Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Sport(therapie) und Arthrose

I. Krauß1, P. Janßen1

Zusammenfassung: Sporttherapie bei Arthrose an Hüft- und Kniegelenk ist evidenzbasiert, leitlinienkonform sowie nebenwirkungsarm und stellt damit eine grundlegende Therapieform dar, die nach Verordnung durch den behandelnden Arzt sowie professioneller Anleitung eigenverantwortlich vom Patienten durchgeführt werden kann. Bei der Beratung und Betreuung des Patienten können hierbei individuelle Möglichkeiten und Präferenzen berücksichtigt werden, da sowohl für die Wassertherapie, als auch für Kraft- und Ausdauertraining und Tai Chi positive Behandlungseffekte in Hinblick auf Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung nachgewiesen werden konnten. Einer hinreichenden Belastungsdosierung sowie langfristigen Trainingscompliance ist hierbei Rechnung zu tragen.

Schlüsselwörter: Coxarthrose, Gonarthrose, Risikofaktoren, Sporttherapie, Dosierung, Sportempfehlung

Zitierweise
Krauß I, Janßen P: Sport(therapie) und Arthrose.
OUP 2015; 05: 230–235 DOI 10.3238/oup.2015.0230–0235

Summary: Exercise therapy for hip and knee osteoarthritis is evidence based and adverse events are rare. It is a patient-driven therapy option and therefore especially valuable in the treatment of chronic diseases. International guidelines therefore recommend this therapeutic option as a core-treatment for osteoarthritis. As aquatic exercises as well as land-based exercises such as resistence training, aerobic exercises and tai chi are effective, individual preferences and environmental factor such as access to exercise facilities and providers can be taken into account. For all interventions adequate exercise dosage and long-term adherence are pre-requisites for an efficient training regime.

Keywords: osteoarthitis, knee osteoarthritis, risk factors,
exercise therapy, dosage, exercise recommendation

Citation
Krauß I, Janßen P: Exercise therapy and osteoarthritis.
OUP 2015; 05: 230–235 DOI 10.3238/oup.2015.0230–0235

Sport als potenzieller
Risikofaktor der Gon- und Coxarthrose

Die Ätiologie der Arthroseentstehung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Allgemein werden primäre und sekundäre Formen der Arthrose unterschieden. Während bei der ideopathischen Form keine Grunderkrankung vorliegt, sind die Gründe für die sekundäre Form vielfältig [1]. Eine wichtige Ursache der Arthrose kann die repetitive Überlastung des betroffenen Gelenks sein. Diskutiert werden hierbei unter anderem die Überlastungen durch entsprechend hohe körperliche Aktivität.

In einer Kohortenstudie mit 50.034 Personen konnte ein Zusammenhang zwischen beruflich hoher körperlicher Belastung und dem Auftreten einer primären Arthrose der Hüftgelenke festgestellt werden. Kein Zusammenhang fand sich in dieser Studie hingegen zwischen primärer Coxarthrose und Sport als Freizeitaktivität [2].

Wissenschaftliche Erkenntnisse über den Einfluss sportlicher Aktivität auf die großen Gelenke liegen fast ausschließlich für den Leistungssport vor. Schmitt unterscheidet exogene und endogene Faktoren bezogen auf die Ursache degenerativer Gelenkerkrankungen nach Leistungssport. Dabei werden als endogene Faktoren unter anderen die familiäre Disposition, die Achsverhältnisse und die Belastungsfähigkeit des Knorpels genannt. Als exogene Faktoren, auf die im Weiteren Bezug genommen werden soll, werden Verletzungen, sportartspezifische Belastungen und die Intensität der Belastung aufgelistet [3].

Bezogen auf eine mögliche Cox- bzw. Gonarthroseentstehung zeigen vor allem die High-Impact-Sportarten, d.h. Sportarten mit einer hohen Intensität und hohen Stoßbelastungen auf den Bewegungsapparat sowie repetitive Belastungen, ein erhöhtes Risiko [3].

Eine Untersuchung an ehemaligen schwedischen Spitzensportlern zeigte ein 1,9-fach erhöhtes Risiko für das Entstehen einer Gonarthrose sowie ein 2-fach erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Coxarthrose im Vergleich zur Kontrollgruppe. Noch höher lag das Risiko mit 2,5-fach höherer Wahrscheinlichkeit für die Implantation einer Hüfttotalendoprothese im Vergleich zur Kontrollgruppe. Betroffen waren in dieser Studie ebenfalls vorwiegend Sportler, die High-Impact-Sportarten durchführten (Fußball, Handball, Eishockey) [4].

Viele Studien weisen darauf hin, dass der Beginn der intensiven sportlichen Betätigung eine wesentliche
Rolle spielen kann. Wird die sportliche Belastung bereits im Jugendalter vor Verschluss der Epiphysenfugen durchgeführt, so kann es zu Veränderungen am Knochenwachstum sowie im Bereich der Epiphysen kommen [5, 6].
Siebenrock und Schwab [7] konnten in einer Untersuchung an jungen Elite-Basketballern zeigen, dass sich besonders in der Gruppe der Sportler mit noch offenen Epiphysenfugen im Bereich der Femurepiphyse signifikante Veränderungen im Vergleich zur Kontrollgruppe darstellen. Die Leistungsbasketballer weisen hierbei eine deutlich vermehrte Extension der Epiphyse im Sinne einer CAM-Deformität auf. Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch bei jugendlichen Fußballspielern, die im Vergleich zur Kontrollgruppe einen signifikant höheren Alpha-Winkel und damit ebenfalls eine CAM-Deformität aufweisen [8]. Das Risiko, aus dieser Deformität heraus ein femoroacetabuläres Impingement und damit eine Prä-Arthrose zu entwickeln, liegt auf der Hand.

Die während der sportlichen Aktivität erlittene Verletzung stellt jedoch den größten Risikofaktor für die Entstehungen einer sportbedingten Arthrose dar. Zwei Drittel von über 200.000 Sportverletzungen in Deutschland, die von 1987 bis 2012 erfasst wurden, traten in High-Impact-Sportarten (Fußball, Handball, Basketball und Volleyball) auf. Während der Anteil der Sprunggelenkverletzungen sank, stieg der Anteil der Knieverletzungen auf 20,3 % [9]. Weltweit treten jährlich über 2 Millionen Rupturen des vorderen Kreuzbands (VKB) auf. Das Risiko, eine Gonarthrose nach einer VKB-Ruptur zu entwickeln, liegt bei noch intaktem Innenmeniskus bei 14–26 %.
Eine VKB-Ruptur in Kombination mit einer Meniskusläsion erhöht das Risiko einer Gonarthrose signifikant (37 %) [10]. Gelber konnte in einer Langzeitstudie (mittleres Follow-up von 36 Jahren) zeigen, dass Probanden, bei denen sich eine Knieverletzung in der Anamnese vorfand, eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für eine Gonarthrose aufwiesen, als verletzungsfreie Probanden [3,11]. Auch eine verbleibende Gelenkinstabilität nach Weichteilverletzungen kann das Risiko einer Arthrose erhöhen [12].

Bezüglich des Einflusses der Intensität sportlicher Aktivität auf das Arthroserisiko gibt es nur wenig gesicherte Aussagen. In der Framingham-Studie fand Felson bei den 1279 untersuchten Probanden keine Beziehung zwischen der Durchführung von Freizeitsport und dem Auftreten einer Gonarthrose [13]. Eine andere Studie zeigt jedoch einen Zusammenhang zwischen dem gehäuften Auftreten einer Gonarthrose bei Probanden, die regelmäßig Sport treiben, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Allerdings fand sich keine Assoziation mit einer Progression der Arthrose durch regelmäßige sportliche Betätigung [14]. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bezogen auf die Coxarthrose. Hier konnte ebenfalls in einer Studie ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Coxarthrose bei älteren Frauen festgestellt werden, die angaben, regelmäßige sportliche Aktivität während ihres Lebens durchgeführt zu haben [15]. Dennoch weisen die Ergebnisse der Mehrzahl aller Studien darauf hin, dass bei normaler Gelenkkonfiguration die Durchführung von Freizeitsport, bezogen auf eine Low-Impact-Sportart, kein erhöhtes Risiko für Arthrosen aufweist [15].

Sport als Therapie bei
Gon- und Coxarthrose

Die Behandlung der Arthose an Hüft- und Kniegelenk dient primär der Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung und ermöglicht dadurch auch eine Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Empfehlungen der internationalen medizinischen Fachgesellschaften, wie der
Europäischen Rheumaliga (European League against Rheumatism, EULAR), der Amerikanischen Gesellschaft der Orthopäden und Unfallchirurgen (AOOS) und der internationalen Forschungsgesellschaft zur Osteoarthrose (Osteoarthritis Research Society International, OARSI), weisen in diesem
Zusammenhang explizit darauf hin, dass bei der Wahl der Behandlungsform insbesondere Therapieverfahren berücksichtigt werden sollen, die eine
eigenverantwortliche Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen durch den Patienten selbst ermöglichen. Hierzu gehören beispielsweise eine gesundheitsorientierte Änderung des Lebensstils, eine Reduktion des Körpergewichts bei übergewichtigen Patienten sowie körperliches Training [16–18]. Die Sporttherapie hat demzufolge einen hohen Stellenwert im Behandlungskanon der Osteoarthrose. Sie versteht sich als ein Teil der Bewegungstherapie.

Was versteht man unter
Sporttherapie?

Bei der Sporttherapie geht es nicht um Wettkampf, Leistungssport oder das
Erlernen und Ausüben spezieller Sportarten. Vielmehr bedient sich die Sporttherapie geeigneter Mittel des Sports, um gestörte körperliche, psychische und soziale Funktionen zu kompensieren, zu regenerieren, Sekundärschäden vorzubeugen und gesundheitlich orientiertes Verhalten zu fördern [19, 20].

Die Inhalte der Sporttherapie berücksichtigen mehrere Dimensionen: das Trainieren motorischer Fähigkeiten wie Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer sowie das Erlernen und Üben motorischer Fertigkeiten im Sinne von Bewegungsmustern. Die Schulung
solcher Fertigkeiten ermöglicht eine Verbesserung, der für den Patienten alltagsrelevanten Handlungen und Aktivitäten. Die ergänzende Vermittlung von Kenntnissen und Wissen schafft zudem die Voraussetzung für eine selbstständige und langfristig gesundheitsbezogene Handlungs- und Sozialkompetenz. Im Rahmen der Therapie soll eine dauerhafte Motivation zur Durchführung von Eigenübungsprogrammen und zur Erreichung eines körperlich aktiven Lebensstils ermöglicht werden [20, 21].

Die verschiedenen Inhalte der Sporttherapie spiegeln das ganzheitliche
Gesundheitsverständnis der Weltgesundheitsorganisation WHO wider. Das zugrunde liegende bio-psycho-soziale Denkmodell orientiert sich nicht primär an den Defiziten, die ein Mensch aufgrund seiner Krankheit hat, sondern beschreibt und klassifiziert relevante Komponenten der Gesundheit. Neben den Strukturen und Funktionen des Körpers, gehören die Komponenten der Aktivitäten (beispielsweise die Fertigkeit alltagsrelevante Handlungen durchführen zu können) sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zur ganzheitlichen Betrachtung und Klassifikation der Gesundheit. Hierbei werden sowohl umweltbezogene als auch personenbezogene Faktoren in die Betrachtung einbezogen [20–22].

Interventionsformen der
Sporttherapie

Die Sporttherapie umfasst zahlreiche Interventionsformen: Therapieformen im Wasser (z.B. Wassergymnastik, Aqua Jogging, Aquacycling) nutzen gezielt den Wasserwiderstand zur Kräftigung und die Auftriebskraft des Wassers zur Entlastung. Auch die Wassertemperatur kann die Tonusregulation der Muskulatur positiv beeinflussen. Aus den genannten Gründen ist die Bewegung im Wasser gerade für übergewichtige Patienten mit Gelenkbeschwerden empfehlenswert, da es durch die Auftriebskraft des Wassers zu einer deutlichen Entlastung der Gelenke kommt. Therapieformen zu Land werden in der wissenschaftlichen Literatur meist in Ausdauertraining, Kräftigungstraining, funktionelles Training mit einem hohen Anteil an koordinativen Übungen sowie Trainingsformen zur Verbesserung der Beweglichkeit differenziert. Da die Wirksamkeit des Tai Chi zur Therapie muskuloskeletaler Beschwerden in den vergangenen Jahren auch in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend
Berücksichtigung findet, ist dieses nochmals als gesonderte Trainingsform hervorzuheben [23]. Alle genannten Therapieformen an Land und zu Wasser sind grundsätzlich empfehlenswert, ihre Wirksamkeit hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden [24]. Demzufolge können auch hier personelle und umweltbezogene Faktoren der Patienten bei der Therapiewahl berücksichtigt werden. Unabhängig von der Therapieform sollte jedoch in jedem Fall auf eine hinreichende Dosierung geachtet werden. Die Kombination verschiedener Therapieformen ist grundsätzlich möglich. Hierbei muss jedoch vermieden werden, dass alles ein wenig, aber nichts hinreichend trainiert wird. Deshalb sollte bei der Kombination verschiedener Trainingsinhalte in einem Programm darauf
geachtet werden, dass jeder Trainingsinhalt für sich trainingswirksam gestaltet wird [24–26].

Dosierung

Die optimale Dosierung der Sporttherapie lässt sich aus allgemeinen Empfehlungen zur Dosierung körperlichen Trainings sowie aus Empfehlungen für die sporttherapeutische Behandlung von Arthrosepatienten ableiten. Um die positiven Effekte des Trainings zu optimieren, sollten mindestens 12 Trainingseinheiten durchgeführt und dabei eine Trainingshäufigkeit von 2 bis 3 Trainingseinheiten pro Woche angestrebt werden. Bei einer längeren Interventionsdauer können größere Behandlungseffekte erzielt werden [24]. Im Bereich des Krafttrainings zeigen sowohl hohe, als auch moderate bzw. geringe Belastungsintensitäten positive Wirkungen und können demnach personenorientiert gewählt werden. Allgemein gilt jedoch auch hier, dass höhere Intensitäten mit einer vermehrten Kraftzunahme einhergehen [27–29]. Grundsätzlich gilt, dass das Training über die Interventionsdauer hinweg progressiv gesteigert werden sollte, um auch nach erfolgten physiologischen Anpassungen trainingswirksam zu sein. Es zeigt sich
zudem, dass Patienten nach vorausgehender Initiierung einer sporttherapeutischen Intervention durch erneute systematische Trainingsreize zusätzliche Wirkungen hinsichtlich Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung erzielen können [30, 31].

Anwendungsformen der Sporttherapie

Sporttherapie ist sowohl an Land als auch im Wasser möglich. Dabei kann das Training in der Gruppe, in einer individuellen 1:1-Betreuung, in Eigenregie als Heimtraining oder in kombinierter Form erfolgen. Obwohl die Durchführung der Sporttherapie mittel- und langfristig vom Patienten eigenverantwortlich übernommen werden sollte, ist
insbesondere zu Beginn eine professionelle Einweisung in das Training ratsam, um unphysiologische Belastungen zu vermeiden sowie trainingswirksame Reize zu setzen und damit auch Angaben zu Umfang, Dauer, Frequenz und Intensität der Therapie zu definieren. Zudem können gerade zu Beginn der Therapie durch eine therapeutische Betreuung Rückfragen zur Übungsausführung und zu möglichen Beschwerden während oder nach der Therapie etc. beantwortet werden. Die Wahl der Angebotsform sollte hierbei auch in Abhängigkeit der persönlichen Voraussetzungen und Präferenzen des Patienten gewählt werden, da die Motivation zur Initiierung und Beibehaltung des Trainings individuell sehr unterschiedlich sein kann. Gleiches gilt für die bewegungsbezogene Selbstwirksamkeit sowie bestehende Unsicherheiten in Hinblick auf Bewegung und Sport und die Angst vor einer Beschwerdezunahme durch Bewegung. Eher unsichere bzw. unselbstständige Personen sollten deshalb insbesondere zu Beginn der Therapie enger betreut werden.

Verhaltensbezogene
Bewegungstherapie

Erst durch die Ermutigung zur Aufnahme und Beibehaltung eines regelmäßigen körperlichen Trainings kann dieses auch wirken [16]. Neben der verbalen Unterstützung und Motivation des Patienten zur Lebensstiländerung können verschiedene verhaltensbezogene Instrumente genutzt werden, um die Initiierung und Aufrechterhaltung eines körperlich aktiven Lebensstils zu
erleichtern und Barrieren, die der sportlichen Aktivität im Wege stehen könnten, zu überwinden. Hierzu gehören beispielsweise die Wissensvermittlung zur Belastungs- und Trainingssteuerung, das Setzen von Aktivitätsplänen, die Formulierung von konkreten Bewegungsplänen, das Monitoring bzw. die Selbstbeobachtung per Trainingstagebuch und auch die Benennung möglicher Barrieren sowie die Formulierung gezielter Bewältigungsstrategien, um diese zu überwinden. Eine detaillierte Übersicht sowie allgemeine Empfehlungen für die verhaltensbezogenen Bewegungstherapie finden sich bei Geidl et al. [32].

Präoperatives Training zur Verbesserung der
postoperativen Situation

Je besser die körperliche Konstitution eines Menschen direkt vor einem operativen Eingriff ist, desto schneller erholt er sich auch nach der Operation und wartet zudem mit besseren physischen Kennzahlen auf. Diese grundsätzliche Aussage ist auf Anhieb plausibel. Trotz zum Teil unklarer Studienlage werden sporttherapeutische Interventionen im Vorfeld der Operation empfohlen, da sie sowohl prä- als auch postoperativ die Schmerzen reduzieren und die körperliche Funktionsfähigkeit verbessern können. Auch der stationäre Aufenthalt kann durch ein präoperatives Training verkürzt werden [33]. Gerade für ältere Personen erscheint die physische Vorbereitung auf den operativen Eingriff besonders wichtig, da diese Personengruppe ein erhöhtes Risiko für nicht zufriedenstellende postoperative Ergebnisse hat [34]. Auch bei älteren Patienten hat ein 3–6-wöchiges präoperatives Training positive Auswirkungen auf das kardiopulmonale System, die Muskelkraft, die Balance und die Gehgeschwindigkeit [34]. Bei adipösen Patienten sollte zudem berücksichtigt werden, dass eine präoperative Gewichtsreduktion das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen während bzw. im Anschluss an die Operation verringern kann [33].

Beispiele evidenzbasierter sporttherapeutischer
Interventionen

Eine Übersicht über die grundlegenden Interventionsformen wissenschaftlich evaluierter Trainingsprogramme bei Hüft- und Kniearthrose findet sich in der Literatur [24]. An dieser Stelle seien zudem 2 Beispiele sporttherapeutischer Interventionen genannt, deren Wirksamkeit im Rahmen kontrolliert-randomisierter Studien nachgewiesen werden konnte und die zudem inhaltlich in der Literatur hinterlegt sind. So konnten Svege et al. zeigen, dass Patienten nach einer sporttherapeutischen Intervention im Vergleich zu einer Kontrollgruppe im Langzeitverlauf seltener mit einem künstlichen Hüftgelenk versorgt wurden. Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass Sporttherapie bei Arthrose möglicherweise auch die Progredienz der Erkrankung verzögern kann [35, 36]. Auch das Tübinger Hüftkonzept wurde im Rahmen einer plazebo-kontrollierten Studie an mehr als 200 Coxarthrosepatienten evaluiert. Die 12-wöchige sporttherapeutische Intervention führte sowohl im Vergleich zu einer mit Scheinultraschall behandelten Gruppe, als auch zur Kontrollgruppe zu einer Schmerzreduktion und verbesserte die körperliche Funktionsfähigkeit [20, 37, 38].

Kontraindikationen

Sporttherapie kann nicht bzw. nicht ohne Einschränkung bei Patienten mit Instabilitäten des Bewegungsapparats, die mit einer Entlastung oder Teilbelastung einhergehen, durchgeführt werden. Gleiches gilt bei Vorliegen einer instabilen Verankerung eines bereits implantierten künstlichen Gelenkersatzes, bei radiologischen Zeichen einer Prothesenlockerung, Gelenkinfektion oder Gelenkluxation. Davon abweichend können im Rahmen rehabilitativer Maßnahmen ausgewählte und therapeutisch indizierte Maßnahmen aus dem Bereich der Sporttherapie genutzt werden (z.B. Bewegungsbad bei Teilentlastung).

Bei bestehenden Komorbiditäten sind die jeweiligen krankheitsbedingten Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparats sowie der Belastungsfähigkeit des Herz-Kreislaufsystems zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für kardio-vaskuläre Grunderkrankungen, die eine hochgradig verminderte Belastungsfähigkeit im Alltag mit sich bringen.

Nebenwirkungen und
Umgang mit Schmerzen

Grundsätzlich handelt es sich bei der Sporttherapie um eine nebenwirkungsarme Therapieform. Insbesondere zu Beginn des Trainings kann es jedoch zu einer moderaten Schmerzzunahme kommen [36]. Auch Muskelkater kann bei Patienten mit begrenzten sportlichen Vorerfahrungen Empfindungen auslösen, die sie nicht zuordnen können. Der Aufklärung des Patienten zu möglichen Schmerzen kommt deshalb bei der Aufnahme des Trainings ein besonderer Stellenwert zu. Dies ist Aufgabe des Arztes und Therapeuten.

Prinzipiell sollten folgende Grundsätze beim Umgang mit Schmerzen während und nach der Sporttherapie berücksichtigt werden [36]:

Während und nach dem Training kann es zu einer leichten Schmerzzunahme durch die Belastung kommen. Diese sollte am Folgetag wieder abgeklungen sein.

Einer deutlichen Schmerzzunahme während des Trainings sollte umgehend mit einer Übungs- bzw. Belastungsanpassung begegnet werden.

Patienten sollten über eine mögliche Schmerzzunahme informiert werden. Ihnen sollte hierbei zum einen die Angst vor einer kurzfristigen Schmerzzunahme genommen werden, zum anderen sollten sie jedoch auch darüber informiert werden, dass sie beim Auftreten von stärkeren bzw. persistierenden Schmerzen ihren Therapeuten bzw. Arzt aufsuchen sollten, um mögliche Ursachen zu klären und die weitere Belastungsdosierung zu besprechen. Die Dokumentation von Schmerzen vor und während der Trainingseinheiten sowie im Tagesverlauf kann helfen, die Belastung im Training sinnvoll anzupassen. Auch die Dokumentation von bestimmten Übungen oder Ausgangsstellungen, die Probleme verursachen, erleichtert dem Therapeuten bzw. dem Patienten die Modifikation des Trainings, da ungünstige Übungen von günstigen unterschieden werden können.

Neben Schmerzen kann es im Rahmen der Aktivitäten vereinzelt auch zu Stürzen kommen. Die Übungen sollten deshalb so gewählt werden, dass sie unter Berücksichtigung des individuellen Sturzrisikos des Patienten sicher durchgeführt werden können. Dies gilt auch für das häusliche Umfeld im Rahmen eines Heimtrainingsprogramms. Bei gangunsicheren Patienten ist dies beispielsweise durch Wahl eines festen Untergrundes sowie Stabilisierungshilfen zum Festhalten bei Übungen im Stand möglich.

Anbieter für Sporttherapie bei Arthrose

Gezielte sporttherapeutische Angebote zur Behandlung der Hüftarthrose werden in den meisten Fällen ärztlich verordnet und durch einen Therapeuten geplant und dosiert. Angebote finden sich sowohl im ambulanten, als auch im stationären Bereich. Die Bewegungs- und Sporttherapie spielt beispielsweise im Rahmen der stationären Rehabilitation eine wesentliche Rolle. Auch im
ambulanten Bereich können sporttherapeutische Maßnahmen vom Arzt
verordnet werden. Nach dem Sozialgesetzbuch IX gehören der Rehabilitationssport und das Funktionstraining zu den ergänzenden Leistungen der Rehabilitation.

Die Bedingungen für die genannten Leistungen wurden 2011 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation (BAR) durch die Rehabilitationsträger und die Leistungserbringer sowie durch Selbsthilfegruppen in der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining festgelegt [39, 40]. Funktionstraining wird im Allgemeinen von den örtlichen Arbeitsgemeinschaften der Landesverbände der Deutschen Rheumaliga angeboten, Rehabilitationssport hingegen von örtlichen Rehabilitationssportgruppen der Landesbehinderten-Sportverbände, die dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) angehören [40]. An dieser Stelle muss jedoch angemerkt werden, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch kein flächendeckendes Netz für ein arthrosespezifisches Trainingsangebot in den genannten Organisationen vorliegt. Während Funktionstraining und Rehabilitationssport in der Gruppe angeboten werden, kann der behandelnde Arzt bei gegebener Indikation allgemeine Krankengymnastik, gerätegestützte Krankengymnastik oder Übungsbehandlung verordnen. Diese Maßnahmen berücksichtigen auch Elemente der Sporttherapie. Inhalt, Umfang und Häufigkeit der verordnungsfähigen Heilmittel richtet sich für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherungen nach dem gültigen Heilmittelkatalog. Für die Diagnose „Arthrose“ regt diese Richtlinie zudem an, die Patienten in die eigenständige Ausführung eines Übungsprogrammes einzuweisen und zudem eine Gelenkschule anzubieten [20, 41].

Sport mit Gon- und
Coxarthrose

Bei Erkrankungen der Gelenke sollte auf Belastungsformen verzichtet werden, die mit Spitzen- und Rotationsbelastungen einhergehen. Als Beispiele sind Ballsportarten, Rückschlagspiele sowie Kampfsportarten zu nennen. Im Gegensatz hierzu bieten sich – neben gezielten Trainingsprogrammen zur Verbesserung der Gelenkfunktion, Muskelkraft und Alltagsaktivität – insbesondere Schwimmen, Aquagymnastik und Aquajoggen als gelenkschonende Trainingsformen an. Bei bestehenden Kniebeschwerden sollte hierbei jedoch auf den Brustbeinschlag verzichtet werden. Zyklische Belastungen wie Radfahren, Nordic Walking und klassischer Langlauf sind ebenfalls empfehlenswert. Bei Arthrose im Bereich der Wirbelsäule oder der unteren Extremitäten sollte jedoch auf das Joggen verzichtet werden, da hierbei ein Vielfaches des Körpergewichts auf den Gelenken lastet [42].

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Inga Krauß

Medizinische Universitätsklinik Tübingen, Abteilung Sportmedizin

Hoppe-Seyler-Str. 6

72076 Tübingen

inga.krauss@med.uni-tuebingen.de

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Fussnoten

1 Medizinische Universitätsklinik Tübingen, Abteilung Sportmedizin

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