowships sehr um den Austausch zwischen deutschsprachigen und nordamerikanischen orthopädischen Chirurgen verdient gemacht haben, stellt die orthopädische Universitätsklinik Iowa in gewisser Weise die Wiege des „amerikanischen ASG-Stipendiums“ dar. Die Vorträge im Rahmen der Grand Rounds ab 6:30 Uhr sowie die anschließenden Besuche der Klinik mit dem hervorragend ausgestatteten Biomechaniklabor und dem biochemischen Laborbereich, mit jeweils einer Vortragssitzung und wissenschaftlichen Diskussion zeigten auf, wie außergewöhnlich erfolgreich die gut koordinierte Zusammenarbeit zwischen Grundlagenwissenschaften und Klinik in Iowa organisiert wird. Die Faculty ist dabei durchwegs mit international bekannten Meinungsbildnern besetzt und so kooperieren mehrere starke Chefarztpersönlichkeiten an der orthopädischen Abteilung der Universität in Iowa nebeneinander. Der eigentliche Abteilungsleiter übernimmt neben seinem eigenen Fachbereich eher eine übergeordnete Management-Funktion ohne herausgehobene Hierarchie.

Gespannt auf die Unterschiede zwischen den amerikanischen und kanadischen Systemen flogen die Fellows nun nach Winnipeg, MB zur Jahrestagung der kanadischen Orthopädenvereinigung (COA) (Abb. 5). Auch hier wurden die Fellows im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung offiziell begrüßt und auch hier war ein Kernbereich des Meetings das „leadership“, wobei die weitere Form der Tagung eher Symposium-Charakter hatte. Die Fellows nutzen dabei eine Vielzahl optionaler Weiterbildungsmöglichkeiten, z.B. einen eintägigen Expertenkurs an Anatomiepräparaten zur MPFL-Rekonstruktion. Vom Zentrum des Kontinents führte die Reise an den Ontariosee nach Hamilton. Dort wurden die Fellows am Sonntag von Prof. Michelle Ghert, stellvertretende Leiterin der Evidence-based Orthopaedics-Einheit an der McMaster-Universität und selbst gerade von ihrem AOA-ABC-Fellowship aus Südafrika zurückgekehrt, in einer beeindruckenden Truck-Stretchlimousine abgeholt. Bei einer Tour zu den Niagarafällen und mehreren Weingütern der Umgebung konnten sich die Fellows von der hervorragenden Qualität des kanadischen Weins überzeugen. Während des anschließenden Abendessens in der Peller Winery lernten die Fellows die Faculty der kanadischen McMaster Universität und Professor Mohit Bhandari, Chair of Orthopaedics und Direktor der „MacOrtho“ Forschungseinheit, kennen, der sich vollkommen von der klinischen Tätigkeit zurückgezogen und ganz der Wissenschaft verschrieben hat (Abb. 6). In einem mitreißenden Vortrag im Rahmen der Grand Rounds an der McMaster University begeisterte er tags darauf die Fellows mit seinem Konzept von global ausgerichteten, multizentrisch evidenzbasierten Studien und motivierte zur internationalen Zusammenarbeit (siehe auch http://fhs.mcmaster.ca/macortho/ASG_VisitingFellows.html).

Über Toronto führte der Weg mit der kanadischen Eisenbahn zum anderen Ende des Ontariosees zur orthopädischen Abteilung der Queens University in Kingston, der ehemaligen Hauptstadt Kanadas, die im kurzen Krieg zwischen den jungen Vereinigten Staaten und Kanada im Jahr 1812 in das 2-sprachige Ottawa in das Landesinnere verlegt wurde. Gastgeber und Chef der dortigen Kinderorthopädie, Prof. Dan Borschneck, demonstrierte während der Tage in Kingston den großen Stellenwert der wissenschaftlichen Forschung und Ausbildung an der dortigen Fakultät. Neben der Eigenentwicklung orthopädischer Navigationsverfahren für Traumatologie und Endoprothetik forscht man hier auch an innovativen, sonografisch kontrollierten Skoliose-Messverfahren und ultraschall-navigierten Infiltrationstechniken an der Wirbelsäule (Abb. 7). Nachahmenswert erschien den Fellows auch der einmal monatlich stattfindende Journal Club im Rahmen eines gemeinsamen Dinners der Residents und der Faculty, welcher neben dem wissenschaftlichen auch einen persönlichen Austausch unter den Kollegen erlaubt. Ein besonderes Highlight des „social programs“ in Kanada war zweifelsohne die „1000-Island-Tour“ mit Dr. Gavin Wood. Auf seinem Motorboot navigierte der Leiter der Hüft- und Kniechirurgie die Fellows durch eine Vielzahl der insgesamt 1600 Inseln am nördlichen Ontariosee nahe der US-amerikanischen Grenze.

Über Toronto flogen die Fellows im Anschluss zurück in die USA nach New Orleans, Louisiana, der letzten Station der ASG-Fellowship-Tour 2013. Im Kontrast zum maritim anmutenden Klima der kanadischen Seenregion schlug den Fellows beim Verlassen des Flughafens die Hitze Louisianas entgegen. Die kreolische Küche, die Architektur und die Lebensweise in New Orleans Herzen, dem French Quarter, machten die Stadt zu einem ganz besonderen Erlebnis für die ASG-Fellows. An der Tulane University gestalteten sie zusammen mit James Andrews, einem der bekanntesten Sportmediziner der Vereinigten Staaten, die „22nd Ray Haddad Visiting Professor Guest Lecture“. Gastgeber und Chefarzt der orthopädischen Abteilung, Professor Raul Rodriguez, machte dem Ruf seiner Stadt alle Ehre und veranstaltete an allen 3 Abenden für die Besucher aus Europa ein Galadinner. Der letzte Abend endete mit einem für New Orleans typischen Jazzkonzert im „Blue Nile“ in der Frenchmen Street, einem Ort, der üblicherweise nur von „locals“ und nicht von Touristen aufgesucht wird.

Die Fellows waren hoch erfreut über die Tatsache, im schönen New Orleans, das trotz der Abwanderung von über 100.000 Einwohnern nach dem Hurricane Katrina im Jahr 2005 nichts von seinem früheren Charme verloren zu haben schien, von 2 Gastgebern betreut zu werden, und wurden an ihrem letzten Sonntag von Prof. Scott Duncan, Chefarzt der orthopädischen Abteilung und Mitglied der Geschäftsführung des privaten Oschner Health Care Krankenhausverbunds, zu einer gemeinsamen Bootstour in die Sümpfe Louisianas abgeholt. Der Tag endete mit einer interessanten Führung und einem Einblick in das private Krankenhaussystem der USA. Am letzten Tag vor der Abreise bekamen die Fellows nochmals Gelegenheit für einen persönlichen Austausch in den Operationssälen der New Orleans Oschner Clinic, gefolgt von einem letzten gemeinsamen akademischen Auftritt vor der versammelten orthopädischen Abteilung und einem kulinarisch-kreolisch geprägten Abschlussessen mit der Faculty im Herzen von New Orleans.

Zusammenfassend war das ASG-Fellowship 2013 geprägt von einer überwältigenden Gastfreundschaft und Wertschätzung aller besuchten Institutionen gegenüber den deutschsprachigen Fellows und der deutschsprachigen orthopädischen Chirurgie. Alle Gastgeber hatten sich im Vorfeld schriftlich bei der AOA um den Besuch der ASG-Reisegruppe beworben und für den 2–3-tägigen Besuch ein abwechslungsreiches und vielschichtiges Programm ausgearbeitet. Im Vordergrund standen der klinische, wissenschaftliche aber auch der soziale Austausch und so konnten bereits jetzt Kooperationen zwischen nordamerikanischen Gastgeberinstitutionen und den Heimatuniversitäten der ASG-Fellows etabliert werden. In allen 3 besuchten Ländern beeindruckte der Stellenwert und die Methodik bei der Ausbildung junger orthopädischer Chirurgen (Abb. 8) sowie die grundsätzliche Bedeutung wissenschaftlichen Arbeitens im Klinikalltag, die im täglichen Ablauf der besuchten Universitätskliniken eine großzügige und selbstverständliche zeitliche Berücksichtigung findet – ein Konzept, das den ASG-Fellows auch für das universitäre Arbeiten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorbildhaft erscheint. Für alle 4 Reiseteilnehmer war die ASG-Fellowship-Tour 2013 damit in jeder Hinsicht eine herausragende persönliche und fachliche Bereicherung und, last but not least, der Beginn einer großen Freundschaft innerhalb der Gruppe.

Die ASG-Fellows 2013 bedanken sich herzlich bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC), der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (ÖGO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (SGOT) und den damit verbundenen ASG-Stipendienkommissionen für das Vertrauen und die wertvolle finanzielle, aber auch ganz persönliche Unterstützung, die diese einzigartige Reise und Erfahrung ermöglicht hat.

PD Dr. Rainer Biedermann,

Prof. Dr. Andreas Niemeier,

PD Dr. Fabian von Knoch und

PD Dr. Tobias Renkawitz

Zur Geschichte der ASG-Fellowship

Vor fast 35 Jahren, im Jahre 1979 traten die ersten Kollegen der deutschsprachigen orthopädischen Fachgesellschaften (ASG: Austria-Switzerland-Germany) eine Fellowship-Tour nach England, Kanada und in die USA an. Alle 2 Jahre werden nunmehr von den ASG-Stipendienkommissionen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC), der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (ÖGO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (SGOT) 4 herausragende orthopädische Chirurgen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgewählt, um während eines 6-wöchigen Auslandsstipendiums akademische und klinische „Centers of Excellence“ der orthopädischen Chirurgie im angloamerikanischen Raum zu besuchen. Das ASG-Fellowship bietet somit die einzigartige Möglichkeit für einen wissenschaftlichen und klinischen Austausch auf höchstem Niveau. Bewerbungskriterien um eine der renommiertesten Auszeichnungen der deutschsprachigen Orthopädie schließen eine abgeschlossene Habilitation, Oberarztposition sowie eine hervorragende klinische und akademische Reputation ein. Der Kreis der deutschsprachigen ASG-Fellows ist mittlerweile auf über 150 Mitglieder angewachsen und wird derzeit von Frau Prof. Dr. Anke Eckardt (Hirslanden Klinik Birshof, Schweiz) geleitet. Seit 1998 hat die amerikanische Fachgesellschaft AOA (American Orthopaedic Association) im Verbund mit der britischen (British Orthopaedic Association, BOA) und kanadischen (Canadian Orthopaedic Association, COA) Fachgesellschaft für Orthopädie das korrespondierende Reisestipendium englischsprachiger orthopädischer Chirurgen im Rahmen des ASG-Fellowships etabliert. Seither besucht im 2-jährigen Turnus nunmehr auch eine Gruppe orthopädischer Chirurgen aus England, USA und Kanada ausgewählte Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Fussnoten

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Thieme-Verlags aus Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten, 5–2013

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