Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Sport(therapie) und Arthrose

Bezüglich des Einflusses der Intensität sportlicher Aktivität auf das Arthroserisiko gibt es nur wenig gesicherte Aussagen. In der Framingham-Studie fand Felson bei den 1279 untersuchten Probanden keine Beziehung zwischen der Durchführung von Freizeitsport und dem Auftreten einer Gonarthrose [13]. Eine andere Studie zeigt jedoch einen Zusammenhang zwischen dem gehäuften Auftreten einer Gonarthrose bei Probanden, die regelmäßig Sport treiben, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Allerdings fand sich keine Assoziation mit einer Progression der Arthrose durch regelmäßige sportliche Betätigung [14]. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bezogen auf die Coxarthrose. Hier konnte ebenfalls in einer Studie ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Coxarthrose bei älteren Frauen festgestellt werden, die angaben, regelmäßige sportliche Aktivität während ihres Lebens durchgeführt zu haben [15]. Dennoch weisen die Ergebnisse der Mehrzahl aller Studien darauf hin, dass bei normaler Gelenkkonfiguration die Durchführung von Freizeitsport, bezogen auf eine Low-Impact-Sportart, kein erhöhtes Risiko für Arthrosen aufweist [15].

Sport als Therapie bei
Gon- und Coxarthrose

Die Behandlung der Arthose an Hüft- und Kniegelenk dient primär der Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung und ermöglicht dadurch auch eine Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Empfehlungen der internationalen medizinischen Fachgesellschaften, wie der
Europäischen Rheumaliga (European League against Rheumatism, EULAR), der Amerikanischen Gesellschaft der Orthopäden und Unfallchirurgen (AOOS) und der internationalen Forschungsgesellschaft zur Osteoarthrose (Osteoarthritis Research Society International, OARSI), weisen in diesem
Zusammenhang explizit darauf hin, dass bei der Wahl der Behandlungsform insbesondere Therapieverfahren berücksichtigt werden sollen, die eine
eigenverantwortliche Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen durch den Patienten selbst ermöglichen. Hierzu gehören beispielsweise eine gesundheitsorientierte Änderung des Lebensstils, eine Reduktion des Körpergewichts bei übergewichtigen Patienten sowie körperliches Training [16–18]. Die Sporttherapie hat demzufolge einen hohen Stellenwert im Behandlungskanon der Osteoarthrose. Sie versteht sich als ein Teil der Bewegungstherapie.

Was versteht man unter
Sporttherapie?

Bei der Sporttherapie geht es nicht um Wettkampf, Leistungssport oder das
Erlernen und Ausüben spezieller Sportarten. Vielmehr bedient sich die Sporttherapie geeigneter Mittel des Sports, um gestörte körperliche, psychische und soziale Funktionen zu kompensieren, zu regenerieren, Sekundärschäden vorzubeugen und gesundheitlich orientiertes Verhalten zu fördern [19, 20].

Die Inhalte der Sporttherapie berücksichtigen mehrere Dimensionen: das Trainieren motorischer Fähigkeiten wie Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer sowie das Erlernen und Üben motorischer Fertigkeiten im Sinne von Bewegungsmustern. Die Schulung
solcher Fertigkeiten ermöglicht eine Verbesserung, der für den Patienten alltagsrelevanten Handlungen und Aktivitäten. Die ergänzende Vermittlung von Kenntnissen und Wissen schafft zudem die Voraussetzung für eine selbstständige und langfristig gesundheitsbezogene Handlungs- und Sozialkompetenz. Im Rahmen der Therapie soll eine dauerhafte Motivation zur Durchführung von Eigenübungsprogrammen und zur Erreichung eines körperlich aktiven Lebensstils ermöglicht werden [20, 21].

Die verschiedenen Inhalte der Sporttherapie spiegeln das ganzheitliche
Gesundheitsverständnis der Weltgesundheitsorganisation WHO wider. Das zugrunde liegende bio-psycho-soziale Denkmodell orientiert sich nicht primär an den Defiziten, die ein Mensch aufgrund seiner Krankheit hat, sondern beschreibt und klassifiziert relevante Komponenten der Gesundheit. Neben den Strukturen und Funktionen des Körpers, gehören die Komponenten der Aktivitäten (beispielsweise die Fertigkeit alltagsrelevante Handlungen durchführen zu können) sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zur ganzheitlichen Betrachtung und Klassifikation der Gesundheit. Hierbei werden sowohl umweltbezogene als auch personenbezogene Faktoren in die Betrachtung einbezogen [20–22].

Interventionsformen der
Sporttherapie

Die Sporttherapie umfasst zahlreiche Interventionsformen: Therapieformen im Wasser (z.B. Wassergymnastik, Aqua Jogging, Aquacycling) nutzen gezielt den Wasserwiderstand zur Kräftigung und die Auftriebskraft des Wassers zur Entlastung. Auch die Wassertemperatur kann die Tonusregulation der Muskulatur positiv beeinflussen. Aus den genannten Gründen ist die Bewegung im Wasser gerade für übergewichtige Patienten mit Gelenkbeschwerden empfehlenswert, da es durch die Auftriebskraft des Wassers zu einer deutlichen Entlastung der Gelenke kommt. Therapieformen zu Land werden in der wissenschaftlichen Literatur meist in Ausdauertraining, Kräftigungstraining, funktionelles Training mit einem hohen Anteil an koordinativen Übungen sowie Trainingsformen zur Verbesserung der Beweglichkeit differenziert. Da die Wirksamkeit des Tai Chi zur Therapie muskuloskeletaler Beschwerden in den vergangenen Jahren auch in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend
Berücksichtigung findet, ist dieses nochmals als gesonderte Trainingsform hervorzuheben [23]. Alle genannten Therapieformen an Land und zu Wasser sind grundsätzlich empfehlenswert, ihre Wirksamkeit hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden [24]. Demzufolge können auch hier personelle und umweltbezogene Faktoren der Patienten bei der Therapiewahl berücksichtigt werden. Unabhängig von der Therapieform sollte jedoch in jedem Fall auf eine hinreichende Dosierung geachtet werden. Die Kombination verschiedener Therapieformen ist grundsätzlich möglich. Hierbei muss jedoch vermieden werden, dass alles ein wenig, aber nichts hinreichend trainiert wird. Deshalb sollte bei der Kombination verschiedener Trainingsinhalte in einem Programm darauf
geachtet werden, dass jeder Trainingsinhalt für sich trainingswirksam gestaltet wird [24–26].

Dosierung

Die optimale Dosierung der Sporttherapie lässt sich aus allgemeinen Empfehlungen zur Dosierung körperlichen Trainings sowie aus Empfehlungen für die sporttherapeutische Behandlung von Arthrosepatienten ableiten. Um die positiven Effekte des Trainings zu optimieren, sollten mindestens 12 Trainingseinheiten durchgeführt und dabei eine Trainingshäufigkeit von 2 bis 3 Trainingseinheiten pro Woche angestrebt werden. Bei einer längeren Interventionsdauer können größere Behandlungseffekte erzielt werden [24]. Im Bereich des Krafttrainings zeigen sowohl hohe, als auch moderate bzw. geringe Belastungsintensitäten positive Wirkungen und können demnach personenorientiert gewählt werden. Allgemein gilt jedoch auch hier, dass höhere Intensitäten mit einer vermehrten Kraftzunahme einhergehen [27–29]. Grundsätzlich gilt, dass das Training über die Interventionsdauer hinweg progressiv gesteigert werden sollte, um auch nach erfolgten physiologischen Anpassungen trainingswirksam zu sein. Es zeigt sich
zudem, dass Patienten nach vorausgehender Initiierung einer sporttherapeutischen Intervention durch erneute systematische Trainingsreize zusätzliche Wirkungen hinsichtlich Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung erzielen können [30, 31].

Anwendungsformen der Sporttherapie

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6