Übersichtsarbeiten - OUP 09/2015

5-Jahres-Ergebnisse eines neuen biodegradierbaren Implantats für die Behandlung des Hallux rigidus
Eine prospektive randomisierte StudieA prospective randomized study

Das Institut für Biomaterialien der technischen Universität in Tampere entwickelte in Zusammenarbeit mit der Firma Bionx (später Linvatec Biomaterials Ltd., Finnland, jetzt Fa. Scaffdex, Finnland) einen biodegradierbaren Platzhalter aus dem bekannten Werkstoff poly-L/D-lactid copolymer mit L/D-monomer ratio 96/4 (PLDLA). Das Polymer besitzt eine poröse Zylinderstruktur, sodass dort körpereigenes Gewebe mit Fibroblasten einwachsen kann und eine bioelastische gelenkartige Gewebekoppelung gebildet wird.

Die Biokompatibilität des Materials ist schon seit vielen Jahren bekannt, sodass es in kompakter Form (Pins, Schrauben) bereits seit über 20 Jahren Anwendung findet. Das in der Studie verwendete Polymer für den Scaffold wird zu 4-lagigen, sehr dünnen Fäden gesponnen, aus denen ein Schlauch gestrickt wird. Dieser Schlauch wird dann, ähnlich einem Feuerwehrschlauch, aufgerollt und zu Kissen unterschiedlicher Größe (Durchmesser 8–24 mm) und Dicke (3,6–4,5 mm) verarbeitet. Erhältlich waren 9 Größen in 2 mm-Schritten, beginnend bei 8 mm Durchmesser. Die durchschnittliche Porengröße liegt zwischen 100–400 µm. Durch die poröse gitterartige Struktur kann körpereigenes Gewebe gut einwachsen (Abb. 1, 2).

In-vitro-Studien zeigten für das in dieser Studie verwendete PLDLA eine Stabilität von 50 % Festigkeit nach 13 Wochen, lang genug für das Einwachsen und Strukturieren von körpereigenem Gewebe. In Tierversuchen wurde eine rasche Einheilungstendenz und Funktion als Platzhalter nachgewiesen [6]. Die Scaffolds werden im ersten Jahr weitestgehend aufgebrochen und durch kollagenes Bindegewebe ersetzt. Nach ca. 2–3 Jahren wird der Platzhalter vollständig resorbiert [7]. 1997 erfolgte in Finnland die Erstimplantation des Scaffolds am Menschen [8]. Implantatbedingte Komplikationen sind bei den bisher mit guten Ergebnissen durchgeführten Studien nicht aufgetreten.

Zu Beginn der Studie war das Produkt noch nicht CE-zertifiziert. Aufgrund der guten Studienlage ist es seit November 2011 unter dem Namen RegJoint von der Firma Scaffdex, Tampere (Finnland), auf dem europäischen Markt zugelassen und wird in den am häufigsten angewendeten Größen 8–20 mm angeboten.

Studiendurchführung

Die Vitos Orthopädische Klinik nahm ab 01.01.2003 an einer prospektiven, randomisierten, internationalen Multicenterstudie bezüglich der Scaffold Implantate teil. Die Studie wurde von der Europäischen Kommission subventioniert (Studien-Nr. QLK6-CT- 2002-027000). Neben der Vitos Orthopädischen Klinik nahmen auch noch weitere Krankenhäuser teil: Rheumatism Foundation Hospital, Heinola (Finnland), Lund University Hospital (Schweden), Azienda Ospidaliera Policlinico, Modena (Italien), Tampere University of Technology (Finnland), Bionx Implants (später Linvatec Biomaterials Ltd., Finnland, jetzt Fa. Scaffdex, Finnland).

In der Vitos Orthopädischen Klinik wurden die Implantate an Händen (CMC 1, MCP 2–5, PIP 2–5 und DIP 2–5) und Füßen (MTP1–5) verwendet.

Die Studie wurde angelegt als prospektive, randomisierte, internationale Multicenterstudie mit zwei Behandlungsgruppen, einer Implantatgruppe und einer Kontrollgruppe. In der Kontrollgruppe wurden folgende Operationsverfahren durchgeführt: Resektionsarthroplastik nach Hueter-Mayo, Cheilektomie und Arthrodese. Die Operationen wurden im Zeitraum Dezember 2004 bis April 2007 durchgeführt. Die Patienten wurden präoperativ, 1 und 5 Jahre postoperativ, untersucht und die entsprechenden Daten erhoben.

Nach Indikationsstellung und Einwilligung zu einem operativen Vorgehen wurde anhand der von der Studienzentrale in Finnland verschickten, verschlossenen Briefumschläge randomisiert. Untersucht wurden die Funktion (VAS), Schmerz (VAS) sowie der AOFAS-Score.

Patientenkollektiv

Einschlusskriterien waren neben dem Einverständnis zur Teilnahme an der Studie deutliche röntgenologische Veränderungen des Großzehengrundgelenks durch Arthrose oder rheumatische Erkrankungen bei Patienten im Alter zwischen 20–75 Jahren. Als Ausschlusskriterien galten akute eitrige Infektionen sowie Voroperationen am betroffenen Gelenk.

Insgesamt wurden 55 Operationen am Großzehengrundgelenk durchgeführt. 32 Patienten wurden mit dem neuen Implantat versorgt, 23 Patienten der Kontrollgruppe zugeteilt. Von den 23 Patienten der Kontrollgruppe erhielten 9 eine Cheilektomie, 8 eine Resektionsarthroplastik und 6 wurden mit einer Arthrodese versorgt. In die Studie miteinbezogen werden konnten 44 Patienten. Das Durchschnittsalter lag bei 58,7 Jahren. 84,1 % der Patienten waren weiblich, 15,9 % männlich.

Ergebnisse

In die Studienauswertung konnten insgesamt 44 Patienten einbezogen werden: 27 in der Gruppe der neuen biodegradierbaren Gelenke (Scaffolds) und 17 in der Kontrollgruppe. Die Nachuntersuchungszeiträume erstreckten sich auf präoperativ, 1 und 5 Jahre postoperativ.

Schmerz

Prä-OP besteht zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied bei den mittleren Schmerz-Werten (VAS). Sowohl die Patienten, die später ein Scaffold-Implantat (SC) erhielten, als auch die Patienten der Kontrollgruppe weisen eine mittlere Schmerzausprägung von 5 (VAS) auf. Zur vereinfachten Darstellung wurde die Visuelle Analogskala hier auf die Grenzen 0–10 statt 0–100 übertragen. Zwischen den beiden Untersuchungsgruppen besteht zu diesem Zeitpunkt kein statistisch signifikanter Unterschied der mittleren Niveaus.

Ein Jahr post-OP weisen die Patienten der SC-Gruppe mit einer mittleren Ausprägung von 0 einen geringen Unterschied auf, gegenüber den Patienten der Kontrollgruppe mit einer mittleren Ausprägung von 1. Diese geringe Differenz der beiden Untersuchungsgruppen ist statistisch nicht signifikant.

5 Jahre post-OP ist der Unterschied zwischen der SC-Gruppe (Median: 0) und der Kontrollgruppe (Median: 2) bereits größer ausgeprägt. Die Differenz von 2 Skalenstufen ist statistisch signifikant (Abb. 3).

Funktion

Prä-OP besteht zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied bei den mittleren Funktionswerten (VAS). Sowohl die Patienten, die später ein Scaffold-Implantat (SC) erhalten werden, als auch die Patienten der Kontrollgruppe weisen eine mittlere Funktion (VAS) von 5 auf. Zwischen den beiden Untersuchungsgruppen besteht zu diesem Zeitpunkt kein statistisch signifikanter Unterschied der mittleren Niveaus.

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